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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Getötet, weil er nicht wegsah
Zwischenüberschrift:
Vor 25 Jahren starb Peter Hamel, als er zwei Homosexuelle verteidigte
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück Vor 25 Jahren starb Peter Hamel. Er wurde zu Tode getreten. Der Türsteher griff ein, als ein 20-Jähriger in Osnabrück zwei Männer attackierte. Seinen Mut bezahlte der Engländer mit dem Leben. Noch heute wird seiner gedacht.

Peter Hamel wurde 36 Jahre alt. Am 14. September 1994 traf eine Bierflasche den englischen Türsteher am Kopf. Es war mitten in der Nacht. Die brutale Tat geschah in der Nähe des Bahnhofs, auf einem Parkstreifen an der Heinrich-Heine-Straße gegenüber dem Raiffeisenplatz. Der Bereich galt damals als Treffpunkt der Schwulenszene. Der 2, 10 Meter große Mann ging zu Boden. Geschwungen hatte die Flasche ein 20-jähriger Heranwachsender, der auf Krawall aus war. Er ließ danach nicht ab, sondern trat weiter auf sein Opfer ein. Mit seinen Tritten zielte er auf den Oberkörper und den Kopf. Hamel erlitt einen Schädelbasisbruch, wie später die Obduktion ergab. Noch am selben Morgen starb er an seinen Verletzungen.

25 Jahre liegt der Fall nun zurück. Noch heute gibt es Menschen, die des Opfers gedenken wollen. Peter Hamel hat Zivilcourage gezeigt und sein Eingreifen mit dem Leben bezahlt. In seiner Brutalität war der Fall antihomosexueller Gewalt einzigartig″, sagt Lisa Böhne. Für das autonome Zentrum Substanz″ organisiert sie an diesem Samstag eine Kundgebung in der Innenstadt, die an den Tod des gebürtigen Engländers erinnern soll. Auch heute noch werde die Bezeichnung schwul″ als Schimpfwort benutzt. Solchen Tendenzen müsse eine Gesellschaft entgegentreten, findet Böhne. Am Morgen soll es eine Mahnwache am Tatort geben.Streitlustiges Trio

Hamel hatte 1994 in der besagten Nacht eine Attacke auf zwei Männer beobachtet und war eingeschritten. Was war geschehen? Der Angreifer, ein mehrfach wegen Körperverletzung vorbestrafter 20-Jähriger, war mit zwei Freunden durch die Innenstadt gezogen. Sie hatten getrunken, sich angestachelt. 1, 9 Promille stellte die Polizei später bei dem Haupttäter fest.

Das Trio landete schließlich am Raiffeisenplatz, um sich umzusehen″. Die Gruppe entdeckte zwei Männer, die sich an einem Auto unterhielten. Der 20-Jährige ging auf sie zu, beschimpfte sie, die Männer zogen sich in den Wagen zurück. Ihr Fahrzeug wurde bespuckt, der Haupttäter trat das Beifahrerfenster ein. Wir dachten, da sitzen zwei Schwule im Auto″, gab er später zu Protokoll, wie es in Archivartikeln der NOZ heißt.Schrank von Mann

In diesem Moment kam Peter Hamel hinzu. Ein Kleiderschrank von einem Mann″, wie Zeugen ihn später beschrieben. Er schlug die jungen Männer in die Flucht aber nur vorerst. Ob der gebürtige Engländer dabei selbst eine kaputte Glasflasche und eine Eisenkette bei sich trug, ließ sich im Prozess offenbar nicht zweifelsfrei klären. Nachzuvollziehen sind die Zeugenaussagen nicht mehr.

Die Gerichtsakte zu dem Fall wurde 2014 turnusmäßig vernichtet, erklärt Christian Bagung, Sprecher der Osnabrücker Staatsanwaltschaft. Sämtliche Protokolle landeten im Schredder. Lediglich eine Ausfertigung des Urteils und ein Vollstreckungsnachweis blieben erhalten jene Bescheinigung, dass der Verurteilte seine Hafttstrafe verbüßt hat.

Er war wegen Totschlags verurteilt worden. Denn als sich die aufgeladene Stimmung auf dem Parkplatz eigentlich schon wieder entschärft hatte, war der 20-jährige Gewalttäter noch einmal umgekehrt. Es folgten der Hieb mit der Bierflasche und die Tritte gegen den wehrlosen Peter Hamel am Boden.

Die Tat schockierte Osnabrück. In den Tagen und Wochen danach gab es Mahnwachen und Gedenkfeiern für das Opfer, die zugleich ein Fanal für Toleranz und gegen die Diskriminierung von Minderheiten waren. Bürger legten Blumen am Tatort nieder und zündeten Kerzen an. Wehret den Anfängen″, mahnten die Demonstranten.

Die Jugendkammer des Landgerichts verurteile den Schläger im März 1995 zu sieben Jahren Haft. Das Strafmaß fiel nicht höher aus, weil ein rechtsmedizinisches Gutachten für eine überraschende Wendung in dem Prozess gesorgt hatte, wie sich Klaus Rüther erinnert. Der Osnabrücker Anwalt vertrat damals die Mutter des Opfers als Nebenklägerin.

Den direkten Tötungsvorsatz habe man dem Angeklagten nicht nachweisen können und das lag an einer anatomischen Besonderheit des Opfers, schildert Rüther. Der groß gewachsene Peter Hamel hatte eine ungewöhnlich dünne Schädeldecke. Der Täter kam mit einer relativ milden Strafe davon, weil seine Tritte bei jedem anderen Menschen nicht tödlich gewesen wären.″

Weder die Mutter noch das Opfer selbst haben von der Schwachstelle gewusst, erinnert sich Rüther. Hamel hatte jahrelang als Türsteher in verschiedenen Osnabrücker Clubs gearbeitet. Ein Job, in dem man mit Angriffen rechnen muss. Zuletzt hatte er den Einlass des Ekkes″ kontrolliert, einer Disco im Keller der damaligen Stadthalle. Vielleicht wäre er vorsichtiger zur Tat geschritten, wenn er um seine Verletzungsanfälligkeit gewusst hätte? Hamel galt als beliebter, friedlicher Kerl, wie sich aus den Archivberichten zu seinem Fall entnehmen lässt. Ein Freund beschrieb ihn als herzensguten Mann″.

Klaus Rüther meint sich erinnern zu können, dass seine Mandantin vermutete, ihr Sohn selbst sei auch schwul gewesen. Möglicherweise habe er sich deshalb nachts in der Nähe des Szenetreffs aufgehalten. Belegen lässt sich diese Vermutung heute aber nicht mehr. Im Prozess habe diese Frage keine Rolle gespielt.

Er habe rund 9000 Mandanten als Strafverteidiger vertreten, aber weniger als zehn Nebenklagen, berichtet der 68-jährige Anwalt, der in drei Wochen in Rente geht. Noch ein anderes Detail sei ihm möglicherweise deshalb in Erinnerung geblieben: der Blick auf die drei Jungs im Schwurgerichtssaal. Draußen, im Dunkeln, unter Alkoholeinfluss zusammengerottet, da mögen sie angsteinflößend gewesen sein. Aber vor Gericht saßen drei Jammerlappen mit hängenden Schultern und gesenktem Kopf.″ Die Mutter des Opfers habe dieser Auftritt mit Entsetzen erfüllt.Schwulenfeindliche Tat?

War es Schwulenfeindlichkeit, die den Haupttäter angetrieben hatte? War er gemeinsam mit den zwei Freunden in die Innenstadt gezogen, um Schwule zu klatschen″, wie es einer der beiden Kumpel im Prozess aussagte? Die Frage klärte das Verfahren nicht eindeutig auf. Eines zeigte die Verhandlung jedoch: Peter Hamel hätte nicht sterben müssen, hätte der Angeklagte eher von seinem Opfer abgelassen.

Ob noch heute Angehörige von Peter Hamel in Osnabrück leben, ist nicht bekannt. Es gibt keinen Ort mehr in der Stadt, der an das Totschlagsopfer erinnert. Sein Grab auf dem Schinkeler Friedhof wurde 2014 nach 20 Jahren eingeebnet.

Bildtexte:
Ein Meer von Blumen lag vor 25 Jahren am Raiffeisenplatz, die Osnabrücker Bürger in Trauer um Peter Hamel dort niedergelegt hatten. Hier war der 36-jährige Türsteher kurz zuvor zu Tode getreten worden, nachdem er gegen pöbelnde Heranwachsende eingeschritten war.
Peter wurde totgetreten, weil er bei einem Vorfall Schwulen zu Hilfe kam″, steht auf dem Banner, das bei einer Gedenkkundgebung am Nikolaiort liegt.
Fotos:
Jörn Martens/ Archiv (Michael Hehmann)/ Montage: Stefan Langer, Archiv/ Detlef Heese

Gedenken an Peter Hamel

Am 13. September jährt sich der Tod Peter Hamels zum 25. Mal. Das autonome Zentrum Substanz gedenkt des Opfers am 14. September mit einer Mahnwache und einer Kundgebung. Von 10 bis 12 Uhr laden die Veranstalter zur Mahnwache an der Heinrich-Heine-Straße ein. Dort war der englische Türsteher zu Tode geschlagen und getreten worden, nachdem er zwei Männer gegen einen Angriff verteidigt hatte. Von 13 bis 16 Uhr soll es eine Kundgebung am Jürgensort geben. Laut Polizei rechnen die Organisatoren mit etwa 20 Teilnehmern.
Autor:
Maike Baars


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