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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Der herzensgute Mann, den sie „Monster″ nannten
Zwischenüberschrift:
Familie und Freunde erinnern sich an Peter Hamel / Couragierter Türsteher wurde vor 25 Jahren getötet
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück Vor 25 Jahren entfachte der gewaltsame Tod Peter Hamels eine Debatte über Zivilcourage in Osnabrück. Doch wer war der groß gewachsene Türsteher, der zum Opfer eines Schlägers wurde? Freunde und Verwandte erinnern sich an einen Mann, den sie liebevoll Monster″ nannten.

Wenn Bernhard Piskol früher mit seinem Freund Peter Hamel durch die Große Straße lief, musste er eine halbe Stunde mehr einplanen. Den kannte jeder.″ Keine zehn Meter brachte der groß gewachsene Osnabrücker hinter sich, ohne dass ihn jemand grüßte oder kurz am Ärmel festhielt. Wer den Hünen, den stadtbekannten Türsteher, nicht direkt an seiner Statur erkannte, dem half ein weiteres Markenzeichen auf die Sprünge: seine Schirmmütze. Die habe er immer getragen, erinnern sich Freunde.

Peter Hamel hatte viele Freunde auch wenn er nur wenige richtig nah an sich heran ließ. Piskol war einer dieser engen Freunde. Sie arbeiteten gemeinsam am Band der Kartonage-Fabrik Kawell in Osnabrück. Das Werk ist mittlerweile geschlossen. Aber das Leben Peter Hamels hatte es noch überdauert.

Hamel wurde vor 25 Jahren erschlagen. Er starb, weil er nicht zusah, als ein Schläger auf zwei homosexuelle Männer losging. Sein couragiertes Einschreiten bezahlte Hamel mit dem Leben. Hinterrücks zog ihm der Gewalttäter eine Bierflasche über den Kopf und trat auf ihn ein.

Das ist typisch Peter, dass er die beiden Männer verteidigt hat. Er hat immer zu den Schwächeren gehalten″, sagt Willi Hamel. Der 81-Jährige ist Peters Patenonkel. Nachdem unsere Redaktion vor einer Woche über den 25 Jahre zurückliegenden Totschlag berichtet hatte, meldete er sich. Zum ersten Mal spricht er mit den Medien über den gewaltsamen Tod seines Neffen auch, weil er zwei Fehler des ersten Berichts richtigstellen will: Peter war ein waschechter Osnabrücker Junge″, sagt Willi Hamel, kein gebürtiger Engländer″. Geboren 1958 in der Osnabrücker Frauenklinik am Lieneschweg, getauft in der Herz-Jesu-Kirche. Hamel sei der deutsche Nachname der Mutter und ihrer Familie gewesen. Seinen Vater habe Peter nie kennengelernt. Ob es ein Engländer war, wie viele vermuteten, wisse nicht einmal die engste Familie, berichtet Willi Hamel.

Zudem sei seine Schwester, also Peters Mutter, zum Zeitpunkt des Prozesses gegen den Totschläger ihres Sohnes bereits seit mehreren Jahren tot gewesen. Sie sei 1990 gestorben, stellt Willi Hamel klar. Dem Mann, der Peter Hamel 1994 zu Tode getreten hatte, wurde 1995 der Prozess gemacht. Die Erinnerung des Rechtsanwalts Klaus Rüther, im Prozess die Mutter als Nebenklägerin vertreten zu haben, müsse in diesem Punkt also falsch gewesen sein. Weil sämtliche Prozessakten bis auf das Urteil inzwischen vernichtet sind, lässt sich die Frage, wen er stattdessen vertreten hat, nicht mehr klären. Die angebliche Vermutung, die Rüther in seiner Erinnerung seiner Mandatin zuschrieb, dass Peter Hamel selbst schwul gewesen sein könnte, sei ebenfalls falsch, betont der Onkel.

Peter Hamel wuchs bei seiner Großmutter auf. Wir haben dafür gesorgt, dass es ihm an nichts fehlte″, blickt Willi Hamel zurück. Als Erwachsener habe sein Neffe sein eigenes Ding gemacht, viel gearbeitet und am Wochenende in der Musikszene gejobbt. Man habe sich zwei- bis dreimal im Jahr bei Familienfeiern gesehen. Für Peter musste man eine Torte extra einplanen. Essen konnte der.″

Was Peter Hamel in seiner Kindheit an Aufmerksamkeiten und Geschenken aus der Verwandtschaft bekommen hatte, habe er später in Arbeitskraft zurückgezahlt. Einem Onkel vertäfelte er beim Hausbau 40 Quadratmeter Decke mit Holz ohne Leiter, so groß war er. Auf Peters Wort habe man sich verlassen können, zuverlässig sei er gewesen.

Das sieht Carlo Korte genauso, Konzertveranstalter im Hyde Park, der Hamel als Türsteher, Ordner und Bühnenbauer engagierte. Zu Beginn sei Hamel noch als Gast in den Hyde Park gekommen, aber allein wegen seiner Größe sei er prädestiniert für die Bühnen- und Türjobs gewesen. Das war ja ein herzensguter Typ, aber er sah Furcht einflößend aus″, sagt Korte. Monster″ nannten sie ihn in der Nachtszene. Das sei aber ein liebevoller Spitzname gewesen, sagt Conny Overbeck, damals bis heute Inhaberin des Hyde Parks. Weil wir ja wussten, dass er ein ganz harmloser, herzensguter Mensch war.″

Die Discobesucher aber wussten das nicht. Einmal habe Monster″ ein paar Halbstarke kontrolliert, die herumwitzelten, sie hätten Waffen dabei. Ab, alle Mann fünf Minuten in die Ecke stellen, wenn ihr so einen Scheiß erzählt!″, habe er die Gruppe aufgefordert, erinnert sich Overbeck. Und aus Respekt hätten die Jungs das glatt gemacht.

Im Ekkes″ ging die Party am Wochenende regelmäßig erst los, wenn sie in anderen Clubs schon fast vorbei war. Bei uns brauchte man vor 24 Uhr gar nicht aufzulaufen″, sagt Ekkehard Gram, damals Betreiber der Disco im Stadthallen-Keller. Auch er warb Hamel als Türsteher an. Peter war Mann der ersten Stunde bei uns. Körperlich eine Erscheinung, das war schon beeindruckend, aber kein Schläger, das Gegenteil, eine Seele von Mensch. Wenn er überhaupt mal eingreifen musste, hat er die Leute einfach rausgetragen.″

In Berlin gibt es einen legendären Türsteher, Sven Marquardt, der vor dem ebenso legendären Technoclub Berghain″ über Rein oder Raus entscheidet. Ein Mann mit tätowiertem und gepierctem Gesicht, der eine solch natürliche Autorität ausstrahlt, dass er sein massiges Körpergewicht kaum einsetzen muss. Dem kommt niemand doof. Vor 25 Jahren sei Peter Hamel so etwas wie der Sven Marquardt von Osnabrück gewesen, findet Werner Borgmann, Inhaber der Musikkneipe Vitischanze. Auch er beschäftigte Hamel am Einlass. Ich war vollkommen geschockt, als ich von seinem Tod erfuhr. Wer soll den denn erschlagen?

Der Täter hatte Hamel hinterrücks eine Bierflasche auf den Kopf getrümmert und danach auf den am Boden Liegenden eingetreten. Der Zwei-Meter-Türsteher hatte keine Chance. Zu sieben Jahren Haft wurde der Totschläger schließlich verurteilt.

25 Jahre nach seinem gewaltsamen Tod gibt es viele Menschen, die Peter Hamel nicht vergessen können. Jedes Mal, wenn ich am Raiffeisenplatz vorbeikomme, denke ich an ihn″, sagt Frank Eilermann. Er arbeitete im letzten Jahr gemeinsam mit Hamel in der Vitischanze. Weihnachten 1993 hätten sie mit der gesamten Belegschaft gefeiert. Das weiß auch Sandra Werner noch. Die heutige Büdchen″-Betreiberin war damals studentische Aushilfe in der Kneipe. Für alle Mädels hatte er ein Geschenk besorgt, aber nicht für alle das gleiche, sondern unterschiedliche. So ein Mensch war das.″

In der Nacht, in der Peter Hamel angegriffen wurde, feierte Sandra Werner ihren Geburtstag. Ihren Türsteherfreund hatte sie eingeladen. Wäre er mal gekommen″, grübelt sie noch heute. Monster″ sei zurückhaltend bei Feiern gewesen, erinnern sich viele Freunde. Er habe nie viel getrunken, nie über die Stränge geschlagen. Dass er mal verheiratet gewesen war, wussten nicht viele.

Die Ehe hat nicht lange gehalten″, erzählt Bernhard Piskol. Er sei damals Trauzeuge gewesen. Aus der gemeinsamen Wohnung am Nonnenpfad zog Hamel aus und ins Iduna-Hochhaus ein. Den Umzug bewältigte er zu Fuß, erinnern sich Freunde. Möbelstück um Möbelstück schleppte er auf dem Rücken über den Ring ins Gebäude. Ohnehin sei Hamel natürlich ein gefragter Umzugshelfer gewesen. Mein Schlafsofa hat er allein getragen″, erzählt Sandra Werner.

Wenn er tagsüber nicht am Band und abends nicht am Einlass stand, sei Monster″ gerne über Flohmärkte flaniert, erzählt sein Freund Bernhard Piskol. Eine Zeit lang habe er Karate gemacht, außerdem habe er sein Auto geliebt. Das war sein Heiligtum.″ Es handelte sich um einen Kleinwagen, in dem er den Sitz nach ganz hinten schieben musste, damit er überhaupt hineinpasste. Auf der Rückbank konnte dann keiner mehr sitzen. Einmal sei ihnen der Wagen bei einer Fahrt liegen geblieben, erinnert sich Piskol. Kurzerhand habe der Lange″ ihn den ganzen Weg nach Hause geschoben.

Mit seiner Arbeit verdiente Peter Hamel genug, um auszukommen, aber nie mehr als das Nötigste. Um die Beerdigung zu bezahlen, organisierten seine Freunde ein Benefizkonzert in der Vitischanze und verzichteten auf die Gage. Eine Freundin pflegte das Grab 20 Jahre lang. In ihren Erinnerungen lebt Peter Hamel weiter.

Bildtexte:
Eines der wenigen Porträtfotos von Peter Hamel. Er ließ sich nicht gerne ablichten.
So kannte man ihn: Peter Hamel am Einlass des Hyde Parks, einen Kopf größer als die meisten der Discogäste.
Fotos:
Bernhard Piskol, Conny Overbeck
Repro:
Meike Baars

Hamel-Straße?

Der Bund Osnabrücker Bürger (BOB) hat vorgeschlagen, eine Straße nach Peter Hamel zu benennen. Ein entsprechender Antrag soll einer in dieser Woche verbreiteten Pressemitteilung zufolge in der nächsten Ratssitzung eingebracht werden. Hamel sei ein Vorbild an Integration, Mut und sozialem Engagement, welches beispielhaft für alle Osnabrücker gelten sollte″, heißt es darin zur Begründung. Er sei gestorben, weil er sich in couragierter Weise für Humanität und den Schutz von Minderheiten eingesetzt hat″.
Autor:
Maike Baars


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