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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Duell um die Karmann-Klassiker
Zwischenüberschrift:
Ein Solinger Unternehmer legt sich mit Volkswagen an – Morgen Tag der Entscheidung
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
OSNABRÜCK. Der Verkauf der historischen Karmann-Fahrzeugsammlung steht vor einer überraschenden Wende. Nach Informationen unsererZeitung will Volkswagen nun doch die gesamte Sammlung erwerben. Ein Unternehmer reklamiert allerdings für sich, 73 Autos bereits gekauft zu haben. Morgen muss der Gläubigerausschuss entscheiden.

Eigentlich schien das Schicksal der Karmann-Fahrzeugsammlung längst besiegelt: Mit dem Aufbau des neuen Volkswagen-Werkes auf dem ehemaligen Karmann-Gelände wollte VW jene Fahrzeuge aus der Sammlung übernehmen, die einen Bezug zum Konzern haben. Aus den insgesamt 137 Exponaten hatten die Wolfsburger Oldtimer-Spezialisten 64 Autos ausgesucht, die künftig einem ausgewählten Publikum an den Standorten Osnabrück und Wolfsburg gezeigt werden sollten.
An dem Rest, darunter Fahrzeuge von Daimler aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, hatte VW kein Interesse. Im Dezember vergangenen Jahres traf Karmann-Insolvenzverwalter Ottmar Hermann die Entscheidung, dass alle 73 verbleibenden Autos meistbietend versteigert werden. Es folgte unter strenger Geheimhaltung einmonatelanges Bieterverfahren.
Pietro Nuvoloni, Sprecher des Insolvenzverwalters, machte von Anfang an deutlich, dass Hermann zwar den Wunsch vieler Osnabrücker verstehen könne, die Sammlung als Ganzes zu erhalten. Allerdings sei Hermann in erster Linie den Gläubiger-Interessen verpflichtet. Alsojenen mehreren Tausend Personen, denen die Firma Karmann nach Bekanntgabe der Pleite noch einen dreistelligen Millionenbetrag schuldig geblieben war. Kurzum: Hermanns Interesse ist es, möglichst viel Geld für die Sammlung zu bekommen.
Was in den folgenden Wochen geschah, liegt weitgehend im Dunkeln: Sicher scheint jedoch, dass sich Siegfried Lapawa, ein Unternehmer aus dem nordrhein-westfälischen Solingen, mit einem attraktiven Angebotvon seinen Mitbewerbern abhob: Er verkündete bereits Anfang April über die örtliche Tageszeitung, dass er die verbliebene Sammlung gekauft habe. Komplett, mit allen 73 Autos. In einem Automuseum sollen die Schätze einem breiten Publikum gezeigt werden. Der Standortstand noch nicht fest: " Jenachdem, wo sich eine Stadt darum bemüht.″
Zwischen Lapawa und dem Insolvenzverwalter wurde offensichtlich ein Vorvertrag zum Kauf der Autos geschlossen, auf den sich der Solinger jetzt beruft. Hermann lässt währenddessen über seinen Sprecher verkünden, dass es noch keine Festlegung auf einen Käufergebe.
Nach Aussage Lapawas habe ihn Volkswagen schon zu diesem Zeitpunkt darum gebeten, die Autos zurückzugeben. Wenn VW die ganze Sammlung bei Karmann in Osnabrück der Öffentlichkeit zugänglich macht, wäre dies das Beste für Deutschlandund die deutsche Automobilindustrie″, sagte Siegfried Lapawa damals. Dafür wollte erseinen Teil sogar als Leihgabe zur Verfügung stellen. Planten die Wolfsburger jedoch, die Sammlung nicht öffentlich zu präsentieren, wolle er zumindest seine Autos in einem öffentlichen Museum zeigen.
Am morgigen Donnerstag tagt der Karmann-Gläubigerausschuss. Und der muss entscheiden, ob Labawa die Autos bekommt. Der Unternehmer scheint zumindest von der Rechtmäßigkeit seines Besitzanspruches überzeugt. Ich erwarte, dass im Rahmen eines deutschen, seriösen Insolvenzverfahrens der erteilte Zuschlag und das Wort des Insolvenzverwalters im Gläubigerausschuss respektiert werden″, sagte er auf Nachfrage unserer Zeitung. Ich möchte die Sammlung für die Öffentlichkeit erwerben, zumal Volkswagen nachweislich den Erwerb zuvor dreimal abgelehnt hat.″ Über den Preis schweigen sich alle Beteiligten aus. Experten gehen davon aus, dass die Gesamt-Ausstellung mindestens fünf Millionen Eurowert ist.
Spekulationen machen die Runde, dass Lapawa schlichtweg ein gutes Geschäft gewittert hat, indem er sich die Sammlung zunächst sichert und sie dann doch zu einem höheren Preis den zögernden Wolfsburgern überlässt. Diesem Eindruck tritter allerdings entschlossen entgegen. Lapawa will nicht mehr diskutieren. Nein, ich wäre nicht verhandlungsbereit, zu keinen Bedingungen″, betont er. Ein Weiterverkauf der Sammlung ist meinerseits nicht denkbar, da sich bei mir konkret sogar ein großes Kölner Kreditinstitut gemeldet hat, das diese Autos gern in der historischen Autostadt Köln in einem Museum der Öffentlichkeit zugänglich machen möchte.″ Die Unterstützung der Stadt sei ebenfalls gegeben. Wir haben bereits weite und tief greifende Gesprächegeführt.″
Volkswagen hüllt sich währenddessen in Schweigen. Spätestens seit den Verhandlungen zur Karmann-Übernahme ist in Osnabrück bekannt, dass sich der Konzern niemals während laufender Verhandlungen zu einem Thema äußert. Bislang hat Volkswagen das neu erwachte Interesse an der Gesamt-Sammlung nicht einmal bestätigt, es gilt in informierten Kreisen aber als sicher.
Was den Sinneswandel im VW-Konzern herbeigeführt haben könnte, ist derzeit völlig unklar. Möglicherweise hat der öffentliche Druck aus Osnabrück dazu beigetragen, die einmalige Automobilsammlung doch zu erhalten. Das wünscht sich auch Oberbürgermeister Boris Pistorius. Ob es wirklich gelingt, entscheidet sich morgen, wenn die Gläubiger hinter verschlossenen Türen tagen.

Bildtexte:
Der Ford Eifel aus den 1930er-Jahren gehört zu den 73 Autos der Karmann-Sammlung, die der Solinger Unternehmer Siegfried Lapawa für sich beansprucht.
Legendär: Der Karmann Ghia zählt zu den Exponaten, die sich Volkswagen bereits gesichert hat.
Roter Hingucker: Die DKW-Sonderklasse ist Teil der einzigartigen Fahrzeugsammlung.
Fotos:
privat

KOMMENTAR
Zögerlich

Der Sinneswandel von Volkswagen kommt überraschend und scheint völlig unerklärlich. Monatelang hatte Europas größter Autobauer die Möglichkeit, für die gesamte Fahrzeug-Sammlung den Finger zu heben und sie als industriehistorisches Denkmal für Osnabrück zu sichern. Zumal es mit etwas Verhandlungsgeschick ein Leichtes gewesen wäre, die Autos geschenkt zubekommen: Bereits kurz nach Eröffnung der Insolvenz hatte Rechtsanwalt Ottmar Hermann durchblicken lassen, dass er die historischen Fahrzeuge dem neuen Investor als Bonbon anbieten wolle. Jetzt muss VW mit einem Geschäftsmann ringen, der offensichtlich sehr viel entschlossener handelt als die Wolfsburger. Dass der Konzern zu den Vorgängen schweigt, dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass er am Ende im Duell um die Komplettsammlung das Nachsehen haben könnte und in jedem Fall das Verlierer-Image meiden will. Für Osnabrück wäre es das Beste, wenn die Sammlung der Stadt als Ganzes erhalten bliebe in einer öffentlich zugänglichen Ausstellung. Dafür müsste VW aber endlich Entschlossenheit zeigen.
s.prinz@ noz.de
Autor:
Stefan Prinz


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