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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Anlieger klagen über Lärm auf dem Neumarkt
 
Klong, klong, klong
Zwischenüberschrift:
Neumarkt-Anlieger müssen noch bis Ende Juli durchhalten
Artikel:
Kleinbild
 
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Originaltext:
Osnabrück Der Lärm zweier riesiger Bohrmaschinen auf dem Neumarkt macht den Gewerbetreibenden im Umfeld zu schaffen. Das ist, als würde Ihnen jemand mit dem Hammer auf den Kopf hauen″, sagt Claudia Ridic-Gilardi, Filialleiterin in der Bäckerei Coors. Detlef Gerdts, Leiter des Umweltamtes der Stadt, bestätigt, dass der Lärm der Bohrungen wohl alle Grenzwerte überschreitet. Zu ändern sei das aber nicht. Bis Mitte Juli werden die Maschinen im Einsatz sein, um insgesamt 140 Löcher über 20 Meter tief in den Boden zu treiben. Die betonierten Röhren werden die Baugrube stützen und später den Zauberwürfel″ tragen. Im Spätsommer folgt ein weiterer besonderer Bauabschnitt: Dann wird die Grube geflutet, und Industrietaucher werden unter Wasser die Kellersohle betonieren.

Osnabrück Wie viel Lärm kann ein Mensch ertragen? Claudia Ridic-Gilardi, Filialleiterin in der Bäckerei Coors am Neumarkt, macht zurzeit unfreiwillig den maximalen Belastungstest. Sie und ihre Kolleginnen sind nah dran an den Bohrern, die mit mächtigem Gedröhn und regelmäßigem Klong, Klong, Klong tiefe Löcher in den Boden treiben. Für sie gilt: Ohren zu und durch.

Wenn der bohrt, dann ist das wirklich so, als würde Ihnen jemand mit dem Hammer gegen den Kopf hauen. Es ist echt anstrengend″, sagt Ridic-Gilardi. Die Glas-Elemente des Cafés sind zur Seite geklappt, die Offenheit ist wesentlicher Teil des Geschäftskonzepts. Die Laufkundschaft, von der es am Neumarkt ansonsten reichlich gibt, soll im Vorbeigehen ein Brötchen kaufen oder auf einen Kaffee haltmachen können. Die Türen schließen? Dann haben wir noch weniger Umsatz, als wir eh schon haben″, sagt Ridic-Gilardi. Auch Ohrenstöpsel seien keine Lösung, weil sie dann die Kunden nicht verstünden. Wir können uns davor nicht schützen. Wir halten durch, solange es dauert.″

Es dauert noch bis Ende Juli, wie Bauleiterin Hildegard Sauer von der Firma Wittfeld erklärt. Sie bittet um Verständnis und Nachsicht wegen der Lärmbelästigungen, kann sie aber auch nicht abstellen oder reduzieren.

Die beiden Bohrmaschinen Fachleute sagen Bohrpfahlgeräte haben die Aufgabe, insgesamt 140 Löcher 22, 5 Meter in den Boden zu treiben. Die Löcher haben einen Durchmesser von 90 Zentimetern und werden mit Beton verfüllt. Der tiefere Sinn: Das Gebäude, das hier auf dem sogenannten Baulos 2 vor dem Neumarkt-Carrée entstehen wird, braucht zwei Kellergeschosse, um dort die Haustechnik unterzubringen. Die Bohrpfahlwand muss zunächst die Baugrube abstützen, die gut zehn Meter tief sein wird, und später das Haus tragen. Drei bis vier Pfähle schafft das Bohrteam am Tag. Gut die Hälfte der Strecke ist geschafft.

Die Motoren der Bohrpfahlgeräte heulen jedesmal schwer auf, wenn sie den Bohrkopf in den Boden drehen. Mehrere Arbeitsschritte sind nötig, bis die Tiefe von 22, 5 Metern erreicht ist. Und zwischendurch zieht der Mann am Schalthebel das Gestänge aus dem Loch, dreht das Gerät und klopft die klebrig-feuchte Erde vom Bohrkopf ab. Ein simpler Vorgang als würde man beim Backen die Rührstäbe abklopfen. Auf der Neumarkt-Baustelle erzeugt dieser Vorgang Glockenschläge. Drei-, vier-, fünfmal klong″. Wer danebensteht, wähnt sich in einem Glockenstuhl beim Festtagsgeläut.

Ja, es ist zu laut, bestätigt Detlef Gerdts, Leiter des Fachbereichs Umwelt bei der Stadt. Bei ihm sind Beschwerden von Gewerbetreibenden eingegangen, deren Geschäft unter der Baustelle leidet. Die Grenzwerte werden mit Sicherheit nicht eingehalten, dazu braucht man gar keine Messungen″, sagt Gerdts. Am Neumarkt sei es wegen des Straßenverkehrs ohnehin schon laut, der Baustellenlärm addiere sich noch dazu. Aber auch Gerdts hat keine Lösung parat. Lärmschutzwände würden nichts bringen, weil der Krach beim Abklopfen in mehreren Meter Höhe entstehe und über die Schutzwände hinwegschwappen würde. Die Arbeiten sind täglich auf die Zeit von 7 bis 17 Uhr begrenzt, mittags legen die Bohrer eine Stunde Pause ein, und samstags wird gar nicht gebohrt. Der Lärm lässt sich nicht verhindern″, so Gerdts. Auch reduziertes Bohren würde wenig helfen, weil sich die Arbeiten dann in die Länge zögen.

Direkte Anwohner könnten sich unter Umständen gegen die Lärmbelästigungen zur Wehr setzen, sagt Gerdts. Gewerbetreibenden bleibe nur die Möglichkeit, etwaigen wirtschaftlichen Schaden beim Verursacher geltend zu machen.

Mirko Puric, Inhaber des Eiscafés Dolomiti, befürchtet einen wirtschaftlichen Schaden. Er spürt sehr deutlich, dass die Gäste wenig Lust haben, ihr Eis bei dieser Lärmkulisse zu genießen. Er habe sich bei der Stadt beschwert, aber nichts erreicht. Das interessiert keinen, ob das für uns ein Verlust ist und wir darunter leiden.″

Gut vier bis fünf Wochen müssen Pulic und die anderen Anlieger noch durchhalten. Wenn die 140 Pfähle gesetzt sind, wird der Boden ausgehoben und der nächste spektakuläre Bauabschnitt beginnt: Die Grube wird geflutet. So wird ein Freibad solider Größe entstehen: 35 mal 25 Meter groß und knapp zehn Meter tief. Das Fluten sei nötig, um ein Aufschwimmen der Betonsohle zu verhindern, sagt Projektleiterin Hildegard Sauer. Die Sohle wird außerdem mit einem Dutzend Ankerstäben tief im Untergrund verankert.

Wegen der Enge des Baufeldes wird ein Ponton zu Wasser gelassen, als Standfläche für den Bagger. Taucher werden im Spätsommer die Sohle betonieren. Anschließend wird das Wasser abgepumpt, Hildegard Sauer geht davon aus, dass Ende des Jahres der Keller fertig ist und der Hochbau beginnen kann.

Die unteren drei der sieben Geschosse des künftigen Zauberwürfels″ sollen an Einzelhändler vermietet werden. Oben wird die Hamburger Hotelgruppe Centro ein Boutique-Hotel mit 80 Zimmern eröffnen. Die Fertigstellung ist für Ende 2020 geplant.

Bildtexte:
Wenn die Motoren der Bohrpfahlgeräte aufheulen, wird es laut auf dem Neumarkt. Besonders heftig wird es, wenn der Bohrkopf abgeklopft wird.
Der Arbeitsauftrag: 140 Löcher bohren, jedes 22, 5 Meter tief und mit einem Durchmesser von 90 Zentimetern.
Der matschige Aushub aus den Bohrlöchern wird jeweils frühmorgens abgefahren.
Fotos:
Gert Westdörp
Autor:
Wilfried Hinrichs, Louisa Riepe


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