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1.
Erscheinungsdatum:
05.07.2019
aus Zeitung:
Neue Osnabrücker Zeitung/ Neue OZ
Überschrift:
Namensstreit um das Calmeyer-Haus
Zwischenüberschrift:
Diskussion in der Volkshochschule über eine „ambivalente Persönlichkeit″
Artikel:
Originaltext:
Osnabrück
Darf
der
Lernort
in
der
Schlikkerschen
Villa
„
Hans-
Calmeyer-
Haus″
heißen?
Für
die
meisten
der
etwa
50
Besucher
einer
Podiumsdiskussion
in
der
Volkshochschule
war
das
wohl
eine
klare
Sache,
für
die
Herren
im
Podium
nicht
unbedingt.
In
dieser
Woche
war
bekannt
geworden,
dass
die
Stadt
die
neue
Einrichtung
„
Friedenslabor″
nennen
will.
Damit
war
der
Streit
programmiert.
Unstrittig
ist,
dass
der
Osnabrücker
Rechtsanwalt
Hans
Calmeyer
(1903–1972)
während
des
Zweiten
Weltkriegs
in
den
besetzten
Niederlanden
etwa
3000
Juden
vor
der
Ermordung
gerettet
hat.
Gleichwohl
sieht
ihn
der
Geschichtsprofessor
Christoph
Rass
als
eine
„
ambivalente
Persönlichkeit″,
weil
er
ein
Funktionär
des
NS-
Systems
war
und
nur
einen
kleinen
Teil
der
niederländischen
Juden
vor
der
Deportation
bewahren
konnte.
Rass
gehört
dem
wissenschaftlichen
Beirat
an,
den
die
Stadt
einberufen
hat,
um
die
neue
Einrichtung
in
der
Schlikker′schen
Villa
auf
den
Weg
zu
bringen.
Bei
der
Veranstaltung
in
der
Volkshochschule
war
er
zwar
nicht
anwesend,
aber
sein
Einwand
bestimmte
die
Diskussion
maßgeblich.
Mit
scharfen
Worten
reagierte
Joachim
Castan
auf
die
Relativierung,
die
er
im
Begriff
„
Ambivalenz″
sieht.
Auch
er
gehört
als
Historiker
dem
Beirat
an,
vertritt
aber
den
Standpunkt,
dass
Calmeyer
Namenspatron
für
das
vom
Bund
mit
1,
7
Millionen
Euro
geförderte
Projekt
sein
sollte.
Für
ihn
sei
es
emotional
berührend
gewesen,
mit
Menschen
zu
sprechen,
die
Calmeyer
ihr
Leben
verdanken.
„
Es
ärgert
mich
schon,
wenn
es
Diskussionen
gibt,
man
müsse
Calmeyer
ambivalent
sehen″,
erklärte
Castan
und
fügte
hinzu:
„
Ich
denke,
es
stände
der
Stadt
Osnabrück
gut
an,
wenn
es
ein
Calmeyer-
Haus
gäbe!
″
Er
habe
aus
einer
inneren
Haltung
heraus
gehandelt
und
sich
dabei
ständig
der
Gefahr
ausgesetzt,
entdeckt
zu
werden.Angst
vor
Provinzposse
Kontra
bekam
Castan
von
Kulturdezernent
Wolfgang
Beckermannm,
der
die
Kritik
am
wissenschaftlichen
Beirat
zurückwies:
„
Wir
brauchen
einen
Beirat,
damit
so
etwas
nicht
zu
einer
Provinzposse
wird!
″,
meinte
er.
Die
Stadt
sei
auf
„
ausgezeichnetem
Weg″
und
werde
den
Lernort
in
der
Schlikker′schen
Villa
voraussichtlich
bis
2023
eröffnen
können.
Im
Beirat
gebe
es
einen
weitgehenden
Konsens
über
die
Vorgehensweise,
aber
der
von
Castan
vom
Zaun
gebrochene
Streit
über
den
Namen
sei
kontraproduktiv.
Christoph
Spieker,
der
als
Historiker
den
Geschichtsort
Villa
ten
Hompel
in
Münster
leitet,
äußerte
Verständnis
für
Menschen,
die
Calmeyer
Vorbehalte
entgegenbringen.
In
den
Niederlanden
sei
diese
Haltung
weit
verbreitet,
weil
der
Osnabrücker
Anwalt
noch
heute
als
Mitglied
des
Besatzungsregimes
wahrgenommen
werde.
Lange
Zeit
sei
nur
zwischen
Gut
und
Böse
unterschieden
worden.
Dass
die
Stadt
Osnabrück
Rücksicht
auf
niederländische
Befindlichkeiten
nehmen
sollte,
findet
auch
der
CDU-
Bundestagsabgeordnete
Mathias
Middelberg.
In
seiner
Dissertation
hat
er
sich
mit
Calmeyers
Wirken
als
Jurist
auseinandergesetzt.
Ausführlich
legte
er
dar,
wie
trickreich
der
Osnabrücker
Rechtsanwalt
im
besetzten
Den
Haag
die
Bestimmungen
interpretierte,
um
Menschenleben
zu
retten.
Zum
Beispiel,
dass
er
beim
Herkunftsnachweis
die
Beweislast
umdrehte
und
damit
vielen
Juden
eine
Chance
gab,
den
Gaskammern
zu
entrinnen,
womit
er
im
Deutschen
Reich
nicht
durchgekommen
wäre.
Oder
der
Clou
mit
der
„
Seitensprung-
Arisierung″,
bei
der
er
es
akzeptierte,
wenn
Antragsteller
geltend
machten,
der
jüdische
Familienvater
sei
nicht
ihr
wahrer
Erzeuger,
sondern
ein
„
arischer″
Mann,
mit
dem
ihre
Mutter
eine
Affäre
gehabt
habe.
Middelberg
machte
deutlich,
dass
Calmeyer
sich
mit
außerordentlichem
Geschick
und
großem
Aufwand
für
eine
größere
Gruppe
sephardischer
Juden
eingesetzt
habe,
die
von
portugiesischen
oder
spanischen
Migranten
abstammten.
Manche
seiner
Formulierungen
aus
den
Akten
könnten
zwar
als
rassistisch
oder
judenfeindlich
eingestuft
werden,
aus
dem
Zusammenhang
ergebe
sich
jedoch
ein
anderes
Bild.
Calmeyer
habe
sich
formal
an
den
Jargon
der
Nazis
gehalten,
wenn
er
damit
Menschenleben
habe
retten
können.
Sein
Engagement
lasse
sich
nur
mit
einer
Haltung
erklären,
die
sich
gegen
die
Nazi-
Ideologie
gerichtet
habe.
Dafür
habe
er
es
riskiert,
als
Saboteur
des
Holocaust
enttarnt
zu
werden
und
selbst
ins
Konzentrationslager
zu
kommen.
Mehrfach
habe
ihn
die
SS
kontrollieren
wollen.
Nur
durch
glückliche
Fügungen
sei
er
dem
Zugriff
der
Schergen
entkommen.
Middelberg
gab
sich
überzeugt,
dass
Calmeyer
nicht
alle
Juden
retten
konnte,
um
den
Holocaust
erfolgreich
sabotieren
zu
können.
Festzuhalten
bleibe
aber,
dass
er
nur
Fälle,
die
schon
auf
der
Todesliste
standen,
„
davon
runtersortiert″,
aber
keine
in
die
Todesliste
einsortiert
habe.
Das
Dilemma,
in
dem
er
gesteckt
habe,
sei
aber
offensichtlich.
Und
deshalb,
so
der
CDU-
Politiker,
sei
es
für
ihn
akzeptabel,
Calmeyer
als
ambivalente
Persönlichkeit
zu
bezeichnen.Chance
nicht
verspielen
In
der
vom
scheidenden
VHS-
Leiter
Carl-
Heinrich
Bösling
geleiteten
Diskussion
wurde
die
Stadt
aufgefordert,
sich
klar
zu
Calmeyer
zu
bekennen.
Teilnehmer
aus
sehr
unterschiedlichen
Lagern
waren
sich
einig,
dass
der
Lernort
in
der
Villa
Schlikker
seinen
Namen
bekommen
sollte.
„
Die
Stadt
ist
dabei,
eine
große
Chance
zu
verspielen″,
meinte
ein
Geschichtslehrer.
Andere
Redner
erinnerten
daran,
dass
der
Osnabrücker
Anwalt
von
der
israelischen
Gedenkstätte
posthum
als
„
Gerechter
der
Völker″
geehrt
wurde.
Der
emeritierte
Literaturwissenschaftler
Tilman
Westphalen
erinnerte
daran,
dass
auch
der
Schriftsteller
Erich
Maria
Remarque
noch
1974
als
ambivalent
gegolten
habe.
Calmeyer
habe
selbst
gesagt,
dass
er
kein
Held
sei.
Aufgabe
des
Lernorts
sei
es
auch
nicht,
ihn
zum
Helden
zu
stilisieren,
sondern
das
Ambivalente
in
seinem
Handeln
aufzuarbeiten.
Fritz
Brickwedde,
Chef
der
CDU-
Fraktion
im
Rathaus
und
Initiator
eines
Hans-
Calmeyer-
Hauses
in
der
Villa
Schlikker,
ging
mit
dem
abwesenden
Prof.
Rass
hart
ins
Gericht:
Der
Rat
habe
die
Einrichtung
eines
Calmeyer-
Hauses
beschlossen.
Wenn
der
Historiker
als
Mitglied
des
wissenschaftlichen
Beirats
eine
Benennung
nach
Calmeyer
inakzeptabel
finde,
dann
sei
Rass
für
den
Beirat
inakzeptabel.
Bildtext:
Ambivalente
Figur:
der
Rechtsanwalt
Hans
Calmeyer,
hier
auf
einem
Foto
aus
der
Nachkriegszeit.
Foto:
Sammlung
Niebaum
Kommentar
Tragischer
Held
Natürlich
war
Hans
Calmeyer
eine
ambivalente
Figur.
Aber
warum
sollte
das
ein
Grund
sein,
den
Lernort
in
der
Villa
Schlikker
nicht
nach
ihm
zu
benennen?
Gerade
weil
er
sich
im
ständigen
Zwiespalt
bewegen
musste,
macht
sein
Beispiel
auf
bedrückende
Weise
deutlich,
dass
es
nicht
nur
Gut
und
Böse
gibt.
Kein
anderer
Deutscher
hat
so
viele
Menschen
vor
dem
Holocaust
gerettet
wie
Hans
Calmeyer.
Deshalb
ist
es
nicht
vermessen,
den
Osnabrücker
Anwalt
einen
Helden
zu
nennen.
Aber
die
Umstände,
in
denen
er
sich
bewegte,
machen
ihn
zu
einem
tragischen
Helden.
Um
den
Holocaust
zu
sabotieren,
konnte
er
nicht
alle
Juden
retten,
denn
sonst
wäre
er
selbst
ins
KZ
gekommen.
Aufgabe
des
Hans-
Calmeyer-
Hauses
ist
es
aber
gar
nicht,
den
Namenspatron
zu
heroisieren,
sondern
seine
Rolle
im
besetzten
Den
Haag
aufzuarbeiten.
Dazu
gehört
es,
jugendlichen
und
erwachsenen
Besuchern
die
innere
Zerrissenheit
dieses
Menschenretters
vor
Augen
zu
führen.
Niemand
kann
heute
glaubwürdig
sagen,
wie
er
sich
in
der
Nazi-
Diktatur
verhalten
hätte.
Aber
die
Auseinandersetzung
mit
Calmeyer
kann
dazu
beitragen,
Zivilcourage
im
Hier
und
Jetzt
zu
entwickeln.
Zum
Beispiel,
wenn
es
darum
geht,
Ertrinkende
im
Mittelmeer
zu
retten.
rll@
noz.de
Autor:
Rainer Lahmann-Lammert