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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Wie belastet ist das deutsche Wasser?
 
„Es steht schlecht um Deutschlands Gewässer″
Zwischenüberschrift:
Streit über schärfere Düngeregeln: Land Niedersachsen und Bauern warnen
 
Präsidentin des Umweltbundesamtes: Nur sieben Prozent der Flüsse und Bäche in gutem Zustand
Artikel:
Kleinbild
 
Kleinbild
Originaltext:
Braucht Deutschland zum Schutz des Grundwassers noch strengere Düngeregeln für Bauern? Ja, sagen die EU, die Bundesregierung, das Umweltbundesamt und die Wasserversorger. Nein, sagen Bauern und Niedersachsens Agrarministerin.

Osnabrück Heute ist Weltwassertag. Das Nass kam heute Morgen vermutlich problemlos und in bester Qualität aus Ihrem Wasserhahn. Das liegt auch daran, dass es strenge Grenzwerte für das Grundwasser gibt, aus dem drei Viertel des Trinkwassers gewonnen werden. Mit diesen Werten hat Deutschland aber seit Jahren Probleme und wurde deswegen vor dem Europäischen Gerichtshof verurteilt.

Maria Krautzberger, Präsidentin des Umweltbundesamtes, listet die letzten verfügbaren Daten von 2015 auf: 418 der 1200 Grundwasserkörper in Deutschland sind in einem schlechten Zustand. Das sind fast 35 Prozent. Der Großteil dieser Grundwasserkörper, nämlich 325, hält die Qualitätsnorm für Nitrat nicht ein.″ Der Verursacher sei hier im Wesentlichen die Landwirtschaft. Beim Düngen gelange das Nitrat in die Umwelt und im schlechtesten Fall bis ins Grundwasser. Im Trinkwasser ist es potenziell schädlich für Menschen.

50 Milligramm Nitrat in einem Liter Grundwasser sind erlaubt. Vielerorts wird dieser Grenzwert aber nicht eingehalten. Die alte Bundesregierung legte 2017 eine verschärfte Düngeverordnung vor. Aber die so stellte sich in diesem Jahr heraus reicht der EU-Kommission nicht. Besonders in gefährdeten Gebieten mit viel Tierhaltung müssten noch strengere Regeln her. Das sieht auch UBA-Chefin Maria Krautzberger so: Es ist absolut notwendig, dass nachgebessert wird.″ Die neue Bundesregierung um Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) hat Vorschläge für eine Reform der Reform nach Brüssel geschickt. Die sind aber selbst innerhalb der Union hoch umstritten. Und: Die EU-Kommission signalisierte bereits, dass ihr die Pläne erneut nicht ausreichen.

Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) sagte unserer Redaktion, es wäre richtig und sinnvoll″ gewesen, die neue Düngeverordnung erst einmal wirken zu lassen, bevor sie gleich wieder reformiert wird. Dass dieser Schritt nun nicht erfolgt, sondern eine weitere Verschärfung droht, ist kaum zu vermitteln. Die Konsequenzen für den Agrarbereich sind enorm″, sagt die Ministerin. Sie kritisiert damit die Verschärfungen, die die Bundesregierung auf Druck von Brüssel hin plant. Besonders umstritten: In nitratbelasteten Gebieten und das sind weite Teile von Schleswig-Holstein, Niedersachsen oder Westfalen soll die Düngung pauschal um 20 Prozent reduziert werden. Otte-Kinast sagt: Wenn aufgrund der neuen Vorgaben die Pflanzen unterversorgt sind und plötzlich kein Backweizen mehr angebaut werden kann, sondern nur Futterweizen, dann hat das direkten Einfluss auf das Einkommen landwirtschaftlicher Familienbetriebe.″ Es drohe ein echter Strukturbruch.

Das sieht auch Bauernpräsident Joachim Rukwied so. Die Erzeugung von Qualitätsweizen sei nicht mehr gesichert. Die pauschale Reduzierung nennt er schlicht fachlichen Unsinn″. Je nach Region seien Ackerbau- und Gemüsebetriebe und Tierhalter massiv betroffen. Folge wäre, dass zahlreiche Tierhalter ihre Viehbestände reduzieren müssten und ihre wirtschaftliche Zukunft gefährdet wäre.″

Die Wasserwirtschaft sieht das anders. Martin Weyand, beim Dachverband BDEW für Wasser und Abwasser zuständig, sagt: In den nitratgefährdeten Gebieten müsse der Stickstoffbedarf so weit reduziert werden, dass Grenzwerte eingehalten werden. Weyand sagt sogar: Die vorgeschlagene pauschale Reduzierung um 20 Prozent kann nicht ausreichen.″

Das Bundesagrarministerium teilt derweil mit, der Bund und die Länder würden die Bauern in dieser schwierigen Situation nicht alleinlassen. Unter anderem soll geprüft werden, wie Gülle effektiver in Regionen ohne große Tierhaltung, aber mit viel Ackerbau transportiert werden kann.

Bildtext:
TAG DES WASSERS: Das lebensnotwendige Nass ist ein Politikum auch zwischen Berlin und Brüssel.
Foto:
dpa/ Jens Büttner

Kommentar
Ignoranz bei Düngung rächt sich doppelt

In Sachen Überdüngung baden die Landwirte von heute die Versäumnisse der vergangenen Jahrzehnte aus. Auch wenn das Gülleausfahren nach dem Motto Viel hilft viel″ lange Geschichte ist, in den Böden und im Grundwasser sind die Folgen in Form hoher Nitratwerte noch heute messbar. Im Vertrauen darauf, dass man das Schlimmste schon irgendwie abwehren kann, haben Agrarpolitiker die seit 1991 (!) gültige EU-Nitratrichtlinie zu lange ignoriert.

Diese jahrzehntelange Missachtung rächt sich nun doppelt: Die EU macht Druck und verlangt von Deutschland Nachschärfungen der erst seit 2017 gültigen Düngeverordnung. Zeitgleich scheint die aktuell zuständige Bundesagrarministerin kein Interesse zu haben, sich in Brüssel für die deutschen Landwirte stark- zumachen. Statt als oberste Lobbyistin der Agrarwirtschaft lautstark technische Fortschritte bei der Düngung zu loben und Anlagen zur Gülleaufbereitung zu forcieren, bleibt Julia Klöckner weitgehend stumm. Und das, obwohl die Folgen schärferer Auflagen für Niedersachsens nach der Autoindustrie größte Branche dramatisch wären. Denn weniger Tiere, schlechteres Gras und Getreide und schrumpeligeres Gemüse als Folge der EU-Vorgaben setzen nicht nur die Erzeuger unter Druck, sondern auch die Unternehmen, die von und mit der Landwirtschaft leben. k.wieschemeyer@ noz.de

Das Umweltbundesamt zeigt sich besorgt angesichts des Zustandes der Gewässer in Deutschlands. Behördenchefin Maria Krautzberger sagt, nur wenige Flüsse und Bäche seien in einem guten Zustand. Auch zum Thema Nitrat im Grundwasser äußert sie sich.

Frau Krautzberger, in Ihrer Behörde laufen die Messdaten zum Zustand der Gewässer in Deutschland zusammen. Wie steht es um Flüsse, Bäche und Seen? Zum Tag des Wassers muss man leider feststellen, dass es um die Gewässer nicht gut steht. Nur sieben Prozent der Flüsse und Bäche befinden sich in einem guten ökologischen Zustand, bei Seen nur 26 Prozent. Das ist insgesamt ein schlechtes Ergebnis. In Norddeutschland fallen die Ergebnisse besonders schlecht aus. Das hängt mit der intensiven Nutzung der Böden beispielsweise durch die Landwirtschaft zusammen.

Was bedeutet diese Zustandsbeschreibung? Beim ökologischen Zustand geht es darum, wie es um Fische im Gewässer steht, welche Pflanzen im und um das Gewässer wachsen also die Artenvielfalt. Viele Gewässer sind mittlerweile sehr weit davon entfernt, dass man sie noch natürlich nennen könnte. Wann sieht man in Deutschland noch einen Fluss, der nicht begradigt ist und eine natürliche Ufervegetation hat?

Diskutiert wird vor allem über den chemischen Zustand.Hier gilt mit Blick auf die jüngsten Daten aus dem Jahr 2016: Der chemische Zustand der Flüsse und Bäche ist nirgendwo gut, sie geben ein ziemlich trauriges Bild ab. Die Nährstoffbelastung der Gewässer zählt zu den größten ökologischen Problemen, die Deutschland hat. Die EU-Wasserrahmenrichtlinie macht uns Vorgaben. Aber wir erreichen vielfach die Ziele nicht, die wir uns gesetzt haben. Unser Ziel ist es, die Gewässer in einen guten Zustand zu bringen. Davon sind wir noch weit entfernt.

So viel zum Wasser oberhalb der Erde. Wie steht es ums Grundwasser? Stichwort: Nitrat.Die Bewertung des chemischen Zustands des Grundwassers aus dem Jahr 2015 nach den Vorgaben der EU-Wasserrahmenrichtlinie zeigt: 418 der 1200 Grundwasserkörper in Deutschland sind in einem schlechten Zustand. Das sind fast 35 Prozent. Der Großteil dieser Grundwasserkörper, nämlich 325, hält die Qualitätsnorm für Nitrat in Höhe von 50 mg/ l nicht ein. Der Verursacher ist hier im Wesentlichen die Landwirtschaft. In Sachen Pflanzenschutzmittel-Rückstände fallen 2, 7 Prozent negativ auf. Was uns Sorgen macht: Es ist bislang ja gar nicht alles im Grundwasser angekommen, was noch in den Böden ist. Bis diese Altlasten unten ankommen, dauert das eine gewisse Zeit.

Es gibt Kritik seitens der Landwirtschaft an den Messergebnissen, weil Sie nur dort messen, wo die Werte erwartbar schlecht sind.Die Kritik kennen wir. Ja, wir messen dort, wo besondere Belastungen zu erwarten sind oder sie tatsächlich hoch sind. Da werden wir auch weiter messen. Wir müssen eben in den belasteten Regionen wissen, ob sich die Situation dort verbessert.

Aber repräsentativ ist das nicht. Und auf Basis dieser Daten ist Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof verurteilt worden.Es ist so repräsentativ, wie die EU es fordert. Die Länder betreiben es entsprechend den Regeln seit 20 Jahren. Die EU-Nitratrichtlinie fordert, dass wir dort messen, wo die Belastung vermutlich hoch ist. Genau das machen wir.

Deutschland hat die Düngeverordnung verschärft, um das Grundwasser besser zu schützen. Gibt es schon messbare Effekte? Nein. Das wird noch einige Jahre dauern. Wir gingen aber ohnehin davon aus, dass die Reform nicht den durchschlagenden Erfolg bringen wird. Die Düngeverordnung wird deswegen jetzt noch einmal nachgebessert. Aber auch dann wird es dauern, bis wir Effekte sehen.

Hätte man nicht auch erst einmal abwarten können, ob die Reform wirkt, bevor man die Reform noch einmal reformiert? Die EU-Kommission hat uns verklagt, und wir befürchten, dass die ursprüngliche Nachbesserung nicht reicht, um die Klage abzuwenden. Es ist absolut notwendig, dass nachgebessert wird.

Ist es überhaupt möglich, den Grundwasserzustand zu verbessern, ohne dass man die Zahl der Nitrat-Produzenten, also der Nutztiere, reduziert? Nicht flächendeckend, aber gerade in Nordwestdeutschland ist die Grundwasserbelastung ein agrarstrukturelles Problem. Da ist mit dem intensiven Ausbau der Tierhaltung der falsche Weg eingeschlagen worden aus Umweltsicht. Wir müssen also auch über die Zahl der Tiere reden, die in einer Region gehalten werden. Weniger Tiere bedeutet weniger Gülle und damit weniger Nitrat.

Vergangenen Sommer wurde aufgrund der Dürre mancherorts das Wasser knapp. Müssen wir beim Wasser mehr sparen? Wir haben in Deutschland kein grundsätzliches Wasser-Problem. Aber: Unser persönlicher Wasserverbrauch durch den Konsum von Produkten von der Tomate bis zum Auto ist weitaus höher als das, was aus unserem Wasserhahn oder dem Duschkopf kommt. Direkt verbrauchen Deutsche im Schnitt pro Kopf und Tag 121 Liter Wasser. Wir importieren aber quasi auch Wasser über Produkte, die zur Erzeugung Wasser benötigen. Faktisch liegt unser Wasserfußabdruck pro Kopf und Tag bei 7700 Litern. Und wenn dieses importierte Wasser aus Regionen kommt, in denen es knapp ist, sollte uns das zu denken geben.

Und was sind die Lehren aus dem letzten Sommer? Der Dürresommer 2018 hat gezeigt, dass wir an Grenzen kommen. Wenn in einigen Regionen 27 Prozent der Grundwasserkörper zu hohe Nitratwerte aufweisen, stellt das Wasserversorger in Dürreperioden vor Probleme. 2018 konnten die Versorger das vielleicht noch ausgleichen, indem Wasser aus anderen Brunnen gezogen wurde. Es ist abzusehen, dass es Regionen in Deutschland geben wird, in denen Wasserversorger die Versorgung nicht mehr ganzjährig sicherstellen werden können. Das Wasser muss dann von weit her geholt werden und das kostet.

Bildtext:
Maria Krautzberger
Foto:
dpa
Autor:
Dirk Fisser, Klaus Wieschemeyer


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