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1.
Erscheinungsdatum:
04.09.2019
aus Zeitung:
Neue Osnabrücker Zeitung/ Neue OZ
Inhalt:
Zeugen
des
Zweiten
Weltkriegs
Überschrift:
„Diese Gesichter waren erschreckend″
Zwischenüberschrift:
Eine Osnabrückerin erinnert sich an Zwangsarbeiter am Augustaschacht
Artikel:
Originaltext:
Hasbergen
Noch
etwas
mehr
als
einen
Kilometer,
dann
haben
es
die
20
Männer
geschafft
–
vorbei
am
Kloster
Ohrbeck,
ein
Stück
geradeaus,
eine
scharfe
Rechtskurve
und
wieder
geradeaus.
Sie
kehrten
zurück
von
ihrem
Arbeitstag
in
Osnabrück
–
zurück
zum
Augustaschacht.
Ihre
Füße
steckten
barfuß
in
Holzschuhen,
auf
ihrer
Kleidung
prangten
die
Buchstaben
„
AZ″,
sie
gingen
angetrieben
von
Wachmännern.
In
Osnabrück
haben
sie
Blindgänger
geräumt
und
die
Straßen
von
Trümmern
befreit.
Kurz
hinter
dem
Kloster
lief
ein
elfjähriges
Mädchen
auf
sie
zu.
Es
ist
die
Zwillingsschwester
von
Mathilde
Raddatz.
Sie
wollte
den
Gefangenen
eine
Möhre
geben.
Doch
der
Aufseher
schlug
dem
Zwangsarbeiter
die
Möhre
mit
der
Peitsche
aus
der
Hand
und
sagte
zu
dem
Mädchen:
„
Mach
das
ja
nicht
wieder,
dann
kriegst
du
sie
auch.″
Mathilde
Raddatz
ist
mit
ihren
acht
Geschwistern
in
Ohrbeck
aufgewachsen.
Neben
dem
Haus
das
Kloster.
Dahinter
ein
großer
Garten,
dann
kam
der
Wald.
Vor
dem
Haus
verlief
die
Straße,
dann
Felder,
eine
Bahnschiene.
Überquerte
ein
Zug
den
unbeschrankten
Bahnübergang,
pfiff
er.
Manchmal
liefen
Raddatz
und
ihre
Geschwister
hinterher
und
sammelten
heruntergefallene
Kohlen
auf.
Wenig
deutete
darauf
hin,
dass
nur
einige
Hundert
Meter
weiter
das
Grauen
herrschte
und
die
Männer
vor
ihrem
Elternhaus
diesem
Grauen
entgegenliefen.
Von
Januar
1944
bis
Ende
März
1945
unterhielt
die
Osnabrücker
Gestapo
am
Augustaschacht
das
Arbeitserziehungslager
Ohrbeck.
Insgesamt
waren
dort
mehr
als
2000
Jugendliche
und
Männer
inhaftiert.
Sie
kamen
aus
17
Ländern,
viele
stammten
aus
den
Niederlanden,
der
ehemaligen
Sowjetunion,
Italien
und
Polen.
Durchschnittlich
blieben
sie
acht
Wochen
in
dem
Lager
–
als
Strafe,
weil
sie
versucht
hatten
zu
fliehen
oder
die
geforderte
Arbeitsleistung
nicht
erbrachten.
„
Es
war
die
Hölle
auf
Erden″,
sagt
der
Historiker
Volker
Issmer,
der
die
Geschichte
des
Augustaschachts
erforscht.
Die
Lebens-
und
Arbeitsbedingungen
waren
unmenschlich.
Täglich
leisteten
die
Zwangsarbeiter
beim
Aufräumen
in
der
Stadt
oder
in
den
Klöckner-
Werken
in
Georgsmarienhütte
Schwerstarbeit.
Bei
Bombenangriffen
waren
sie
schutzlos,
denn
sie
durften
die
sicheren
Bunker
nicht
betreten.
Ein
Leben
war
wenig
wert.
In
einem
Zeitungsbericht
nach
einem
Bombenangriff
auf
Osnabrück
1942
hieß
es:
„
Kirchen,
Krankenhäuser,
Kinderheim,
Arbeitersiedlung
und
Wohnstätten
der
Zivilbevölkerung
getroffen.
38
Tote.
–
Außerdem
10
ausländische
Zivilarbeiter
getötet.″
Auch
die
Ernährung
im
Lager
war
nur
unzureichend.
„
Im
Lager
herrschte
Hunger,
und
es
gab
viel
Ungeziefer″,
sagt
Issmer.
Zusätzlich
waren
sie
der
Willkür
ihrer
Bewacher
ausgesetzt.
Einmal
soll
ein
Aufseher
einen
Häftling
bei
klirrender
Kälte
auf
dem
Appellplatz
mit
Wasser
übergossen
haben.
Der
Mann
starb.
Insgesamt
kamen
mehr
als
100
Gefangene
um.
Von
alldem
ahnte
Mathilde
Raddatz
als
elfjähriges
Mädchen
wenig.
Wohl
kannte
sie
die
Schrecken
des
Krieges:
Angst
in
den
Bombennächten,
Kälte,
Hunger,
Tod.
Sie
kannte
das
Schweigen,
wenn
es
um
Zwangsarbeiter
ging,
und
sie
kannte
die
Hilflosigkeit
ihrer
Eltern,
die
nicht
erklären
konnten,
warum
Menschen
so
behandelt
werden.
An
den
Bahngleisen
lernte
sie
noch
ein
weiteres
Gesicht
des
Krieges
kennen.
Ein
Zug
mit
Arbeitern
fuhr
in
Richtung
Klöckner-
Werke
in
Georgsmarienhütte.
Raddatz
spielte
mit
anderen
Kindern
im
Wald,
als
der
Zug
in
Ohrbeck
hielt.
Ein
Waggon
öffnete
sich,
und
Raddatz
sah
die
Menschen,
die
dicht
gedrängt
standen.
„
Diese
Gesichter
waren
für
mich
erschreckend,
Die
waren
voller
Resignation,
voller
Entsetzen″,
sagt
die
86-
Jährige.
Bis
heute
kann
sie
die
Bilder
nicht
vergessen.
Auch
nicht,
als
sie
bereits
studiert
und
die
Befreiung
des
Lagers
lange
zurückliegt.
Raddatz
wird
Lehrerin,
ihr
Feld
ist
die
Reformpädagogik.
Als
Teil
der
68er-
Bewegung
wollte
sie
über
die
Verbrechen
reden
und
die
Jugend
aufklären.
„
Statt
etwas
über
KZs
zu
erzählen,
bin
ich
mit
meinen
Schülern
nach
Bergen-
Belsen
gefahren.
Da
konnten
sie
es
sehen″,
sagt
die
86-
Jährige.
Lange
lebte
sie
in
Göttingen,
gründete
eine
Familie,
bekam
zwei
Söhne.
Als
Seniorin
kehrte
sie
in
ihre
Heimat
zurück.
Sie
beobachtet
heute
das
politische
Geschehen
genau:
„
Wenn
den
Geflüchteten
auf
dem
Mittelmeer
nicht
geholfen
wird,
erinnert
mich
das
an
die
Zwangsarbeiter.
Es
darf
kein
Verbrechen
sein,
hilflosen
Menschen
zu
helfen″,
sagt
sie.
Gedenkstätten
wie
der
Augustaschacht
könnten
das
Bewusstsein
stärken
und
an
Menschlichkeit
appellieren.
Am
Bahnübergang
in
Ohrbeck
weist
siebzig
Jahre
später
nichts
mehr
auf
die
brutale
Vergangenheit
hin.
Ein
Schuljunge
auf
einem
Mountainbike
mit
Ranzen
auf
dem
Rücken
schaut
nach
rechts
und
links,
dann
rast
er
über
die
Schienen.
Mathilde
Raddatz
blickt
den
Gleisen
hinterher.
Das
ist
geblieben,
auch
siebzig
Jahre
später.
Sie
sagt:
„
Wenn
ich
einen
Zug
pfeifen
höre,
habe
ich
die
Gesichter
der
Gefangenen
vor
Augen.″
Bildtexte:
Die
Züge,
die
über
diese
Schienen
rollten,
fuhren
direkt
in
die
Hölle.
Mathilde
Raddatz
wuchs
in
der
Nähe
des
Arbeitserziehungslagers
Augustaschacht
auf.
Fotos:
Benjamin
Beutler
Autor:
Marie Busse