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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Blindgänger problemlos entschärft
 
„Wer das ausblenden kann, ist ein Stein″
 
Rätsel und Basteleien als Zeitvertreib
Zwischenüberschrift:
Hans Mohr entschärft zwei Zehn-Zentner-Bomben – In Gedanken bei den Toten von Göttingen
 
450 Menschen nutzen den Service der Hilfskräfte im Evakuierungszentrum
Artikel:
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Originaltext:
OSNABRÜCK. Im Osnabrücker Stadtteil Sonnenhügel sind gestern zwei britische Zehn-Zentner-Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg entschärft worden.Rund 15 000 Bewohner der Stadtteile Sonnenhügel, Dodesheide und Haste hatten deshalb am Ersten Adventssonntag bis 9 Uhr ihre Häuser und Wohnungen verlassen müssen. Da die Blindgänger nicht mit Säurezündern, sondern mit Aufschlagszündern versehen waren, erwies sich die Entschärfung als relativ einfach. Bereits gegen 14 Uhr konnte Sprengmeister Hans Mohr Entwarnung geben. Einen Rekordbesuch verzeichnete das Evakuierungszentrum: Rund 450 Bürger fanden sich im Gymnasium In der Wüste″ ein und ließen sich dort von 80 Helfern umsorgen

OSNABRÜCK. Gelassen und zufrieden wirkt Hans Mohr am gestrigen Nachmittag, als er den Pressevertretern die beiden britischen Zehn-Zentner-Bomben präsentiert, die er kurz zuvor an der Von-Bodelschwingh-Straße und Am Tannenkamp unschädlich gemacht hat. Eine gelungene Osnabrück-Premiere für den Sprengmeister, der zwei angenehme″ Messingzünder problemlos mit der Hand von den Bomben abschrauben konnte.

Es waren zwar meine ersten Bomben in Osnabrück, aber ich mache das schon seit 27 Jahren″, betont Mohr. Doch bei aller Routine sind die Gedanken des sechsköpfigen Räumungstrupps des niedersächsischen Kampfmittel-Beseitigungsdienstes immer auch bei ihren drei Kollegen, die im Juni dieses Jahres in Göttingen ums Leben gekommen sind. Wer das ausblenden kann, ist ein Stein. Das schwingt in der Seele mit″, betont Mohr und zollt im gleichen Atemzug seinem Team ein großes Lob. Ich bin der Einzige, der in Göttingen nicht dabei war″, erzählt er. Die anderen fünf Sprengstoffexperten hätten das Unglück miterlebt, bei dem unter anderem Sprengmeister Thomas Geskums Leben gekommen ist, der in den vergangenen Jahren etliche Blindgänger in Osnabrück entschärft hat. Ich ziehe meinen Hut vor den Kollegen. Sie haben bewiesen, dass sie ihren Beruf mit Herzblut und Professionalität machen″, sagt Mohr. Bereits um 12.51 Uhr entfernt der Trupp die erste Bombe an der Von-Bodel-schwingh-Straße im Stadtteil Sonnenhügel. Der Blindgänger steckte dort fast vier Meter in der Erde. Sehr nah an einer Hauswand″, wie Mohr betont. Das sei jedoch weniger problematisch gewesen als der hohe Grundwasserspiegel. Der ist von den Einsatzkräften des Technischen Hilfswerkes im Vorfeld abgesenkt worden, sodass Mohr den Zünder trockenen Fußes begutachten und wenig später unschädlich machen kann. Nur eine Stunde später ist auch die zweite Bombe freigelegt und entschärft. Sie lag fünf Meter tief auf einer Grünfläche in einem Kleingarten Am Tannenkamp, ebenfalls im Stadtteil Sonnenhügel. Dass der Schlagbolzen bei beiden Zündernnicht verformt war und nicht im Detonator der Bombe steckte, hat es dem Sprengmeister relativ leicht gemacht: Die Spindel war komplett draußen″, berichtet Mohr.So können um kurz nach 14 Uhr die rund 15 000 evakuierten Osnabrücker wieder in ihre Wohnungen zurückkehren, darunter auch die Bewohner des Seniorenzentrums St. Franziskus an der Bassumer Straße, die schon um 7 Uhr in andere Alten-und Pflegeheime gebracht worden sind. Ab 9 Uhr ist das Evakuierungsgebiet abgesperrt, und rund 500 Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr und Technischem Hilfswerk sorgen dafür, dass niemand in seiner Wohnung bleibt. Sie ziehen von Haus zu Haus, klingeln und treffen tatsächlich nocheinige Bewohner an. Meist sind es ältere Menschen, die auf einen Krankentransport warten. Es gibt aber auch Zeitgenossen, die offenbar auf eine persönliche Aufforderung warten, ehe sie widerwillig ihre vier Wände räumen. Ganz bunt treibt es ein Bewohner des Eschenwegs: Als die Polizei ihn durch ein Fenster in seiner Wohnung erspäht, aber keine Reaktion auf das Klingeln an der Tür bekommt, lässt sie die Wohnungstür von der Feuerwehr öffnen. Die Beamten finden den Stubenhocker schließlich im Schlafzimmer versteckt unter seiner Bettdecke. Weil immer wieder Personen im Evakuierungsgebiet aufgegriffen werden, meldet die Einsatzleitung erst um 12.39 Uhr Sicherheit″ ursprünglich angepeilt worden ist 11.30 Uhr. Nachdem es um kurz nach 9 Uhr zu einigen Staus an den Ausfallstraßen aus dem Evakuierungsgebiet gekommen ist, heißt es auch für die Beamten an den Absperrstationen meist: Warten. Nur vereinzelt müssen Bürger daran gehindert werden, in das gesperrte Gebiet zu spazieren. Meist helfen die Polizisten auswärtigen Autofahrern, die einen Weg um das Evakuierungsgebiet herum suchen. Den angenehmsten Job haben wohl die zehn Beamten von der Polizeireiterstaffel aus Hannover sie dürfen im Sonnenschein durch das malerische, weiß gefrorene Nettetal reiten, um das gesperrte Naherholungsgebiet zu kontrollieren.

Bildtexte:
Das sind die beiden Bomben-Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg, die gestern 15 000 Osnabrückern einen ungewöhnlichen ersten Advent beschert haben. Nach der erfolgreichen Entschärfung steht Sprengmeister Hans Mohr (Zweiter von rechts) und seinem Team die Erleichterung im Gesicht geschrieben.
Einsatz im Nettetal: die Poli-
Mit Sandsäcken wird einer der beiden Fundorte an der Von-Bodelschwingh-Straße im Stadtteil Sonnenhügel abgesichert.
Von Tür zu Tür ziehen die Freiwilligen und bitten die Bewohner hinaus.
Fotos:
Michael Hehmann, Gert Westdörp

OSNABRÜCK. Spielkarten werden gezückt, Laptops gestartet oder Bücher aufgeschlagen um neun Uhr morgens treffen im Evakuierungszentrum im Gymnasium In der Wüste″ die ersten Osnabrücker ein, die von der Bombenräumung betroffen sind. Immerhin gilt es, einen längeren Zeitraum zu überbrücken bis um kurz nach 14 Uhr die erlösende Lautsprecherdurchsage kommt: Die Bomben sind entschärft, die Maßnahme ist beendet. Auf den Tischen haben die Mitarbeiter der Hilfsorganisationen Kekse platziert. Einige Meter weiter ist eine Getränkeausgabe. Hier können die Bürger Kaffee, Tee, Kakao und Wasser holen. Ab 11.30 Uhr wird zudem heiße Erbsensuppe ausgegeben. Die überwiegend ehrenamtlichtätigen Mitarbeiter tun allesdafür, dass es den Evakuierten an nichts fehlt. Überrascht sind sie allerdings davon, wie viele Menschen das Angebot nutzen. Zwischenzeitlich sind im Evakuierungszentrum 450 Personen. An so eine hohe Zahl könnensich auch altgediente Helfernicht erinnern. An der Essensausgabe bildet sich sogareine längere Schlange: Das hatten wir noch nie″, sagendie Freiwilligen.Auf zahlreiche Bedürfnisse der Bürger wird Rücksicht genommen. So wird der Musikraum der Schule zum Spielzimmer. Hier habensich auch die Schwestern Gizem (11) und Melisa (7) eingefunden und malen Bilder. In einer Kiste gibt es Duplo-Steine, Springseile und Bälle. So wird den beiden Mädchen nicht langweilig. Zudem gefällt ihnen, dass noch andere Kinder da sind, mit denen sie spielen können. In einem anderen Klassenzimmer wird Platz für Haustiere geschaffen. Den Weg in die Wüste hatauch das Ehepaar Margareta (86) und Peter Scharmacher (90) auf sich genommen. Es ist bereits die vierte Evakuierung, die die beiden erleben. Rund 500 Meter von ihrem Haus entfernt liegt einer derbeiden Blindgänger. Für den Zeitvertreib haben sie sich Kreuzworträtsel eingepackt. Ansonsten lautet der Wunsch des fußballbegeisterten Ehepaares: Bis spätestens zur Sportschau möchte es wieder zu Hause sein. Erstmalig von einer Bombenräumung betroffen sind Andrea und Jürgen Bensmann mit ihren Kindern Jakob (2), Jannis (5), Joana (7) und Joshua (9). Sie nutzen die Zeit, um Adventssterne zu basteln. Als gut organisiert″ stuft das Ehepaar das Evakuierungszentrum ein. Allein ein paar zusätzliche Angebote für die Kinder wären hilfreich gewesen, sagen die beiden. In der Schule sind 80 Einsatzkräfte im Einsatz. Nebender Feuerwehr und dem Technischen Hilfswerk stellen das Deutsche Rote Kreuz, die Johanniter und die Malteser Helfer. Im Vorfeld konnten die Bürger bei der Leitstelle der Feuerwehr angeben, ob jemand abgeholt werden muss. Mit 40 Fahrzeugen werden schließlich 162 Menschen in Sicherheit gebracht. Allerdings wird den Helfern die Arbeit hin und wieder erschwert. Manche melden sich an und sind dann doch nicht da, wenn sie abgeholt werden sollen″, sagt Einsatzleiter Klaus Fiening. Genauso tritt der umgekehrte Fall ein: Kurzfristig muss der Fahrplan erweitert werden, weil noch zusätzliche Anwohner einen Transport zum Evakuierungszentrum wünschen. Bei Fiening geht schließlich auch die Nachricht ein, dass beide Bombenentschärft sind. Damit kann der Rücktransport in die Stadtteile Haste, Dodesheide und Sonnenhügel beginnen.

Bildtexte:
Die Kinder von Familie Bensmann nutzen die Zeit, um Adventssterne zu basteln.
Notgemeinschaft im Evakuierungszentrum rund 450 Per-sonen machen das Beste daraus.
Fotos:
Gert Westdörp
Autor:
Mirko Nordmann, Henning Müller-Detert


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