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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Kritik an Ratsentscheidung zum Herder-Haus
Zwischenüberschrift:
Stadt will alte Flatauer-Villa nicht kaufen / Bürgerverein, SPD und Grüne geben nicht auf
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Die Entscheidung des Stadtrats, das Haus an der Herderstraße nicht zu kaufen, ist nach Informationen unserer Zeitung nicht einstimmig ausgefallen: So gab es Fraktionen, die es trotz des desolaten Zustands gekauft hätten und sich nach wie vor weitere Verhandlungen wünschen.

Osnabrück Seit mehr als 15 Jahren steht das Haus an der Herderstraße 22 leer. Einst gebaut von der jüdischen Unternehmerfamilie Flatauer, musste diese es 1938 zu einem Spottpreis verkaufen. Die Familie floh: Während die Söhne Kurt und Hans sich ein neues Leben im Ausland aufbauen konnten, wurden ihre Eltern Raphael und Alma in Auschwitz ermordet.

Das Haus selbst wurde von den neuen Besitzern als Mieteinnahmequelle genutzt, in den vergangenen Jahren jedoch von der damals schon sehr alten Besitzerin stark vernachlässigt.

Der Bürgerverein Katharinenviertel setzt sich seit Längerem für einen Erhalt des Hauses ein. Daher war die Hoffnung groß, dass nach dem Tod der Besitzerin die Fraktionen des Rats der Stadt ihre in der Vergangenheit mehrmals getätigte Absicht wahr machen und das Haus kaufen würden.„Eine Schande″

Tatsächlich schienen die Voraussetzungen dafür auch gegeben: Die Erben der Frau wendeten sich nach Informationen unserer Redaktion zuerst an die Stadt Osnabrück und boten als Verhandlungsgrundlage für den Kaufpreis den geschätzten Bodenrichtwert an. Das wären etwa 340 000 Euro. Doch mit der Entscheidung des Rates, sich gegen den Kauf der Immobilie auszusprechen, ist das Thema nun offenbar vom Tisch″, wie Pressesprecher Sven Jürgensen sagt.

Manfred Haubrock, Vorsitzender des Bürgervereins, ist darüber entsetzt: Es ist eine Frechheit und zugleich eine Schande, wie die Verwaltung und die Ratsmehrheit mit ihrer Entscheidung über die Zukunft des Hauses mit dem hochsensiblen Thema umgehen.″

Ursprünglich war auch die CDU-Ratsfraktion von der Idee angetan, die Immobilie zu kaufen, sie zu restaurieren und dann Platz für Sozialwohnungen zu schaffen. Das wäre ideal gewesen″, erklärt Anette Meyer zu Strohen, Mitglied im Rat der Stadt Osnabrück, den Sinneswandel ihrer Fraktion. Doch nachdem die Verwaltung die baulichen Mängel des Gebäudes bei einer Begehung festgestellt habe, habe man sich aus Kostengründen gegen den Kauf entschieden. Bei der Begehung war ich selbst nicht dabei, aber das Haus scheint nicht zu retten zu sein″, so Meyer zu Strohen.

Hartmut Böhm vom Bürgerverein Katharinenviertel kann das nicht glauben: Ich wohne direkt gegenüber und bin seit vielen Jahren direkter Zeuge des Verfalls.″ Dennoch könne das Haus in keinem so desolaten Zustand sein: Das Dach ist einwandfrei. Allein deshalb müssten die Grundmauern noch gut erhalten sein. Der Kaufpreis ist für diese Lage mehr als angemessen und wenn man Mittel aus verschiedenen Töpfen nutzt, müsste es zu retten sein.″

Die Grünen wünschen sich weitere Gespräche in der Sache. Wir würden uns freuen, wenn die Verhandlungen zum Erwerb des Hauses ergebnisoffen weitergeführt würden trotz der schwierigen Umstände. Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Rat diesen Weg nicht weiterverfolgen will. Damit vergeben wir eine wichtige Möglichkeit, sich der leidvollen Geschichte unserer Stadt und unserer Bürgerinnen und Bürger in der NS-Zeit an einem konkreten Ort aktiv zu erinnern. Die Entscheidung, die Verhandlungen abzubrechen, ist aus unserer Sicht vorschnell geschehen. Wir appellieren an den Rat, sich keiner Lösung zu verschließen, die eine Perspektive mit dem Haus ermöglicht″, sagt Volker Bajus, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Stadtrat.Hilfe von Sponsoren

Ähnlich sehen das Frank Henning, SPD-Fraktionsvorsitzender im Osnabrücker Rat, und Heiko Schlatermund, kulturpolitischer Sprecher der SPD: Wir sind überzeugt davon, dass der hohe Renovierungsaufwand mithilfe von Sponsoren und Mäzenen für die Stadt Osnabrück niedrig gehalten werden könnte. Es wäre eine verpasste Chance, wenn man dieses Stück Osnabrücker Geschichte leichtfertig aufgeben würde. Die SPD-Fraktion wird sich weiterhin für den Erhalt der Herderstraße 22 einsetzen und hofft auf Unterstützung der anderen Ratsfraktionen.″ Fraktionsübergreifend könne mit entsprechenden Fachleuten ein Nutzungskonzept erarbeitet werden und dieser Ort ein weiterer Baustein für die Erweiterung der Erinnerungskultur in der Friedensstadt Osnabrück sein. Die SPD-Fraktion hat hier die klare Meinung: Wir würden selbstverständlich das Gebäude kaufen″, so Henning und Schlatermund weiter.

Dass die Entscheidung in einer nicht öffentlichen Ratssitzung gefällt wurde, lässt sich mit Persönlichkeitsrechten begründen. Denn im Baubereich geht es unter anderem um persönliche Angaben zu Besitzverhältnissen. Um zu verhindern, dass diese in die Öffentlichkeit gelangen, habe man den Sachverhalt in den nicht öffentlichen Teil der Ratssitzung gelegt.

Bildtexte:
Die Tür war Anfang der frühen 1930er-Jahre der Eingang für die Dienstboten. Die zerbrochenen Fensterscheiben wurden vor einiger Zeit entfernt und die Rahmen mit Holzplatten verschlossen.
Das Haus an der Herderstraße verfällt zusehends. Die einstige Villa ist mittlerweile ein Schandfleck an der Straße. Wird das Haus noch vor dem Abriss gerettet? Die Zukunft des Gebäudes bleibt nach wie vor ungewiss.
Raphael und Alma Flatauer ließen die Villa 1929 bauen. Sie wurden von den Nazis verfolgt, mussten das Haus verkaufen und flüchteten nach Berlin. Von dort aus wurden sie deportiert und in Auschwitz ermordet.
Fotos:
Michael Gründel, Gert Westdörp, Archiv/ Palter
Autor:
Corinna Berghahn, Kathrin Pohlmann
Themenlisten:


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