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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Klima: SPD drängt auf Fortschritte
 
Klingbeil: Groko-Erhalt hängt an Union
Zwischenüberschrift:
Klingbeil sieht Union in der Pflicht / Wagenknecht nennt Bedingungen für Koalition
 
SPD-Generalsekretär erklärt Klimaschutz zum Testfall für Schwarz-Rot
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück Die SPD versinkt im Popularitätstief, doch sie steckt nicht auf: Nach den Niederlagen bei der Europawahl und der Wahl in Bremen will sie nun unter anderem mit dem Thema Klimaschutz in die Offensive kommen. Derweil schwingen die Grünen sich in ungeahnte Umfragehöhen. Und bei den Linken hofft man auf eine Erholung der SPD und einen Bremen-Effekt″ in Richtung Rot-Grün-Rot auch auf Bundesebene.

Die SPD will nach den Worten ihres Generalsekretärs Lars Klingbeil noch sehr viel in der Großen Koalition umsetzen. Im Interview mit unserer Redaktion betonte Klingbeil zugleich aber auch, das von der Koalition geplante Klimaschutzgesetz sei ein Test, ob die Union in dieser Regierung noch handlungsfähig ist″.

Erstmals soll laut Klingbeil konkret geregelt werden, wie und bis wann welche Sektoren Kohlendioxid (CO2) einsparen müssen. Die Zeit, in der ausschließlich auf großen Gipfeln über ehrgeizige Ziele geredet wird, ist vorbei. Wir müssen gesetzlich handeln″, so der SPD-Generalsekretär. Er kritisierte, die Minister Peter Altmaier (CDU) und Andreas Scheuer (CSU) befänden sich noch immer im klimapolitischen Tiefschlaf. Das ist unsäglich. Wer einfach immer nur neue Gutachten in Auftrag gibt, darf sich über weltweite Klimaproteste nicht wundern.″

Bei den Linken wächst derweil die Hoffnung auf einen Machtwechsel in Berlin. Bundestagsfraktionschefin Sahra Wagenknecht sagte unserer Redaktion: Nach Jahren wachsender Ungleichheit und hemmungsloser Bereicherung der oberen Zehntausend braucht Deutschland dringend eine Regierung, die sich um mehr sozialen Ausgleich bemüht. An einer solchen Regierung würde sich die Linke auch im Bund beteiligen.″ Allerdings sei eine soziale Regierung kaum denkbar ohne eine starke Sozialdemokratie, so Wagenknecht weiter. Wir wünschen der SPD daher, dass sie in ihrer tiefen Krise die Kraft findet, zu sozialdemokratischer Politik zurückzukehren und die Generation Groko und Agenda 2010 an ihrer Spitze durch neue glaubwürdige Köpfe zu ersetzen.″

Die SPD liegt bei der Sonntagsfrage im ARD- Deutschlandtrend″ mit 12 Prozent aktuell nur noch auf Platz vier, hinter den Grünen (26 Prozent), CDU/ CSU (25 Prozent) und AfD (13 Prozent). Die Liberalen kommen derzeit auf acht Prozent, die Linken auf sieben. Nach einer weiteren Umfrage (Yougov) wünscht sich fast jeder Zweite, dass die Grünen bei der nächsten Bundestagswahl mit einem Kanzlerkandidaten antreten.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) geht davon aus, dass seine Partei mehr als nur einen vorübergehenden Umfrage-Hype erlebt. Bei Fragen von Klima- und Artenschutz, die viele Menschen umtrieben, seien die Grünen die erste Adresse. Es ist also durchaus möglich, dass meine Bundespartei dauerhaft mehr Zuspruch bekommt″, so Kretschmann in der Bild″.

Kommentar
Blick nach vorn

Die Grünen vor der Union, die SPD hinter der AfD: Ist das mehr als ein flüchtiges Stimmungsbild? Erlebt Deutschland gerade einen grundlegenden politischen Umbruch? Die aktuellen Umfragen legen solche Schlüsse nahe und laden zu Spekulationen ein etwa über die Frage, ob die Grünen einen Kanzlerkandidaten aufstellen müssen. Ja, das sollten sie, Stand heute.

Fest steht aber auch: Bis zu den nächsten Wahlen sind es noch mehr als zwei Jahre, sofern die Große Koalition hält und die in Bedrängnis geratene SPD nicht die Notbremse zieht. Wetten werden noch angenommen.

Ein einfaches Weiter so″ kann in jedem Fall nicht die Lösung sein. Die Parteien dürfen nicht das Gespür für die Sorgen der Menschen verlieren. Mal löst die Migration Ängste aus, dann der Klimaschutz. Auf solche Veränderungen müssen sich Parteien einstellen, wollen sie nicht sang- und klanglos untergehen. Noch besser ist es aber, vorausschauend zu agieren. Denn Politik wird immer dann zum Spielball von Propaganda und Populisten, wenn sie den Ereignissen hinterherläuft.

Union und SPD haben für diese Fehler mit starken Verlusten gebüßt. Sie müssen den Blick deshalb dringend nach vorne richten. Denn es sind jede Menge gefährliche Klippen zu umschiffen, nicht nur im Klimaschutz. Man nehme nur den digitalen Wandel mit seinen enormen Chancen und Risiken. u.westdoerp@ noz.de

Berlin Während des Interviews mit Lars Klingbeil in seinem Bundestagsbüro donnert und blitzt es. Ausgerechnet bei den schwierigen Fragen kracht es besonders laut. Dass die Groko hält, hänge vor allem an der Union, sagt der SPD-General. Mehrere Unionsminister seien beim Thema Klimaschutz noch im Tiefschlaf″. Bei der Wahl ihrer neuen Parteispitze werde sich die SPD nicht unter Druck setzen lassen, macht Klingbeil klar. Womöglich könne die Entscheidung erst im Dezember fallen.

Herr Klingbeil, Andrea Nahles′ Rückzug hat die SPD durchgerüttelt. Ein Interims-Trio ist installiert, aber wann wird es eine dauerhafte neue Spitze geben? Malu Dreyer, Manuela Schwesig und Thorsten Schäfer sind ein eingespieltes Team und stecken voller Elan. Ich spüre, dass gerade ein Ruck durch die Partei geht, der uns belebt. Das tut allen gut. Am 24. Juni wird der Parteivorstand über das weitere Verfahren entscheiden.

Immer wieder gab es den Vorwurf, der oder die Vorsitzende werde im Willy-Brandt-Haus ausgekungelt, das war auch ein Mühlstein für Andrea Nahles. Wird es diesmal wirklich anders kommen? Wir brauchen einen Bruch mit den alten Ritualen, wie Vorsitzende gefunden wurden. Wir können nicht noch einmal im Hinterzimmer jemanden ausgucken und womöglich auch noch festlegen, wer Außenminister oder Kanzlerkandidat wird. Die Mitglieder müssen diesmal breit beteiligt werden. Ich will als Generalsekretär einen spannenden Wettbewerb. Die SPD wird einen neuen politischen Stil prägen. Auf den Aufruf an die Mitglieder, Vorschläge für das Verfahren zu machen, haben wir am ersten Tag innerhalb weniger Stunden schon mehr als 10 000 Rückmeldungen bekommen. Die Mitglieder sind motiviert.

Für eine Urwahl müsste die Parteisatzung geändert werden Es gäbe auch die Möglichkeit, dass sich der Parteitag verpflichtet, ein Votum der Parteibasis anzuerkennen. Wir prüfen jetzt sorgfältig alle Möglichkeiten. Ich denke aber, klar ist: Die Mitglieder werden irgendwie mit entscheiden. Ich wünsche mir, dass die Kandidaten im ganzen Land unterwegs sind und sich vor Ort vorstellen und es einen fairen Wettbewerb gibt.

Was halten Sie vom Vorschlag, die Vorsitzenden-Wahl auch für Nichtmitglieder zu öffnen? Das wäre eine Option, das Interesse zu wecken, neue Mitglieder für die SPD zu gewinnen. Wir werden diese Idee ernsthaft verfolgen, und ich bin gespannt, ob sich in der Partei Mehrheiten dafür finden werden. Ich will nicht ausschließen, dass wir auch so einen Weg gehen werden.

Koalitionspartner und Opposition warnen vor einer Hängepartie, wichtige Entscheidungen könnten ohne einen gewählten SPD-Vorsitzenden nicht getroffen werden. Wie lange wird die SPD für ihre Neuaufstellung brauchen? Auch die CDU hat von uns in der Großen Koalition die Zeit bekommen, eine Nachfolgerin für Parteichefin Angela Merkel zu suchen. Ebenso gab es einen Führungswechsel bei der CSU. Also: Ball flach halten und locker bleiben. Die SPD ist voll da. Wir sind handlungsfähig. Es ist die Union, die etwa bei der Grundrente, beim Klimaschutz oder beim Thema Miete blockiert.

Sie selbst fänden eine Doppelspitze gut. Dafür würde mindestens eine Frau gebraucht. Katarina Barley, Manuela Schwesig und Malu Dreyer haben schon mal abgesagt. Der Umgang mit Andrea Nahles hat viele abgeschreckt, oder? Wir haben großartige Frauen in der SPD und ein tolles Amt, das es zu besetzen gilt. Ich zweifele nicht daran, dass wir mehrere tolle Kandidatinnen und Kandidaten haben werden. Lassen Sie sich überraschen. Schauen Sie sich die Grünen an. Dort hatte wohl kaum jemand Annalena Baerbock auf dem Zettel.

Werfen Sie Ihren Hut in den Ring? Die Frage stellt sich jetzt nicht. Ich organisiere als Generalsekretär jetzt das Verfahren.

Über den Eintritt in die Große Koalition haben die SPD-Mitglieder entschieden. Fast 60 Prozent der Parteimitglieder wollen laut Deutschlandtrend raus aus der Groko. Werden sie auch gefragt, ob die Koalition weitermachen soll? Der Beschluss damals lautete, dass ein Parteitag über die Halbzeitbilanz entscheidet. Ich gehe davon aus, dass es dabei bleiben wird. Auch das besprechen wir am 24. Juni. Dann legen wir auch fest, ob wir den für Anfang Dezember geplanten Parteitag vorziehen. Wenn die Basis vorher eine neue Parteispitze auswählen soll, bräuchten die Kandidatinnen und Kandidaten aber auch Zeit, um sich zu präsentieren. Das spricht gegen ein Vorziehen des Bundesparteitages. Klar ist: Es wird keine Schnellschüsse geben.

Die Union macht schon mal klar, es werde keine Rabatte″ geben. Warum sollte die SPD in der Groko bleiben, zumal bei Neuwahlen eine linke Mehrheit möglich erscheint? Wir haben einen guten Koalitionsvertrag für vier Jahre ausgehandelt. Die SPD will noch sehr viel umsetzen. Nehmen Sie das Klimaschutzgesetz: Erstmals wollen wir konkret regeln, wie und bis wann welche Sektoren CO2 einsparen müssen. Die Zeit, in der ausschließlich auf großen Gipfeln über ehrgeizige Ziele geredet wird, ist vorbei. Wir müssen gesetzlich handeln. Das Klimaschutzgesetz ist auch ein Test, ob die Union in dieser Regierung noch handlungsfähig ist. Auch bei der Grundrente und bei der Verschärfung der Mietpreisbremse blockieren CDU und CSU. Wir brauchen deutliche Signale aus der Union, dass die Groko vorankommt, sonst wird es schwierig mit der Halbzeitbilanz.

Die Kanzlerin will vor konkreten Maßnahmen weitere Gutachten abwarten. Wird es also doch keine Klimaschutz-Entscheidungen mehr vor den Landtagswahlen im Herbst geben? Die Zeit des Abwartens ist vorbei. Uns fehlen nicht die wissenschaftlichen Erkenntnisse, uns fehlen die Handlungen. Die Unions-Minister Altmaier und Scheuer befinden sich noch immer im klimapolitischen Tiefschlaf. Das ist unsäglich. Wer einfach immer nur neue Gutachten in Auftrag gibt, darf sich über die weltweiten Klimaproteste nicht wundern.

Bildtext:
Will sich bei der Wahl eines neuen Partei-Chefs nicht unter Druck setzen lassen: Lars Klingbeil.
Foto:
imago images/ phototek
Autor:
Tobias Schmidt, Uwe Westdörp


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