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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Abgesaugt
Zwischenüberschrift:
Wie der Landkreis dem Eichenprozessionsspinner an die Brennhaare geht
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Fürstenau Er ist klein, äußerst behaart und stellt die Behörden vor große Herausforderungen: Der Eichenprozessionsspinner ist zurück und hat in der Region Osnabrück bereits Tausende Bäume besetzt. Anti-Raupen-Kommandos sollen dem Schädling den Garaus machen. Ein Ortsbesuch in Fürstenau.

15, 7, 18, 24 Lars Hellmann dokumentiert die Zahl der abgesaugten Nester pro Baum in der Gewissheit, dass noch weitere unweigerlich folgen werden. Eiche für Eiche nimmt sich der Fachmann mit seinem Kollegen Mirco Sperlich vor, ein mühsames und zeitaufwendiges Verfahren: Hellmann inspiziert vom Boden aus, Sperlich steht über ihm in etwa fünf Meter Höhe auf einer Arbeitsbühne. Die beiden Spezialisten von den Firmen Römer Biotec und Baranowski Schädlingsbekämpfung sind im Auftrag des Landkreises Osnabrück unterwegs. Ihre Mission: dem Eichenprozessionsspinner den Garaus zu machen. Zumindest ein bisschen.

Es ist ein trüber Morgen am Ortsausgang von Fürstenau. Hellmann nimmt mit strengem Blick die Eichen am Neuenkirchener Damm in den Fokus. Sperlich steht auf der Arbeitsbühne und saugt die Raupen mit einem Industriesauger ab. Für ungeübte Beobachter sind die Nester nicht immer direkt zu erkennen. Für Hellmann schon: Man bekommt mit der Zeit einen Blick dafür und weiß, wo man hinschauen muss.″

Damit sein Nacken nicht zu sehr leidet vom ganztägigen Nach-oben-Schauen, hat der Fachmann eine Kletterbrille auf, die ihm einen Blick über 90 Grad nach oben erlaubt, ohne den Kopf nach hinten zu legen. Schutzanzug Kategorie 3

Doch die Brille ist nicht der einzige Ausrüstungsgegenstand, den die Fachleute zwingend dabeihaben müssen. Beide tragen einen Schutzanzug der Kategorie 3, der sie gegen die Brennhaare der Raupe schützen soll. Die Gummihandschuhe sind mit Klebeband am Schutzanzug verklebt. Sperlich hat zudem eine Maske auf, die seine Atemluft filtert zu groß ist die Gefahr, dass er beim Absaugen der Tiere Brennhärchen einatmen könnte.

Dass damit nicht zu spaßen ist, weiß auch Simon Meyer von der Kreisstraßenmeisterei Nord. Er selbst hat schon leidliche Bekanntschaft mit den Haaren gemacht, an Haut und Atemwegen: Eigentlich haben fast alle Kollegen schon Kontakt gehabt. Ich habe im vergangenen Jahr Haare eingeatmet und hatte anschließend eine Rachenentzündung.″

Meyer macht keinen Hehl daraus, dass der Neuenkirchener Damm nur einer von vielen Orten ist, an denen sich der Eichenprozessionsspinner eingenistet hat. Allein im Bereich der Kreisstraßenmeisterei Nord zwischen Wallenhorst und Menslage gibt es 6500 Eichen. Nicht alle werden in diesem Jahr von der Raupe heimgesucht, wohl aber die meisten. Vor dem Hintergrund dieser Dimension ist klar, dass Meyer und seine Kollegen das Problem nicht flächendeckend lösen können, sondern lediglich punktuell.

Wir konzentrieren uns vor allem auf sensible Bereiche wie Schulen und Kindergärten sowie auf Radwege″, sagt Meyer. Eben überall dort, wo die Brennhaare der Raupe zum Risiko für Kinder und Erwachsene werden. In der kommenden Woche soll eine zweite Kolonne an anderer Stelle mit dem Absaugen beginnen. Dort, wo Raupenpopulationen bekannt sind, aber noch nicht entfernt wurden, werden zunächst Warnschilder aufgestellt.Arbeitskraft fehlt

Zwar beseitigen Fachunternehmen wie Römer Biotec und die Firma Baranowski die Tiere, dennoch bindet das Vorhaben auch Kapazitäten bei den Mitarbeitern der Kreisstraßenmeisterei. Zwei von Meyers Kollegen übernehmen die Verkehrssicherung der Arbeitsbühne. Ein weiterer Mitarbeiter fährt die Eichenbestände an den Kreisstraßen ab, um sich einen ersten Überblick über das Ausmaß des Befalls zu verschaffen. Meyer sagt: Die Manpower fehlt dann natürlich an anderer Stelle.″

Wer am Fürstenauer Ortsausgang entlang des Neuenkirchener Damms nach Süden blickt, der ahnt, wie viel Arbeit Hellmann und Sperlich alleine hier noch bevorsteht. Im Abstand von 20 Metern reiht sich Eiche an Eiche, fast jede hat ein oder mehrere Nester. Wir betreiben hier quasi Asbestabsaugung am Baum″, sagt Marcus Römer von Römer Biotec. Das ist natürlich Sisyphos-Arbeit für die Kollegen.″ Doch dank des Eichenprozessionsspinners sind die Bücher von Römers Firma momentan gut gefüllt.

Geht es denn nicht anders, als die Nester mit großem Aufwand abzusaugen? Je nach Umfang ist Sperlich rund eine halbe Stunde pro Baum beschäftigt. Viele Möglichkeiten gebe es nicht, sagt Römer, zumal natürliche Feinde wie der Kuckuck nicht gerade in Scharen aufträten. Abflammen ist sicherlich die schlechteste Lösung. In Sommern wie dem des vergangenen Jahres erzeugt man damit eine große Brandgefahr. Außerdem werden durch den Druck des Gases die Brennhaare aufgewirbelt. Das will man ja eben nicht.″

Alternativ lassen sich die Nester abkratzen, doch auch hier besteht die Gefahr, dass die Haare der Raupen aufgewirbelt werden. Ein Einsatz von chemischen Mitteln dagegen ist nicht gerade populär auch weil die Kollateralschäden in der Tierwelt als zu hoch eingeschätzt werden.

Dann eben absaugen: Am Fürstenauer Ortsausgang ist der Sauger schon nach fünf Bäumen erstmals voll. Sperlich fährt die Arbeitsbühne herunter, leert den giftigen Inhalt vorsichtig in einen blauen Kunststoffsack. Später werden die Schädlingsbekämpfer die Raupen in 200-Liter-Fässern sammeln. Letzte Station der Tiere ist dann eine Verbrennungsanlage.

Im vergangenen Jahr hat seine Firma rund 4500 Bäume im Nordwesten abgesaugt, sagt Römer. Er rechnet in diesem Jahr mit einer noch höheren Zahl, die Kapazitäten des Unternehmens bei der Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners sollen daher ausgeweitet werden. Mit dem Thema können wir verlässlich planen″, sagt Römer. Allerdings habe sich das Unternehmen auch erst einmal auf das neue Aufgabengebiet einlassen müssen. Das machen Sie nicht mal eben so aus der Hosentasche″, sagt Römer. Die Mitarbeiter mussten sich schulen lassen, damit die Brennhaare eben nicht den Weg in die Kleidung und auf die Haut finden. Wir mussten uns Gedanken machen, wie die Luftversorgung gewährleistet ist, und nicht zuletzt, wie man sich die Schutzkleidung richtig auszieht.″Dermatitis als Folge

Für Mirco Sperlich ist der Job auf der Hebebühne ziemlich anstrengend vor allem wenn die Temperaturen auf jenseits der 20-Grad-Marke ansteigen: Man muss schon hart im Nehmen sein. Abends juckt es, da wird das Einschlafen schwer.″ Trotz aller Schutzkleidung hat auch er mit der sogenannten Raupendermatitis zu kämpfen. Bis in den August werden Sperlich und Hellmann noch gut zu tun haben. Erst dann schlüpft der Nachtfalter aus der Familie der Zahnspinner aus der Raupe.

Die Arbeit endet dann jedoch keinesfalls. Auch nach dem Schlüpfen bleiben die Nester gefährlich, denn die Brennhaare verbleiben in den Gespinstern und entfalten über Jahre hinweg ihre unselige Wirkung. Für Meyers Kollegen wird es dann kritisch, wenn sie die Bankette der Kreisstraßen abmähen und die abgefallenen, alten Nester aufwirbeln. Das ist eine Never-Ending Story″, bilanziert Lars Hellmann.

Bildtexte:
Klein und haarig: Der Eichenprozessionsspinner hat sich im Landkreis breitgemacht.
Lars Hellmann nimmt mit seiner Kletterbrille die Tiere von unten ins Visier.
100 bis 200 Exemplare leben in einem Nest.
Fotos:
David Ebener
Autor:
Sebastian Philipp


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