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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Leerstand in Zeiten der Wohnungsnot
Zwischenüberschrift:
In vielen Städten herrscht Wohnungsnot – auch in Osnabrück ist der Immobilienmarkt angespannt. Trotzdem gibt es Häuser in der Stadt, die seit Jahren oder sogar Jahrzehnten nicht bewohnt werden und die
 
Fantasie der Passanten beflügeln.
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Die Lage? Top! Die Architektur? Altbau mit Charme. Der Zustand? Im Verfall. Denn das Haus an der Moltkestraße inmitten von Osnabrücks teuerstem Wohnviertel Westerberg steht seit Jahren leer. Und an einem Haus, in dem kein Leben ist und das nicht beheizt wird, nagt der Zahn der Zeit. So wie hier: Der Putz bröckelt, das Dach scheint undicht, und in der Dachrinne gedeihen Gras und kleine Bäume.

Dabei hat Osnabrück eigentlich kein Problem mit Leerstand. Das zeigen die Zahlen: Die Leerstandsquote liegt nach Angaben von Stadtsprecher Sven Jürgensen mit 2, 9 Prozent unter dem Landesdurchschnitt. Und doch finden sich überall im Stadtgebiet Häuser, die seit vielen Jahren unbewohnt sind und die Fantasie von Passanten und Nachbarn anregen. Die ehemalige Villa der Familie Flatauer an der Herderstraße gehört dazu. Das Schicksal der Bewohner und die Zukunft des Wohnhauses hat in den vergangenen Monaten zahlreiche Menschen in Osnabrück bewegt. Für unsere Recherche haben wir weitere Häuser im Stadtgebiet in den Blick genommen, mit den Nachbarn gesprochen und versucht, die Eigentümer zu erreichen. Letzteres war jedoch selten von Erfolg gekrönt.

Leerstand am Westerberg: Wir starten mit dem leeren Haus aus der Gründerzeit an der Moltkestraße 20. Zu dem Grundstück gehört ein Hinterhof, auf dem sich mehrere kleine Garagen befinden. Ein Nachbar berichtet, dass diese kurzzeitig als Autogaragen vermietet waren: Die Fahrzeugbesitzer hatten dann aber schon am ersten Tag Schwierigkeiten, ihre breiten SUV einzuparken, und mussten diese mühselig hin und her manövrieren. Das war eine regelrechte Attraktion für die Nachbarschaft.″ Nun stellen andere Mieter hier ihre Dinge unter.

Der Besitzer der Immobilie soll in Osnabrück wohnen. Laut Nachbarn wollte er diese abreißen und das Grundstück neu bebauen, habe aber keine Genehmigung dafür erhalten.

Die leeren Häuser vom Lieneschweg: Selbst wenn man das Haus Nummer 40 am Lieneschweg nur vom Gartenzaun aus betrachtet, ist klar: Hier herrscht Renovierungsbedarf. Ein Nachbar, der sich einmal für das Haus interessierte, erzählt, dass es Anwohnern in der direkten Nachbarschaft gehört, die die Baufläche als Altersvorsorge nutzen. Sie kümmern sich sichtlich um den Garten, um die stattliche Villa dagegen weniger. Laut diesem Nachbarn steht das Haus seit Jahren leer.

Gegenüber stehen zwei weitere Immobilien leer: Der Flachbau wohl aus den 1960-er-Jahren war einmal eine Arztpraxis. Daneben steht ein Mietshaus, das geschätzt aus den 1930er-Jahren stammt.

Beide waren im Jahr 2014 noch bewohnt, wie das Adressbuch der Stadt Osnabrück verrät, und gehören laut Nachbarn aktuell demselben Besitzer. Dieser habe die Häuser eigentlich abreißen und ein Wohnhaus mit mehreren Parteien errichten wollen. Doch der Bauantrag sei nicht genehmigt worden, und sie stehen leer.

Das leere Haus in der Schlossstraße: Das Haus in der Schlossstraße 70 im Stadtteil Wüste ist schon mehrere Jahre unbewohnt: Betritt man das baugleiche Nachbarhaus, ahnt man, wie großzügig die Wohnungen in der leer stehenden Immobilie sein müssen.

Schon vor dem Auszug der letzten Mieterin vor rund vier Jahren sei die Immobilie nicht mehr gepflegt worden, berichtet eine ehemalige Nachbarin. Der Briefkasten ist zugeklebt, der Putz bröckelt, die Balkone zur Gartenseite wirken marode, und der Garten ist verwildert.

Dort sei direkt am Haus einst ein großes Rattennest entdeckt und dann auch entfernt worden, so ein Nachbar. Seine Hoffnung, dass aufgrund dieses Schädlingsbefalls die Stadt eingreife und den Besitzer in die Pflicht nehme, sich um die Immobilie zu kümmern, habe sich nicht erfüllt. Der Besitzer lebt in einer anderen deutschen Großstadt und nutzt das Haus oder eher das Grundstück wohl als Kapitalanlage.

Kein Lärm, weil nichts passiert: Ebenfalls in der Wüste steht in der Sandstraße seit mindestens fünf Jahren das Haus Nummer 19a leer. Bäume und Sträucher umranken das Gebäude. Die Eingangstür ist kaum zu erkennen. Es wirkt so, als befinde es sich in einem Dornröschenschlaf und warte nur darauf, wachgeküsst zu werden.

Das große Grundstück hinter dem Haus gleicht einem Urwald, würde aber mehreren kleineren Wohnhäusern Platz bieten, sagen Nachbarn. Allerdings komme der Besitzer einmal monatlich vorbei und schaue von der Straße aus nach dem Rechten. Regelmäßig würden sich Kaufinteressenten bei den Nachbarn melden. Doch offenbar steht ein Verkauf nicht in Aussicht.

Eine Tatsache, die für die Nachbarn teilweise ärgerlich, teilweise aber auch gern gesehen ist: Zwar hängen die Bäume und Sträucher weit über der Grenze des Grundstücks. Doch bedeutet der Stillstand auch, dass keine lauten Renovierungsarbeiten die Ruhe der Sandstraße stören, so eine Anwohnerin.

Was ist spekulativer Leerstand? Tatsächlich lassen sich die Gründe für den Leerstand der Häuser nur schwer herausfinden: Die Eigentümer, wenn sie überhaupt zu ermitteln und zu erreichen sind, schweigen. Nachbarn berichten von Erbstreitigkeiten, von nicht genehmigten Baumaßnahmen und darauf folgendem Stillstand, von Überforderung oder vermutetem spekulativen Leerstand. Von Letzterem spricht man, wenn Wohnungen oder Häuser trotz der Möglichkeit einer Nutzung nicht vermietet oder verkauft werden, weil der Eigentümer auf eine höhere Mietrendite oder steigende Bodenpreise spekuliert. In Berlin und Hamburg, wo der Wohnungsmarkt bedeutend umkämpfter ist als in Osnabrück, können derartige Immobilien sogar vorübergehend enteignet werden. Grundlage hierfür ist das Gesetz über Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum″. Bis dato ist dies einmal in Berlin geschehen.

Gesetz gegen Zweckentfremdung: So weit geht man in Niedersachsen nicht: Zwar hat der Niedersächsische Landtag Ende März 2019 ebenfalls ein Gesetz gegen Zweckentfremdung be-schlossen, welches Städten und Gemeinden künftig die Möglichkeit einräumt, die Zweckentfremdung von Wohnraum zu verbieten. Wenn es also in einer Kommune zu wenig bezahlbaren Wohnraum für Bürger gibt, dürfen Immobilien nur mit Erlaubnis der Kommune als Ferien-Appartement oder Gewerberaum genutzt werden. Als Zweckentfremdung soll zudem Wohnraum gelten, der länger als sechs Monate ununterbrochen leer steht. Dies gilt in Niedersachsen seit Gesetzbeschluss als Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld geahndet werden kann.

Trotzdem hat Osnabrück laut Stadtsprecher Sven Jürgensen kaum eine rechtliche Handhabe, wenn Häuser länger leer stehen. Ein Grund dafür dürfte auch darin liegen, dass Eigentümer nach Angaben von Jürgensen keine Anzeige-, Nachweis- oder andere Pflichten bei Nichtnutzung einer Wohnung oder eines Hauses haben und man daher seitens der Stadt gar nicht wisse, welche Immobilie denn nun wie lang leer stehe.

Eine generelle und ständig aktuelle Erfassung wäre nahezu unmöglich. Im Übrigen sind Leerstände meist sehr kurz″, so der Sprecher. Nur der Zensus erhebt die Momentaufnahme über Nutzung oder Nichtnutzung. Er fand zuletzt 2011 statt und wird voraussichtlich 2021 wieder durchgeführt.

Während in Hamburg und Berlin also vorübergehend enteignet werden darf, versucht man es laut Stadtsprecher Jürgensen in Osnabrück mit direkter Ansprache. Darum kümmere sich die Kontaktstelle Wohnraum. Zwei Mitarbeiter der Stadt stehen dort als Ansprechpartner zur Verfügung, wenn Eigentümer mit dem Gedanken spielen, sich in ihren eigenen vier Wänden zu verkleinern oder in zweiter Reihe zu bauen, und dadurch neuen Wohnraum schaffen könnten.

Neues Leben im Schinkel? Bei manchen Häusern scheint sich nach langer Zeit etwas zu tun so wie an der Tannenburgstraße 103: Dieses Mehrfamilienhaus hat schon häufiger für Diskussionen im Bürgerforum Schinkel gesorgt: Statt Grünflächen neu zu bebauen, könnte dieses seit mindestens zehn Jahre leer stehende Gebäude doch dem Wohnungsmarkt zugeführt werden, riet ein Anwohner bei einem der letzten Treffen, wie in einem Protokoll nachzulesen ist.

Tatsächlich aber ist das Haus wohl nicht mehr zu retten: Das Dach scheint undicht, die Balkone scheinen jeglichen Anspruch auf Verkehrssicherheit verloren zu haben, und im verwilderten Garten steht ein verfallenes kleines Gartenhaus.

Unserer Redaktion sagte ein Angehöriger der Eigentümerin jedoch, dass diese plane, das Haus und das dazugehörige Grundstück bald zu verkaufen. Vielleicht wird hier also in Zukunft neuer Wohnraum entstehen.

Fotos:
Michael Gründel, Jörn Martens

Corinna Berghahn und Kathrin Pohlmann haben von jeher großes Interesse an sogenannten Lost Places, also an Orten, die von Mensch und Zeit vergessen wurden. Zusammen suchten sie nach Häusern im Stadtgebiet, denen man den Leerstand ansieht. Dass eines der am baufälligsten wirkenden Häuser nach Aussage eines Nachbarn doch noch bewohnt war, hat sie bei der Recherche am meisten überrascht. Dieses Haus flog aus dem Artikel, doch es bleibt die Frage vielleicht für eine weitere Geschichte: Warum lebt jemand in einer Bauruine?
Autor:
Corinna Berghahn, Kathrin Pohlmann


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