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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
„Wir leben nebeneinander her″
 
SPD warnt vor „ziellosem Aktionismus″ und Verunglimpfungen
Zwischenüberschrift:
Wie sich das Problem-Dreieck im Schinkel im vergangenen Jahr entwickelt hat
 
Auch DGB wendet sich gegen Pauschalurteile: Das Problem ist nicht bulgarisch oder rumänisch
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück Ratten- und Müllprobleme, prekäre Wohnverhältnisse und Männergruppen, die auf der Straße herumlungern: Es ist ein knappes Jahr her, dass im Bürgerforum Schinkel Befürchtungen laut wurden, das Dreieck Buersche, Venloer und Schinkelstraße könnte sich zu einer No-go-Area entwickeln. Wie sieht es heute dort aus?

Wir halten Ausschau nach Müll und leeren Bierdosen stattdessen fallen uns drei Blumenbeete ins Auge. Rosen und Stiefmütterchen blühen dort, beschützend umrandet von kleinen Zäunen aus Stäben, Fäden und Flatterband. Das habe die Nachbarin gemacht, sagt ein älterer Herr, ein Deutscher mit polnischen Wurzeln. Damit die Blumen, die der Osnabrücker Servicebetrieb (OSB) gepflanzt hat, von den vielen parkenden Autos nicht kaputt gefahren werden. Der Herr sitzt in der Mittagszeit draußen, trinkt eine Dose Bier und blickt in Richtung Venloer Straße. Hier ist mehr oder weniger alles bulgarisch″, sagt er. Seit 1999 lebt er in einem Mehrfamilienhaus, dessen Fassade mit krummen Drähten provisorisch vor dem weiteren Abbröckeln bewahrt wird. Früher waren seine Nachbarn Portugiesen, Türken und Deutsche. Die sind alle weg in bessere Wohnungen″, sagt er. Jetzt leben dort die Bulgaren. Ich komme gut mit denen aus.″

Es sind viele Männer auf der Straße zu sehen, die die Presse aus der Ferne skeptisch beäugen, aber auch Frauen mit kleinen Kindern. Vor einem Haus stehen ein altes Sofa und weitere Stühle. Kein Sperrmüll, erfahren wir, sondern Sitzgelegenheiten. Unsere Landsmänner haben die Gewohnheit, draußen zu sitzen und auch mal ein Bier zu trinken″, wirbt Nezhdet Halilov um Verständnis. Der Deutsche mit bulgarischen Wurzeln betreibt einen Lebensmittelladen und Kiosk an der Ecke zur Venloer Straße. Wir leben in Frieden.″

Vor seinem Laden sorgt Halilov selbst für Ordnung und räumt seit etwa einem halben Jahr systematisch den Müll weg, kümmert sich um ein Blumenbeet mit rosa Röschen. Und was ist mit den Menschen in der direkten Nachbarschaft, die nach allem, was man so hört, in prekären Verhältnissen leben? Die kenne er nicht, sagt er.

Zurück auf der Straße, sprechen wir einen Mann um die 50 an. Er spreche kein Deutsch, signalisiert er und winkt einen anderen heran, einen jungen Mann. Er fühle sich hier wohl, sagt der. Warum er nach Deutschland gekommen sei? In Bulgarien weniger Arbeit″, sagt der junge Mann. Er selbst habe einen Vollzeitjob als Zeitungsausträger.

Damit zählt er nicht zu den 32, 5 Prozent bulgarischen Staatsbürgern in Osnabrück, die Sozialleistungen beziehen, wie die Stadtverwaltung aktuell auf eine Anfrage der Osnabrücker CDU-Fraktion antwortete. 2016 lag die Quote der Sozialleistungsbezieher noch bei mehr als 50 Prozent; inzwischen haben die Behörden ein wacheres Auge darauf, ob Leistungen wie Sozialhilfe und Wohngeld zu Recht bezogen oder zu Unrecht erschlichen werden. Die Stadt will zudem versuchen, an die bulgarischen Familien heranzukommen, um sie zu integrieren, wie Sozialdezernentin Katharina Pötter unserer Redaktion sagte.

Bislang hat sich in Sachen Integration nichts Spürbares getan. Wir haben hier keinen Streit, wir leben aber nebeneinander her″, berichtet Christoph Twent, der in der Venloer Straße aufgewachsen ist und dort mit seiner Frau eine Autowerkstatt betreibt. Ihre bulgarischen Nachbarn sprechen kein Deutsch wie sollen sie sich da verständigen? Einmal habe es einen Rundgang mit dem OSB gegeben. Trotz Dolmetschers habe von bulgarischer Seite nur die Frau des Lebensmittelhändlers daran teilgenommen.Gefühl der Ohnmacht

Es ist schwierig″, sagt Christoph Twent. Er und seine Frau hegen keinen offenen Groll gegen ihre bulgarischen Nachbarn, auch wenn sie davon genervt sind, dass sie Tag für Tag stundenlang grillen und der Dunst in ihren Garten zieht. Davon, dass die bulgarischen Geschäfte jeden Tag fast rund um die Uhr geöffnet seien und auch am Sonntag dort ein Verkehr herrsche wie samstags in der Großen Straße. Dass Christoph Twent jeden Morgen mit der Zange auf die Straße geht, um Müll aufzulesen. Dass Ratten von herumliegenden Lebensmittelresten angezogen werden. Das Ehepaar fühlt sich ohnmächtig. Susanne Twent berichtet von Häusern an der Buerschen Straße, die nach ihrer Beobachtung heillos überfüllt″ sind. Es sind unheimlich viele Kinder im Haus″, so Twent. Wir wollen doch, dass es den Leuten da auch gut geht.″ Die Polizeipräsenz habe sich zwar erhöht, aber nur von nichts auf ein bisschen″.

Und was sagt Carsten Friderici vom Bürgerverein Schinkel ein Jahr, nachdem er im Bürgerforum die Befürchtung geäußert hatte, die Ecke könnte sich zu einer No-go-Area entwickeln? Wir haben Ansätze einer Verbesserung, zumindest äußerlich″, so Friderici. An zwei, drei Gebäuden sei die Fassade erneuert worden. Den Begriff No-go-Area″ würde er nicht noch mal verwenden, sagt er, lässt aber keinen Zweifel daran, dass dort problematische Umstände″ herrschen. Inwiefern sich etwas an den Strukturen geändert hat, dass Leute aus Bulgarien hergelockt werden unter großen Versprechungen, wissen wir nicht.″ Er habe die Vermutung, dass in den Häusern auch Frauen leben, die zur Prostitution gezwungen werden. Für die Bürger wiederum sei nicht erkennbar, dass die Behörden gegen die Hintermänner vorgingen und das sorge für Unmut. Ordnungsamt und Polizei haben die Pflicht, die Täterstrukturen in dem Quartier aufzudecken, und für die Opfer brauchen wir Hilfe.″

Anwohnerin Susanne Twent setzt zumindest leise Hoffnungen auf das Stadtteilbüro, das seit Anfang Juli in der Tannenburgstraße ansässig ist als Herz des Förderprogramms Soziale Stadt″, das für bauliche und soziale Verbesserungen im Stadtteil Schinkel sorgen soll. Twent wünscht sich einen Runden Tisch, um mit den bulgarischen Nachbarn ins Gespräch zu kommen. Doch dafür braucht sie Hilfe. Das können wir alleine nicht organisieren, weil das sprachlich nicht geht.″

Bildtexte:
Ein umsorgtes Blumenbeet und Sessel, die kein Sperrmüll sind, sondern Sitzgelegenheiten: Eine No-go-Area sieht anders aus. Doch hinter den Fassaden herrschen nach wie vor problematische Zustände.
Das ist kein Sperrmüll, sondern eine Sitzgelegenheit für die Menschen, die im Problemviertel leben.
Fotos:
Gert Westdörp

Osnabrück Während die Grünen in ihrer , Alle-dürfen-rein-Mentalität′ die Probleme mit den Bulgaren im Schinkel verniedlichen und schönreden, macht die CDU das genaue Gegenteil und versucht sich in klassischer Law-and-Order-Politik″, lassen sich SPD-Fraktionschef Frank Henning und Andreas Reinisch-Klaß, sozialpolitischer Sprecher, in einer Pressemitteilung zum Problem-Dreieck im Schinkel zitieren.

Die CDU erwecke bewusst fälschlicherweise den Anschein, als könne sie die Dinge regeln″, sagt Henning mit Blick auf deren Forderungen nach mehr Polizeipräsenz im Schinkel. Der Personalschlüssel sei Ländersache und kommunal gar nicht zu beeinflussen. Die Spitze der CDU-Überlegungen war dann die pauschale Verunglimpfung der ganzen Bevölkerungsgruppe der Bulgaren durch den CDU-Fraktionsvorsitzenden Fritz Brickwedde, der behauptet hatte, Bulgaren würden nur Sozialleistungen beziehen und nicht arbeiten wollen″, so Reinisch-Klaß. Es brauche stattdessen sachgerechte, pragmatische und lösungsorientierte Politik, wie die SPD-Fraktion sie schon seit Monaten betreibt″.

Konkret fordert die SPD von der Stadt, die Pflicht der Hauseigentümer zur Gehwegreinigung durchzusetzen, notfalls mittels Bußgeld, den verstärkten Einsatz von Sozialarbeit, Aufklärung über Mülltrennung und Müllentsorgung mittels Handzettel auf Bulgarisch sowie routinemäßige Reinigungen. Von der Osnabrücker Polizei fordert die SPD die Verlegung der Polizeistation in den südlichen Teil des Schinkels, den Einsatz von bürgernahen Beamten″ sowie regelmäßige Streifen von Polizei und Ordnungsamt.

Die DGB-Stadtverbandsvorsitzende Nicole Verlage warnt derweil davor, bei der bulgarischen Gruppe von einer Parallelgesellschaft zu sprechen. Das Problem ist nicht bulgarisch oder rumänisch, das Problem sind diejenigen, die sich am Elend anderer bereichern, es kriminell oder politisch ausnutzen″, so Verlage. Sie dankt Kollegen mit bulgarischen und rumänischen Wurzeln, die dabei helfen würden, dass sich Menschen in dieser Stadt zurechtfinden″, und bekräftigt die Forderung des DGB nach einer mobilen Beratungsstelle für Arbeitskräfte aus dem Ausland.
Autor:
Sandra Dorn


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