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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Wer zahlt für den Müll?
Zwischenüberschrift:
Kritik an Ministervorschlag: Hersteller von Zigaretten und Verpackungen wehren sich
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück Die Zigarettenkippe am Straßenrand, der Pappbecher im Gebüsch: Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) will künftig die Hersteller von Wegwerfverpackungen an den Kosten für die Entsorgung von Müll im öffentlichen Raum beteiligen. Spätestens 2021 sollen die Gesetze stehen. Nicht alle sind begeistert und offene Fragen gibt es auch.

Ziel sei, die Kommunen finanziell zu entlasten und ein Umdenken in der Gesellschaft, sagte Schulze: Unachtsames Wegwerfen an öffentlichen Orten, das greift wieder mehr um sich.″ Die Kosten müssten bisher die Kommunen und damit alle Bürger tragen. Nun solle es einen finanziellen Anreiz für die Hersteller geben, auf Mehrweg- statt auf Wegwerf-Artikel zu setzen.

Die Grundlage für die sogenannte Herstellerverantwortung hatte die EU im Frühjahr geschaffen, Fast-Food-Verpackungen, Getränkebecher, leichte Kunststofftragetaschen und Zigarettenfilter fallen darunter. Bestimmte Plastikartikel, etwa Teller und Besteck, sind ab 2021 in der EU ohnehin verboten.

Was genau auf Straßen, Wiesen und an Stränden landet, das wollen die kommunalen Abfallentsorger nun ein Jahr lang untersuchen. Auf Basis dieser Daten soll dann errechnet werden, wie viel die Hersteller zahlen sollen. Auf welchem Weg und an wen genau, das ist noch unklar profitieren sollen jedenfalls die Kommunen.

Hersteller zahlen für Verpackungen bereits eine Gebühr an die Dualen Systeme, die etwa über gelbe oder orange Tonne für die Entsorgung und das Recycling von Verpackungsmüll in Haushalten zuständig sind. Aus Sicht des Umweltministeriums ist damit aber nicht abgedeckt, was im öffentlichen Raum an Entsorgungsaufwand entsteht.

Der Deutsche Zigarettenverband kritisierte gegenüber unserer Redaktion die Pläne der Umweltministerin. Weitere finanzielle Belastungen der Hersteller werden das Problem nicht bekämpfen, aber zu einer massiven Mehrbelastung der Verbraucher führen″, erklärte Jan Mücke, Geschäftsführer des Deutschen Zigarettenverbandes. Zigaretten sind schon heute das am stärksten mit öffentlichen Abgaben und Steuern belastete Konsumgut, circa 75 Prozent des Verkaufspreises fließen über die Tabaksteuer und die Umsatzsteuer direkt dem Staat zu. Es gibt deshalb keinen Spielraum für weitere Abgaben.″

Auf Widerstand stoßen die Schulze-Pläne auch bei Herstellern von Einweg- und Wegwerfartikeln. Dass die Kommunen um finanzielle Hilfe bei der Abfallbeseitigung bitten, ist nachvollziehbar, aber die Hersteller von Kunststoffverpackungen sind der falsche Adressat″, so die Industrievereinigung Kunststoffverpackungen ge-genüber unserer Redaktion. Greenpeace fordert derweil grundlegendere Reformen. Die Plastikexpertin der Um-weltschutzorganisation, Viola Wohlgemuth, sagte unserer Redaktion: Wir sehen uns in Deutschland gerne als Umwelt-Musterschüler da-bei hängen wir der EU weit hinterher in der Gesetzgebung.″ Man müsse endlich wegkommen vom Einmalplastik.

Die umweltpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Bettina Hoffmann, kritisierte gegenüber unserer Redaktion: Bedauerlich ist, dass sich die Umweltministerin in einzelnen Maßnahmen verliert, der große Wurf gegen Plastikmüll aber ausbleibt.″

Bildtext:
Kippen am Wegesrand: Umweltministerin Svenja Schulze will unter anderem die Tabakbranche zur Kasse bitten.
Foto:
imago images/ Jochen Tack

Kommentar
Nebenkriegsschauplatz

Hersteller von Fast-Food-Verpackungen und Zigaretten sollen also Geld an Stadtreinigungen zahlen, die den Müll am Ende vom Gehweg entfernen? Das klingt gut, entspricht dem Zeitgeist wie auch EU-Vorgaben. Und es wirkt gerecht: Die Hersteller reichen ihre Belastung weiter. Am Ende zahlt derjenige, der die Zigarette raucht und auf die Straße wirft, mehr als sein Nachbar, der Nichtraucher.

So einfach ist es aber nicht: Was ist mit Rauchern, die ihren Abfall ordentlich im Restmüll entsorgen? Und warum geht es nur um Zigaretten und Fast Food? Was ist mit der zerbrochenen Bierflasche? Und wieso akzeptiert die Ministerin überhaupt, dass der Müll auf der Straße landet? Wenn der vermieden werden soll, wären abschreckend hohe Bußgelder ein Weg. Die müssten jedoch wiederum eingetrieben werden.

Und wenn es Svenja Schulze wirklich um die Vermeidung von Plastikmüll ginge, müsste sie sogar noch einen Schritt früher ansetzen, die aktuelle plastikfeindliche Stimmung nutzen und auf Forschung und Anreize für Industrie und Verbraucher setzen, damit von Anfang an weniger Tomaten in Plastik verpackt werden und der Plastikanteil in Häusern und Autos sinkt.

Aber statt Vorreiter in der Umweltpolitik zu sein, widmet sich Deutschland mit dem Kampf gegen die Zigarettenkippe auf dem Gehweg einem Nebenkriegsschauplatz. Ein trauriges Schauspiel.

s.witte@ noz.de
Autor:
dpa, Maximilian Matthies, Stefanie Witte


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