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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Kleiderlager in schwieriger Lage
 
Enttäuschung im Kleiderlager
Zwischenüberschrift:
Verwaltung lehnt Unterstützung ab
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück Es war auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle: Die Hilfsbereitschaft in Osnabrück war groß. Die Bürgervereine Nordwest und Eversburg sammelten Kleiderspenden für Flüchtlinge, die in der Landesaufnahmestelle am Natruper Holz gelandet waren. Aus diesem ehrenamtlichen Engagement entwickelte sich das Kleiderlager.

Das war im Jahr 2016. Jetzt steht die Einrichtung kurz vor dem Aus. Ein ständiger Begleiter des Kleiderlagers war die Suche nach einer festen Bleibe und kontinuierlicher Unterstützung. Aus den derzeit genutzten Räumen im Landwehrviertel muss das Lager spätestens Ende Mai 2020 weichen.

Und wie soll es weitergehen? Auf alle Fälle nicht mit finanzieller Unterstützung durch die Stadt. Das Steuerungsteam des Kleiderlagers ist entsetzt.

Osnabrück Elisabeth Michel, Kleiderlager-Sprecherin, ist sauer: Das ist eine bodenlose Unverschämtheit.″ Ihr Zorn richtet sich gegen eine Mitteilungsvorlage der Verwaltung, die am Mittwoch den Sozialausschuss erreichte. In der wird das vorläufige Aus des Kleiderlagers besiegelt: Die Stadt lehnt eine materielle Unterstützung der 2016 ins Leben gerufenen Initiative ab.

Die Geburt des Kleiderlagers war spontan und schmerzfrei, Kindheit und Jugend aber gestalten sich seit der Niederkunft schwierig. Als Hebammen fungierten zum Jahreswechsel 2015/ 16 die Bürgervereine Eversburg und Nordwest. Auf dem Höhepunkt der Zuwanderung von Flüchtlingen wollten sie helfen und organisierten Kleiderspenden. Von der Spendenbereitschaft der Osnabrücker wurden sie in der Folge nahezu überwältigt.

Aber aus der Freude wurde eine Not, die bis zum heutigen Tag anhält. In der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes am Natruper Holz standen keine Kapazitäten für die Einrichtung eines Kleiderlagers zur Verfügung. Die Suche nach einem Quartier begann. Sie dauert bis heute an, denn alle bisherigen Standorte waren immer nur befristete Zwischenlösungen. Auch die jetzige Unterkunft im ehemaligen Offizierskasino in der Landwehrkaserne ist nicht auf Dauer angelegt, muss im Mai 2020 geräumt werden.

Dabei sind Michel und ihre Mitstreiter von der anhaltenden Bedeutung ihrer Initiative überzeugt. Das Kleiderlagersteuerungsteam hat schon lange nicht mehr nur die Flüchtlinge vor Augen. Die Bedürftigkeit verstecke sich an vielen Stellen unserer Gesellschaft, so Michel.

Sie fragt sich jetzt, wie es weitergehen soll. Ich persönlich möchte die Sache weiterführen″, sagt sie, räumt aber ein, dass sie diese Aufgabe alleine nicht stemmen könne. Am Freitag werde sich das Steuerungsteam treffen, um das weitere Vorgehen zu diskutieren. Vorstellbar ist laut Michel der Aufbau einer Sponsorengruppe, mit deren Hilfe die laufenden Kosten gestemmt werden können. In erster Linie braucht das Lager ein Ladenlokal, etwa 450 Quadratmeter groß, um weiterarbeiten zu können. Die Fläche sollte möglichst innenstadtnah liegen und eine gute Anbindung an den ÖPNV haben, damit vor allem die Kunden, aber auch die ehrenamtlichen Mitarbeiter das Kleiderlager gut erreichen können.

Michel möchte ihre ehrenamtliche Unternehmung eigentlich noch erweitern. Künftig soll das Kleiderlager zu einem Verschenkmarkt ausgebaut werden. Der könne nicht nur Bedürftigen helfen, sondern leiste auch einen Beitrag zur Nachhaltigkeit, da so funktionstüchtige Gebrauchsartikel, die möglicherweise entsorgt werden würden, weiter genutzt werden.

Hilfe von städtischer Seite ist da kaum mehr zu erwarten. Das Steuerungsteam des Kleiderlagers hatte ein Auge auf die ehemaligen Stadtteilbibliothek in Eversburg an der Atterstraße geworfen. Allerdings ist dort momentan noch das Archiv der Sozialverwaltung untergebracht. Außerdem läuft der Nutzungsvertrag für das Gebäude in zwei Jahren aus, und die Stadt hegt keinerlei Absicht, diesen zu verlängern.

Die Verwaltung macht in erster Linie fachliche Bedenken geltend. So gebe es bereits über das gesamte Stadtgebiet verbreitete Angebote sozialer Kaufhäuser anderer Träger. Aus fachlicher Sicht sollte außerdem die Weitergabe von Spenden mit einer sozialarbeiterischen bzw. persönlichen Begleitung erfolgen, um die Menschen zu ermächtigen, mittel- und langfristig sich selbst zu versorgen. Das bedeutet konkret, im Gespräch mit den Betroffenen zu klären, ob sie staatliche Sozialleistungen in ausreichender Form in Anspruch nehmen oder ein Bedarf an weiteren Unterstützungsmöglichkeiten durch die freien Träger sowie u.U. an ehrenamtlicher Begleitung besteht″, heißt es in der Vorlage.

Von der Politik dürfte das Kleiderlager auch nicht mehr allzu viel zu erwarten haben. Die Ausschussmitglieder nahmen die Vorlage zwar mit Bedauern, aber dennoch ohne größeren Widerstand hin. Zwar merkte Andreas Reinisch-Klaß (SPD) an, dass er enttäuscht sei, dass dem Kleiderlager nicht mehr geholfen werden könne, schloss sich aber den Vertretern der anderen Parteien an, die sich für die umfangreiche Arbeit der Verwaltung bedankten und damit eine Haken an die Sache machten.

Letztendlich war es Sozialdezernentin Katharina Pötter, die die Tür für die Kleiderekammer wieder einen Spalt breit öffnete. Wir stehen den Initiatoren gerne beratend zur Verfügung″, kündigte sie an, das Know-how der Verwaltung einzubringen, wenn es zum Beispiel um Fördermöglichkeiten oder Kontakte gehe. Eine finanzielle Beteiligung der Stadt an Kosten oder durch die Bereitstellung von Lagerräumen schloss allerdings auch Pötter deutlich aus.

Bildtexte:
Ob und wenn ja wie das Kleiderlager weitergeführt wird, muss noch entschieden werden.
Im Kleiderlager werden Spenden sortiert, um sie dann an Bedürftige weitergeben zu können.
Fotos:
Gert Westdörp

Kommentar
Bitter

Wer leugnet, dass die Zahl bedürftiger Menschen auch in Osnabrück zunimmt, schließt die Augen vor der Realität. Denn er verkennt, dass es nicht mehr allein die Hartz-4-Empfänger sind, die sich neue Kleidung kaum mehr leisten können. Immer mehr Menschen fällt es schwer, trotz Arbeit eine defekte Waschmaschine zu ersetzen oder eine Winterjacke zu kaufen. Diese schleichende Armut versteckt sich, wird kaum von Statistiken erfasst, aber sie ist da.

Ein Verschenkmarkt kann hier helfen. Nicht nur das, er kann auch einen erheblichen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten, indem nicht weggeworfen wird, was nicht mehr gefällt, sondern von anderen weitergenutzt wird. Das Kleiderlager kämpft darum, diese beiden gesellschaftlich äußerst relevanten Ansätze verfolgen zu dürfen. Dass Verwaltung und Politik ihm nicht mit mehr Elan zur Seite springen, ist bedauerlich.

Am Ende bleibt das Angebot der Sozialdezernentin, die Kompetenz der Verwaltung für eine Problemlösung zur Verfügung zu stellen. Damit hat Katharina Pötter ohne Not einen Teil der Verantwortung für den Fortbestand der Kleiderkammer doch wieder in ihr Haus geholt. Das ehrt sie. Jetzt sind die Kleiderlagerinitiatoren gefragt, die ausgestreckte Dezernentinnenhand zu ergreifen. d.kroeger@ noz.de
Autor:
Dietmar Kröger


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