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Osnabrück Plätze pulsieren, vor den Bühnen wird getanzt und an zahlreichen Orten laufen die Wettbewerbe auf Hochtouren. Das 6. Deutsche Musikfest hat Osnabrück erorbert, zieht Teilnehmer und Besucher gleichermaßen in seinen Bann. Wie Blasmusik eine Stadt verzaubert. Die Straßen, Säle und Plätze Osnabrücks sind voller Musik. Wir empfehlen folgende Highlights: Ein besonderes Vergnügen dürfte das Galakonzert des Polizeiorchesters Bayern am Samstag um 18 Uhr im Theater am Domhof werden, denn als Solokünstler wird das 45-köpfige Profiensemble von dem Tubisten Martin Hofmeir begleitet, dem Gründungsmitglied der Kultband La Brass Banda. Unter anderem wird es zur Uraufführung der Komposition „ Hope″ von Hubert Hoche kommen. Mit Flöten und Fanfaren: Deutschlands beste Spielmannszüge werden auf dem Markt vor dem Rathaus gekürt, wenn dort am Samstag ab 20 Uhr die „ Meisterschaft der Spielleutemusik″ ausgetragen wird. Ein unbedingtes Muss für die Freunde von Tambourmajoren und Stabführerinnen. Ob beim Kanzlerfest oder bei wichtigen Staatsbesuchen, ob Opernball oder Tanzgalas: Die Big Band der Bundeswehr darf nicht fehlen. Die von Helmut Schmidt initiierte „ musikalische Geheimwaffe″ entwickelte sich seit 1970 zu einem der beliebtesten Showorchester Europas. Am Samstag spielt sie ab 21 Uhr auf dem Domvorplatz. Freunde von Elben und Hobbits dürfen sich die „ Herr-der-Ringe-Nacht″ am Samstag um 20 Uhr in der Osnabrück-Halle nicht entgehen lassen. Die erste Sinfonie und die deutsche Erstaufführung der fünften Sinfonie „ Rückkehr nach Mittelerde″ werden vom Landesblasorchester Baden-Württemberg, von Solosängern und dem Neuen Kammerchor Heidenheim dargeboten. Illustriert werden die Werke von Bildern, die Sandmalerin Colette Dedyn entwirft und projiziert. Zu einem klanggewaltigen Riesenspektakel wird das Gemeinschaftskonzert am Sonntag um 15 Uhr auf dem Domvorplatz. Im Beisein des Schirmherrn des Musikfestes, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, werden 45 Musikgruppen mit 2000 Musikern unter anderem ortsbezogene Melodien wie die „ Fanfare der Stadt Osnabrück zum Deutschen Musikfest″ und das Lied zum Steckenpferdreiten interpretieren. Osnabrück An Blasmusik scheiden sich die Geister. Den einen ist sie zu militaristisch oder zu volkstümlich, die anderen feiern oder marschieren im Takt dazu. Das Deutsche Musikfest bietet eine Vielzahl unterschiedlicher Orchester, die diese Musik spielen. Beim Gang durch die Innenstadt am Freitag wird deutlich, wie vielfältig Blasmusik ist und immer schon war. Auf dem Marktplatz geht es los. Zur Mittagszeit um 13 Uhr sitzen viele Osnabrücker in den Cafés auf der Straße und genießen die Sonne. Das Orchester des Musikvereins Dogern aus dem tiefsten Baden-Württemberg spielt dazu Marschmusik. In den Gesichtern mancher Mittagspäusler spiegelt sich Irritation wider. Doch als die Kapelle ihr Stück beendet, brandet großer Applaus auf. Unweit des Marktplatzes steht vor dem Dom eine große Bühne, auf der am Freitagnachmittag ein Jugendorchester nach dem anderen spielt. Vor allem viele ältere Zuhörer harren unermüdlich vor der Bühne aus. Das Jugendblasorchester Kleinmachnow aus Brandenburg spielt keine Marschmusik, sondern „ Oye como va″ von Santana. Dirigent Martin Aust erklärt dem Publikum, dass das Wichtigste in der Musik der Groove sei. Also spielt sein vielköpfiges Orchester die „ Groove Overture″ des finnischen Komponisten Timo Forsström. Manche Zuhörer klatschen den Takt mit ihren Programmheften mit. So richtig kommt der Groove noch nicht an. Das ist in der Sporthalle der Domschule anders. Dort riecht es nach Erbsensuppe, und es herrscht Bierzeltatmosphäre. Das Blasorchester TV 1848 e. V. Gimbsheim und die Musikfreunde Zornheim 1972 e. V. aus Rheinland-Pfalz spielen volkstümliche Melodien und Rhythmen. Eine Gruppe Jugendlicher steht auf den Bänken der Bierzeltgarnituren und feiert mit. Als das Orchester „ Dancing Queen″ von Abba intoniert, tanzt ein junges Paar vor der Bühne Standard dazu. Die Strategie vieler Blasorchester, ein junges Publikum mit neuen Klassikern für ihre Musik zu begeistern, geht hier auf. Heute sind es Abba und Santana. Sind es in einigen Jahren Rammstein und Metallica? In der Marienkirche hat sich ein großes Publikum versammelt, um wirkliche Klassiker zu hören. Die Sächsische Bläserphilharmonie aus Bad Lausick in der Nähe von Leipzig spielt unter der Leitung von Thomas Clamor ihren Zyklus „ Hymnus″, in dem Texte des Dichter Paul Gerhardt vertont wurden. Der evangelisch-lutherische Theologe wirkte im 17. Jahrhundert. Seinen Texten wurde die Musik von zeitgenössischen Komponisten wie Johann Crüger und Johann Georg Ebeling, aber auch moderne Werke von Christian Sprenger gegenübergestellt. Das Ergebnis war eine Musik, die Tiefe besaß und berührte. Trotz des großen Halls in der Marienkirche kam die satte Musik der Sächsischen Bläserphilharmonie bombastisch zur Geltung. Das rief stürmischen Applaus im voll besetzten Kirchenschiff hervor. Dass Blasmusik auch Soul besitzt, bewiesen ausgerechnet die in Uniform gekleideten Mitglieder des Polizeiorchesters Niedersachsen in der Osnabrück-Halle. Sängerin Shereen Adam sang Ed Sheerans Stück „ Thinking Out Loud″ mit viel Seele in der Stimme. Anschließend unternahm das Polizeiorchester einen Ausflug in die Gefilde des Fusion Jazz und intonierte Larry Carltons „ Room 335″ sowie Chick Coreas „ La Fiesta″ mit einer Lässigkeit und Virtuosität, die meilenweit von zackiger Marschmusik entfernt ist. Bildtexte: Blasmusik ist nicht nur etwas fürs Bierzelt auf dem Oktoberfest, wie unter anderem die Konzerte in der Marienkirche beweisen. Einen fulminanten Auftritt absolvierte die Sächsische Bläserphilharmonie unter der Leitung von Thomas Clamor. Die souligen Seiten der Blasmusik schlug das Polizeiorchester Niedersachsen in der Osnabrück-Halle auf. Fotos: Jörn Martens Osnabrück Die Bühne der Osnabrück-Halle ist gut gefüllt mit Klarinetten, Flöten, Oboen und natürlich reichlich Blech. Es spielt die Bläserphilharmonie Niedersachsen, doch die ersten Töne spielt – ein solistisches Cello. Überhaupt ist die Eröffnung des Programms keine typische Literatur für ein solches Orchester: eine Bearbeitung der Tell-Ouvertüre von Gioacchino Rossini. Danach allerdings nimmt sich das Orchester einige der zentralen Komponisten für symphonische Blasorchester vor: Stephen Melillo und James Barnes, und da ist er denn auch, der typische Klang eines großen Blasorchesters. Nicht nur gewaltig und imposant, sondern auch gut ausgewogen. Zudem sind immer wieder zahlreiche schön geblasene Soli zu hören, besonders der Mann am Englisch-Horn hat gut zu tun. Das Motto des Konzerts „ Faszination symphonische Blasmusik″ zeugt zwar nicht von übermäßigem Einfallsreichtum, doch dafür wird dieses „ Best of″ der Literatur ansprechend gespielt. Die Geschichte zur 1994 entstandenen vierten Symphonie von James Barnes, aus der zwei Sätze gespielt werden, ist eine sehr persönliche: Im langsamen Satz betrauert er den Tod seiner kleinen Tochter, und die ganze Symphonie trägt daher den Beinamen „ tragische″. Dennoch ist das Finale von überschäumender Ausgelassenheit geprägt, die sich mit einem Kirchenchoral verbindet. Weiter geht′s zum Marktplatz, doch dort ist von der angekündigten Deutschen Bläserjugend keine Spur. Also rasch rüber zum Dom, wo gerade ein kleineres Orchester spielt. Es ist das Jugendblasorchester aus dem sächsischen Hohenstein-Ernstthal mit einem populären Programm, die Stimmung ist hier locker. Gegeben wird ein Pop- und Rock-Medley mit Hits der 80er: „ Eye oft the Tiger″, „ Time of the Time″ etc., dann ein König-der-Löwen-Medley. Eine Gruppe Zuhörerinnen singt mit, das Bier in der Hand. Dann beginnt auf dem Marktplatz die zehnköpfige „ Blassportgruppe″ mit Sängerin Alexandra Pugh, was offenbar allgemein als einer der Höhepunkte im Programm eingeschätzt wird. Hier liegt der Schwerpunkt eher auf Funk und Jazz, viele improvisierte Soli, „ Uptown Funk″ erklingt neben „ Steil″, einem eigenen Titel. Leider erweist sich die Tontechnik als eher ungünstig, doch die Truppe heizt den Zuhörern trotzdem ordentlich ein. Die Konzerte sind übrigens alle gut besucht, weil sich die Musiker des Festivals gegenseitig zuhören. Als Sängerin Alexandra Pugh das Publikum fragt, wer ein Blasinstrument spielt, sind fast alle Hände oben. Bildtext: Atmosphärisch und voll war es auf dem Marktplatz, als die Blassportgruppe von der Rathausbühne aus dem Publikum trotz Problemen mit der Tontechnik mit ihrem eigenen Stil einheizte. Foto: Philipp Hülsmann Osnabrück Von dieser Riesenflöte gibt es nur drei Stück in Deutschland. Mit einem Exemplar ist der Berliner Profi Tilmann Dehnhard zum Musikfest nach Osnabrück gereist. Es ist das außergewöhnlichste Instrument der viertägigen Veranstaltung, dessen brummenden Töne Samstagnachmittag bei einem Konzert in der Stadthalle zu hören sind. Für den Flötisten bedeutet das echte Schwerstarbeit. Der 51-jährige Musiker spricht selbst von einem absoluten Kuriosum, wenn er die seltene Subkontrabassflöte in Position bringt. Wobei er das Instrument alleine kaum handhaben kann. Es sei schwerer als seine fünfjährige Tochter, schmunzelt Tilmann Dehnhard, während er mithilfe eines Mitarbeiters die überdimensional große Querflöte aufrichtet. Sie überragt ihn nun bestimmt einen halben Meter. Während eine normale C-Flöte ungefähr die Ausmaße eines Arms hat, müsste eine Subkontrabassflöte eigentlich länger als fünf Meter sein. Dann könnte sie ein Musiker allein aber nicht bewältigen. Darum ist das Rohr zweimal gebogen. Auch die relativ oft gespielt Bassflöte hat schon ein einmal gebogenes Rohr. Der Niederländer Jelle Hogenhuis hat die Subkontrabassflöte gefertigt. Tilmann Dehnhard holt tief Luft und führt seine Lippen an die Anblasstelle. Das Instrument klingt angenehm tief und stark. Maximal zwei bis drei Sekunden könne er einen Ton halten, erläutert der Musiker. Dafür müsse er unglaublich große Luftmengen umsetzen. Grundsätzlich funktioniert die Subkontrabassflöte genauso wie die C-Querflöte. Die Griffe seien die gleichen; nur ist das Instrument drei Oktaven tiefer gestimmt. Eigentlich ist der Musiker mit der gesamten Bandbreite der Querflöten im Jazz zu Hause. Immer wieder arbeitet er aber auch mit klassischen Orchestern zusammen. Das wird auch an diesem Samstag während des Deutschen Musikfestes der Fall sein. Für Tilmann Dehnhard ist der Auftritt gemeinsam mit dem Landesflötenorchester Argentum eine Premiere. Denn zum ersten Mal präsentiert er dabei öffentlich die Subkontrabassflöte. Das Konzert in der Osnabrück-Halle im Rahmen der Spielleutegala beginnt um 16.30 Uhr. Tickets kosten 8 Euro, ermäßigt 3 Euro. Bildtext: Mehr als zwei Meter hoch ist die seltene Subkontrabassflöte. Foto: Philipp Hülsmann Osnabrück Ein Jugendlicher mit Lockenkopf rückt seinen Notenständer zurecht, hebt sein Althorn und bläst hinein. Ein tiefer Ton erkling in der Herz-Jesu-Kirche und reiht sich in die – noch durcheinander gespielten – Töne der anderen Musiker ein. Béla Dietrich ist einer von 14 500 Teilnehmern. Seine Mitstreiter und er stimmen ihre Instrumente für eine kleine Generalprobe. Noch wuseln alle herum. Die letzten Instrumente werden ausgepackt, Stühle zurechtgerückt, Krawatten gebunden, und der Chef der Truppe, Hans Jacob, gibt Anweisungen. Die Jugend-Brass-Band PotzBlech aus Schwerin hat am Abend ihren ersten Auftritt auf dem Deutschen Musikfest. „ Brass-Bands bestehen nur aus Blechbläsern und Schlagzeugen″, erklärt Dirigent und Lehrer Jacob von der Musik- und Kunstschule Ataraxia. Das sei sehr anspruchsvoll und anstrengend, weil sie auch den Part von Streichern und Holzbläsern übernehmen müssten. Mit 33 jungen Musikern von fünf verschiedenen Schulen der Landeshauptstadt ist Jacob nach Osnabrück gekommen. Der Jugendliche mit Lockenkopf ist schon ein alter Hase in der Band. Béla Dietrich gehört seit sieben Jahren zu PotzBlech. Ursprünglich spielte er Trompete und Kornett. Doch dann wurde in der Band ein Althorn gebraucht, also probierte er es aus und blieb dabei. „ Die gibt es sehr selten, denn die werden in keiner anderen Besetzung wirklich gespielt außer in der Brass-Band″, erklärt der 18-Jährige. Einmal in der Woche üben die Schüler gemeinsam zwei Stunden lang ihre Stücke. Bei dem Musikfest nehmen sie erstmals in der Kategorie Entertainment an einem Brass-Band-Wettbewerb teil. „ Wir dachten, wir probieren mal etwas Neues aus″, sagt Dietrich. Große Musikveranstaltungen und Meisterschaften sind aber für den 18-Jährigen nichts Neues. Vor rund fünf Jahren hat er mit seinen Kollegen am Landesorchesterwettbewerb in Mecklenburg-Vorpommern teilgenommen. Letztes Jahr war er mit PotzBlech bei der Deutschen Brass-Band-Meisterschaft in Bad Kissingen. In der Jugendkategorie wurden sie Zweite. Für den Wettbewerb am Samstag zählt für die jungen Musiker aber nach Angaben von Dietrich eher der „ Olympische Gedanke″, denn sie messen sich dort auch mit erwachsenen Künstlern. „ Wir wissen um die Qualität der Konkurrenz. Wir wollen Erfahrung sammeln und unseren Horizont erweitern″, sagt der 18-Jährige. Bildtext: Konzentriert, aber mit Spaß dabei: Béla Dietrich aus Schwerin. Foto: Philipp Hülsmann Osnabrück 400 Ehrenamtliche helfen beim Deutschen Musikfest in Osnabrück bei der Vorbereitung und Durchführung. Einer von ihnen ist der ehemalige Domküster Rolf Beßmann. Von früh bis spät sind er und sein Team im Einsatz, damit alle ein schönes Fest haben. Das Deutsche Musikfest ist in vollem Gange. Überall in der Innenstadt kommen Reisebusse an, werden Instrumente ausgeladen und Musiker in ihren Unterkünften begrüßt. Auf den Bühnen versammeln sich Orchester und proben für ihre Konzerte. Damit aus dem Ansturm kein Chaos wird, gibt es Ehrenamtliche wie Rolf Beßmann, einer von 400. Zusammen mit Alina Hengelbrock und Ines-Marie Volk kümmert er sich an der großen Bühne vor dem Dom um einen reibungslosen Ablauf. Die drei sind von 10 Uhr morgens an im Einsatz, bis der letzte Applaus verklungen ist. Sie wechseln sich ab, um auch Zeit zum Essen in der Sporthalle der Domschule zu finden. Dort werden die Musiker und Ehrenamtlichen versorgt. Donnerstagabend, erzählt Rolf Beßmann, war die Atmosphäre richtig toll. Die ganze Halle sei voll gewesen, junge Blasmusiker hätten gespielt, und zwischendurch seien Leute aufgesprungen, um aus dem Nichts heraus zu singen. Es sind diese Momente, die für wochenlange Arbeit belohnen. Beßmann ist seit einem Jahr in Rente, davor war er Küster im Osnabrücker Dom. In der Zeitung hatte er gelesen, dass Ehrenamtliche für das Deutsche Musikfest gesucht werden. Er meldete sich und bekam direkt zu hören: „ Du kennst dich so gut aus – du bist ideal!″ Durch seine Arbeit im Dom ist Beßmann gut vernetzt. Außerdem besitzt er ein Lastenfahrrad, was sich bei den Vorbereitungen als großes Glück erwies. Kiloweise Flyer und Programmhefte mussten in der Stadt verteilt werden. Mit dem Auto kommt man nicht in die Fußgängerzone, mit dem Fahrrad schon. Weil viele Musiker in Schulen untergebracht sind, musste Beßmann Dutzende Rauchmelder transportieren und anbringen. Auch das Sortieren von Noten und Essensmarken gehört zu seinen Aufgaben. Ein bisschen nervig, wie Beßmann findet, aber notwendig, damit die Musiker sich um nichts als ihren Auftritt Gedanken machen müssen. Ines-Marie Volk (19) und Alina Hengelbrock (21) machen selber Musik im Musikkorps Herold Pye. Den ganzen Tag sind sie beim Deutschen Musikfest Ansprechpartner für Besucher und Musiker. Sie stellen Stühle auf, begrüßen die Orchester und verteilen Programmhefte. Wichtig ist auch, für Sicherheit zu sorgen. Dafür stehen sie in engem Kontakt mit dem Security Team und sind im Notfall die Ersten, die die Polizei rufen. Am Sonntag wird das besonders wichtig sein, da herrscht Hochsicherheit – denn der Bundespräsident kommt. Am Ende des Gesprächs mit unserer Redaktion kommt ein aufgeregter Musiker angelaufen. Dem Orchester fehlen Schlagzeuge auf der Bühne. Rolf Beßmann verspricht, sich direkt darum zu kümmern. Bildtext: Dauereinsatz: Für das Deutsche Musikfest ist Rolf Beßmann mit seinem Lastenfahrrad immer in Bewegung. Eine Fotoreportage des Spektakels in der heutigen Ausgabe aug der Seite 29. Foto: Jörn Martens Osnabrück Das 6. Deutsche Musikfest hat rund 14 500 Musiker nach Osnabrück gelockt, mehr als 4000 von ihnen beliefert das Kölner Unternehmen „ Kommando Verpflegung″ mit Essen. Möglich macht das eine Zusammenarbeit des Großveranstaltungscaterers mit zahlreichen Freiwilligen aus dem Osnabrücker Raum. Schichtbeginn: 6.30 Uhr. Was für den Langschläfer ein echter Albtraum ist, tun die Ruller Nachwuchsmusikerinnen Malena Linnemann, Hannah Siekiera und Inia Röwekamp an einem eigentlich freien Schultag ohne mit der Wimper zu zucken. Die drei 14-Jährigen besuchen die Osnabrücker Angelaschule und spielen im Blasorchester des Gymnasiums. Sie gehören zu den 20 ehrenamtlichen Helfern, die in der Angelaschule am frühen Morgen mithelfen. Auch an den anderen sechs Musikfest-Gemeinschaftsunterkünften in Osnabrück sind Ehrenamtliche im Einsatz.„ Als unser Orchesterleiter Ekkehard Sauer gefragt hat, wer beim Frühstück aushelfen möchte, war für uns klar, dass wir uns melden″, berichtet Hannah Siekiera. Die Freundinnen bereiteten sich seit langer Zeit auf das Musikfest vor, es sei das größte Musikevent, an dem sie bisher teilgenommen hätten. „ Das hier ist schon noch mal etwas anderes″, zeigt Siekiera sich beeindruckt. Über 400 Musiker übernachten allein in der Angelaschule. Malena Linnemann beobachtet: „ Es gibt viele Gäste, die schon beim Frühstück ziemlich motiviert sind.″ Andere hingegen seien wohl noch etwas müde. „ Es ist jetzt ja auch noch früh″, entgegnet Siekiera um kurz nach acht Uhr. Die Freiwilligen an den sieben Standorten bereiten das Frühstück vor. Im Angebot: Brötchen mit Aufschnitt und süßen Aufstrichen, dazu Kaffee und Tee. Begleitet werden sie von 25 „ Kommando Verpflegung″-Mitarbeitern. Bei Schichtbeginn, so erläutert Linnemann, richteten sie den Frühstückssaal mit Tischen und Stühlen her. Bis Schichtende um 10 Uhr gäben sie dann die Brötchen aus. Damit, so Linnemann, höre der Aufgabenbereich der Ehrenamtler aber nicht auf. „ Zwei Leute bewachen zu jeder Zeit den Abstellraum für die Instrumente der Orchester″, erklärt sie. So könnten die Musikfest-Teilnehmer zum Essen gehen oder die Stadt erkunden, ohne sich um ihre teuren Instrumente sorgen zu müssen. „ Wir sind einfach Ansprechpartner bei allen möglichen Problemen″, so Linnemann. Die Zusammenarbeit mit den Profis von „ Kommando Verpflegung″ funktioniere sehr gut, findet Malena Linnemann. Diesen Eindruck teilt auch Matthias Fischer, „ Kommando Verpflegung″-Inhaber: „ Die Kooperation mit den Leuten aus den Musikvereinen klappt gut. Sie hat auch den Vorteil, dass wir das Frühstück günstiger anbieten können.″ So müsse er mit weniger Mitarbeitern in Osnabrück vor Ort sein.„ Kommando Verpflegung″ sei, so erklärt Fischer, europaweit bei Großveranstaltungen im Einsatz. Dabei verwende der Caterer aber ausschließlich regionale Lebensmittel. So liefert die Osnabrücker Bäckerei Grave beispielsweise die Brötchen für „ Kommando Verpflegung″ – ganze 20 000 an der Zahl, wie Fischer verrät. Rund 4000 Musiker werden in den von „ Kommando Verpflegung″ betreuten Gemeinschaftsunterkünften so mit Brötchen versorgt.„ Kommando Verpflegung″ übernimmt an der Domschule mit einer mobilen Küche auch das Mittagessen in der Innenstadt, für das sich die Laienmusiker im Vorfeld anmelden konnten. Fischer schätzt, dass seine Firma am Samstag rund 2700 Mahlzeiten in der Innenstadt ausgeben werde. Bildtext: Frühstücksdienst in der Angelaschule: Inia Röwekamp, Hannah Siekiera und Malena Linnemann helfen beim Frühstück mit. Für sie stand außer Frage, dass sie sich beim Musikfest engagieren. Foto: Leon Walter Osnabrück Der blau-weiße Doppeldecker sorgt auf dem Theaterplatz für Aufsehen. Neugierige Passanten luken schon vor der Öffnung in den Bus und staunen über das detailverliebte Inventar und die Tatsache: Ja, der Bus ist tatsächlich ein Café! Rote samtige Polsterbänke, gehäkelte Lampenschirme, Vorhänge mit Rosenmuster und Fundstücke vom Trödelmarkt – beim Doppeldecker-Café dreht sich alles um Gemütlichkeit im English Cottage Style. Das fahrende Café versorgt die Besucher des Deutschen Musikfestes mit Kuchen, Suppe und Stullen. Der Bus ist Baujahr 1960 und fährt noch selbstständig, wenn auch nur kurze Strecken im Münsterland. Zweimal pro Woche steht der Bus auf dem Wochenmarkt in Ibbenbüren, wo der Eigentümer, Michèl Malcin wohnt. Malcin kommt aus Thüringen und war 15 Jahre lang Pastor, bevor ihn ein Burn-out mit Klinik-Aufenthalt zu einem Kurswechsel bewegte. Die Idee, eines Tages ein Café zum Wohlfühlen zu eröffnen, hatte Malcin immer im Hinterkopf. In seiner Krise wurde aus der Idee ein Projekt. Über Kleinanzeigen suchte er nach einem Doppeldecker und fand seinen Bus in Berlin. Für die Bank stellte er in einer Woche einen Business-Plan auf, dann wurde der Bus nach Ibbenbüren überführt. Zusammen mit seinem Vater arbeitete Malcin neun Monate lang jeden Tag an dem Doppeldecker, der in einem schlechten Zustand war. Fast alles machten die beiden selbst, nur die Polster und das herausklappbare Dach ließen sie von einer Firma fertigen. Im November 2018 eröffnete das Café. Hier sitzt Malcin in der zweiten Etage seines Doppeldeckers. Er ist zum ersten Mal mit seinem Bus in Osnabrück, und es gefällt ihm sehr gut. Es sei leicht, mit Osnabrückern ins Gespräch zu kommen, sagt er. Der erste Tag des Musikfests sei bereits super gelaufen, die Leute hätten Schlange gestanden, um einen der 45 Plätze zu bekommen. In der kleinen Küche wird es dann wuselig, aber Malcin und sein Team haben trotzdem für jeden ein paar nette Worte übrig. Der soziale Aspekt ist ihnen wichtig. Die Trinkgelder spenden sie, und manchmal verteilen sie Gutscheine an Obdachlose. Den Fairtrade-Kaffee beziehen sie direkt aus Nepal. Bei ihrem Essensangebot achten sie auf regionale Produkte. In Zukunft würde das Doppeldecker-Café gerne einmal pro Woche nach Osnabrück kommen, und es scheint, als wünschen sich das die Osnabrücker auch. Bildtext: Aus Ibbenbüren hat Michèl Malcin das außergewöhnliche Café nach Osnabrück gebracht. Foto: Jörn Martens
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Autor:
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thb, Thomas Wübker, Jan Kampmeier, Holger Jansing, Lea Becker, Stella Essmann, Leon Walter
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