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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Von der Militärjustiz verurteilt
Zwischenüberschrift:
Stolperstein erinnert an den hingerichteten Wehrmachtssoldaten Georg Strunk
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
OSNABRÜCK. Gerda Suttner wartete bereits vor dem Haus, in dem sie aufgewachsen war. Sie hatte in der Zeitung gelesen, dass hier, an der Belmer Straße 87, für ihren Bruder ein Stolperstein verlegt werden sollte. Tiefbewegt nahm sie nun an der Zeremonie teil. Für uns war er im Krieg gefallen″, sagte sie. Was tatsächlich passiert war, behielt die Familie für sich. Doch jetzt ist das Schweigen gebrochen: Die Militärjustiz hatte Georg Strunk wegen Fahnenflucht erschossen.

Als der Zweite Weltkrieg begann, war Georg Strunk gerade 19 Jahre alt und Metallarbeiter von Beruf. Sein Dienstgrad bei der Wehrmacht lautete Schütze, seine Einheit war das Infanterie-Regiment 340. Weshalb genau er verhaftet wurde, ist nicht überliefert, jedoch dokumentierte die Wehrmacht das Urteil des Feldgerichts vom 30. August 1943, die Einweisung des Osnabrückers in ein Feldstraflager, die Vollstreckungs-Verfügung am 28.September 1943 und schließlich die Hinrichtung in Russland (Katizka, südlich der Stadt Staraja Russa). Am 7.Oktober 1943 um 8.15 Uhr wurde Georg Strunk wegen Fahnenflucht erschossen.
Gerda Suttner erinnerte sich, dass dann der Ortsgruppenleiter in ihr Haus kam, den Brief vorlas und die Familie Strunk erschüttert zurückließ. Wir haben nicht mehr darüber gesprochen″, berichtete die Schwester des Hingerichteten. Sie war damals zehn Jahre alt, ihr Bruder war 23, als er sterbenmusste.
Während im Ersten Weltkrieg 150 Todesurteile wegen Fahnenflucht ausgesprochen und davon weniger als ein Drittel tatsächlich vollstreckt wurde, verurteilte die NS-Militärjustiz etwa 30 000 Soldaten, hingerichtet wurden vermutlich 23 000 Menschen. Genaue Zahlen sind jedoch nicht überliefert, zumal die Wehrmacht im letzten Kriegsjahr von 1944 an viele Fälle nicht mehr dokumentierte. Wurden ie Todesurteile nicht vollstreckt, kamen die Verurteilten in Bewährungskompanien oder Strafarbeitslager und starbendort in vielen Fällen anschlechter Verpflegung, bei Minenentschärfungen oder an der Front, an die sie ohne Waffen geschickt wurden. Dem NS-Regime ging es dabei um Abschreckung und unbedingten Gehorsam auch gegenüber sinnlosen Befehlen. Bereits lange vor seiner Machtergreifung hatte Adolf Hitler gefordert: Der Soldatkann sterben, der Deserteur muss sterben.″
Gerhard Hinkeldey, Pate des Stolpersteins, erkannt ein der Fahnenflucht eine Form des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus und würdigte Georg Strunk mit einem Zitat von Kurt Tucholsky: Er weigerte sich, länger auf seine Mitmenschen zu schießen.″
Gerda Suttner war gerührt und wirkte gleichzeitig auch erleichtert darüber, dass die Geschichte ihres Bruders eine späte Würdigung erfuhr. Dessen Name hat jetzt einen festen Platz vor der Haustür, die einst in seine Wohnungführte.

Bildtexte:
Irgendwo hinter der Front: der später wegen Fahnenflucht erschossene Georg Strunk.
Belmer Straße 87 in Schinkel: Hier wohnte Georg Strunk.
Foto:
privat, Jörn Martens

Stolpersteine
Messingtafeln in den Gehwegen erinnern an Opferdes Nationalsozialismus jeweils vor den Wohn-oder Wirkungsstätten der Juden, Sinti, Deserteure, Menschen, die aus politischen und religiösen Gründen, wegen ihrer sexuellen Orientierung, einer psychischen Erkrankung oder einer Behinderung verfolgt und ermordet wurden. Der Kölner Künstler Gunter Demnig ist Initiator des Projekts, dem sich bisher etwa 600 Kommunen angeschlossen haben. Pate des Stolpersteins für Georg Strunkist Gerhard Hinkeldey. Folgende Schüler des Berufsschulzentrums am Westerberg haben ihn verlegt: Stefan Bischof, Cengiz Yaman, Francesco Russello und Sebastian Kemme. Das Büro für Friedenskultur nimmt Hinweise von Zeitzeugen entgegen. Die Telefonnummer lautet 05 41/ 3 23 22 87.
Autor:
Jann Weber


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