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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Panne im Amt: Leinenzwang gilt nicht
 
Dürfen Hunde jetzt frei laufen?
Zwischenüberschrift:
Amt pennt: Osnabrücker Leinenzwang-Verordnung längst verjährt
Artikel:
Kleinbild
 
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Originaltext:
Osnabrück Eine Panne in der Osnabrücker Stadtverwaltung dürfte einigen Hundebesitzern ein Bußgeld ersparen. Denn die über Jahre gültige Leinenzwang-Verordnung lief im Jahr 2017 unbemerkt aus. Die Konsequenz: Die ganzjährige Anleinpflicht an vielen Orten im Stadtgebiet gilt nicht.

Dennoch darf derzeit kein Herrchen seinen Hund frei in der Natur herumlaufen lassen. Denn noch bis zum 15. Juli gilt die allgemeine Brut-, Setz- und Aufzuchtzeit zum Schutz wild lebender Tiere. Danach aber könnte es Leinen los″ heißen, wenn die Lokalpolitiker nicht rechtzeitig über eine Anschlussnorm beraten.

Enttarnt hat diese Lücke ein findiger Osnabrücker Rechtsanwalt. Doch wer von der Stadt schon erfolgreich zur Kasse gebeten wurde, sollte sich nicht zu früh freuen.

Osnabrück Da hätte die Verwaltung einen Wachhund gut gebrauchen können: Nach Recherchen unserer Redaktion verfügt Osnabrück bereits seit fast anderthalb Jahren über keine gültige Leinenzwang-Verordnung mehr. Die alte lief Ende 2017 unbemerkt aus, eine neue gibt es nicht. Dürfen Hunde in der Stadt jetzt frei herumlaufen?

Erst vor wenigen Tagen hatte ein Vorfall am Westerberg die Diskussion über den Leinenzwang neu entfacht. Ein Hund, von seinem Frauchen frei laufen gelassen, biss auf dem Kammweg einen jungen Hasen tot.

Die Hundehalterin machte sich damit möglicherweise der Jagdwilderei schuldig, verstieß vielleicht auch gegen das Tierschutzgesetz. Ganz sicher aber missachtete sie das niedersächsische Landeswaldgesetz, wonach der Vierbeiner hier unbedingt an der Leine hätte geführt werden müssen. Denn im Moment herrscht allgemeine Brut-, Setz- und Aufzuchtzeit, in der wild lebende Tiere in der freien Landschaft einem besonderen Schutz unterliegen.

Für viele andere Teile des Osnabrücker Stadtgebiets besteht kraft Ortsrecht sogar das ganze Jahr über eine Anleinpflicht. Besser gesagt: bestand. Denn die 2007 erlassene Verordnung über den Leinenzwang zum Schutz Erholungssuchender und wild lebender Tiere im Gebiet der Stadt Osnabrück″, die bei Zuwiderhandlungen Geldbußen bis zu 5000 Euro vorsieht, ist von der Verwaltung unbemerkt längst außer Kraft getreten.

Fristgemäß verlor sie bereits am 31. Dezember 2017 ihre Gültigkeit. Ersatz? Fehlanzeige. Faktisch ist damit die ganzjährige Anleinpflicht in Osnabrück weiträumig abgeschafft.

Ob am Rubbenbruchsee oder in der Gartlage, ob im Natruper-, Leyer- oder Heger Holz, ob im Bürgerpark oder im Stadtpark Schölerberg: Überall dort sowie auf zig kleineren und größeren Flächen insbesondere am Stadtrand stellt es folglich keine Ordnungswidrigkeit mehr dar, Hunde außerhalb der Brut-, Setz- und Aufzuchtzeit nicht an einer biss- und reißfesten Leine″ zu führen.

Betrachten lässt sich das ganze Ausmaß anhand einer Karte im Internet, auf der die Stadt Hundehalter über Verbotszonen und - zeiträume informiert: Alles, was darauf lila-kariert ist, basiert auf der ungültigen Leinenzwang-Verordnung könnte man sich im Moment also genauso gut wegdenken.

Hellblau schraffierte Bereiche kennzeichnen dagegen die vorübergehende Anleinpflicht gemäß Landeswaldgesetz. Ganzjähriger Leinenzwang besteht demnach in Osnabrück gegenwärtig nur auf Friedhöfen (grün) sowie in der Innenstadt (gelb). Beides ist im Ortsrecht an anderer Stelle geregelt.

Vor diesem Hintergrund drängt sich folgender Verdacht auf: Verstöße gegen die Osnabrücker Leinenzwang-Verordnung wurden von der Stadt zwischen Neujahr und Ende März 2018 sowie zwischen 16. Juli 2018 und Ende März 2019 zu Unrecht geahndet. Sprich: Hundehalter wurden ohne Grund zur Kasse gebeten.

Auf Anfrage unserer Redaktion bestätigt Ordnungsamtsleiter Jürgen Wiethäuper: Ja, in der Tat dürfte es im fraglichen Zeitraum zu unberechtigten Forderungen gekommen sein.″ Alles andere wäre bei einer Menge von knapp 6200 registrierten Hunden auch verwunderlich. In welchem Umfang jedoch Bürger belangt wurden, bleibt offen. Wegen der Löschungsfristen können keine belastbaren Zahlen mehr ermittelt werden.″

Fest steht allerdings: Wer gezahlt hat, obwohl er wie sich jetzt herausstellt gar nicht gemusst hätte, sieht von dem Geld nichts wieder. Wiethäuper erklärt: Verwarnungsgeld-Fälle werden durch Zahlung rechtskräftig.″

Dass die Leinenzwang-Verordnung für Osnabrück überhaupt verjähren konnte, hält der Ordnungsamtsleiter für ein behördliches Versehen. Normalerweise kämen solche Bestimmungen rechtzeitig auf Wiedervorlage. Wie die Panne im vorliegenden Fall auffiel?

Den entscheidenden Hinweis lieferte der Osnabrücker Anwalt Caspar David Hermanns. Nachdem einer seiner Mandanten kurz nach dem Hasenbaby-Riss beim Gassigehen nahe dem Botanischen Garten ins Visier einer städtischen Hunde-Patrouille geraten waren, ließ sich der Jurist vom Amt die Leinenzwang-Verordnung schicken. Und sah: Die einschlägigen Paragrafen haben ihr Verfallsdatum längst überschritten.

Sollte es noch offene Verfahren wegen vermeintlicher Verstöße gegen die Anleinpflicht auf ortsrechtlicher Grundlage geben, kann das Ordnungsamt diese jetzt alle einstampfen″, stellt Hermanns im Gespräch mit unserer Redaktion fest. Zudem sei Eile geboten, um die entstandene Rechtslücke zu schließen. Sonst dürfen ab Mitte Juli, wenn die Brut-, Setz- und Aufzuchtzeit endet, fast überall in Osnabrück die Hunde frei herumlaufen.″

Dazu Ordnungsamtsleiter Wiethäuper: Eine neue, gründlich überarbeitete Leinenzwang-Verordnung wird bereits erstellt und dem Rat Ende Juni zur Entscheidung vorgelegt.″ Ein nahtloser Übergang sei kein Problem.

Bildtext:
Hunde dürfen in Osnabrück bald an vielen Stellen frei herumlaufen, wenn die Stadt nicht bis Mitte Juli eine Lücke im Ortsrecht schließt.
Foto:
Michael Gründel

Landesgesetz

Auszug aus § 33 Niedersächs. WaldLG:

Pflichten zum Schutz vor Schäden

(1) In der freien Landschaft ist jede Person verpflichtet,

1. dafür zu sorgen, dass ihrer Aufsicht unterstehende Hunde

a) nicht streunen oder wildern und

b) in der Zeit vom 1. April bis zum 15. Juli (allgemeine Brut-, Setz- und Aufzuchtzeit) an der Leine geführt werden, es sei denn, dass sie zur rechtmäßigen Jagdausübung, als Rettungs- oder Hütehunde oder von der Polizei, dem Bundesgrenzschutz oder dem Zoll eingesetzt werden oder ausgebildete Blindenführhunde sind.

Kommentar
Leinen los?!

Bissiger Hund versus zahnloser Papiertiger: In Osnabrück ist der ganzjährige Leinenzwang für weite Teile der Stadt aufgehoben, weil die zugehörige Verordnung unbemerkt ihr Verfallsdatum überschritt. Und das bereits Ende 2017.

Erst jetzt hat ein findiger Rechtsanwalt die Regelungslücke entdeckt und mit seinem Hinweis ans Ordnungsamt schlafende Hunde geweckt. Auch bei den Bürgern dürfte diese Behördenpanne für tierisch Aufregung sorgen. Ob sie dem besten Freund des Menschen nun zugetan sind oder nicht.

Auf der einen Seite die Hundehalter: Manche von ihnen werden sich ärgern, weil sie in den vergangenen anderthalb Jahren wegen vermeintlicher Verstöße gegen die Anleinpflicht zu Unrecht abkassiert wurden. Viele werden sich jedoch schadenfroh auf die Schenkel klopfen und hoffen, ihren mehr oder weniger gut erzogenen Haustieren schon bald wesentlich mehr Auslauf in der freien Landschaft gewähren zu dürfen als bisher.

Auf der anderen Seite steht die mutmaßlich große Mehrheit der Osnabrücker, die genau das fürchtet und aufgrund der fehlenden Vorschrift anscheinend auch fürchten muss: beim Spaziergang oder Radeln im Grünen ab Mitte Juli plötzlich von lauter fremden, unkontrolliert umhertollenden Vierbeinern beschnuppert, angesprungen, abgeleckt, vielleicht sogar gebissen zu werden.

Letzte Ratssitzung vor den Sommerferien ist am 25. Juni. Liegt bis dahin keine neue Leinenzwang-Verordnung zur Verabschiedung vor, heißt es mit Ende der Brut-, Setz- und Aufzuchtzeit in Osnabrück wohl: Leinen los! s.stricker@ noz.de
Autor:
Sebastian Stricker


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