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1.
Erscheinungsdatum:
21.03.2019
aus Zeitung:
Neue Osnabrücker Zeitung/ Neue OZ
Überschrift:
Stadt will alte Villa nicht kaufen
Wird Haus an Herderstraße abgerissen?
Zwischenüberschrift:
Mehrheit im Stadtrat entscheidet sich gegen den Kauf der alten Villa der Familie Flatauer
Artikel:
Originaltext:
Osnabrück
Das
heruntergekommene
Haus
an
der
Herderstraße
22
steht
seit
einigen
Monaten
zum
Verkauf.
Es
gehörte
einst
der
jüdischen
Unternehmerfamilie
Flatauer.
Die
Eltern
und
ihre
Söhne
wurden
verfolgt
und
mussten
fliehen.
Die
Söhne
überlebten,
die
Eltern
wurden
in
Auschwitz
ermordet.
Die
Stadt
hatte
schon
seit
Längerem
Interesse
an
der
Immobilie
bekundet.
Ideen
von
Mitgliedern
des
Stadtrates,
dort
einen
Ort
der
Erinnerung
zu
schaffen,
standen
im
Raum.
Eine
Mehrheit
im
Rat
hat
in
einer
nichtöffentlichen
Sitzung
in
der
vergangenen
Woche
entschieden,
die
Immobilie
nicht
zu
kaufen.
Das
Haus
steht
seit
Jahren
leer.
Nach
Informationen
unserer
Redaktion
sind
aufwendige
Sanierungsarbeiten
und
damit
verbundene
Kosten
für
die
Instandsetzung
nötig,
um
die
Immobilie
vor
dem
Verfall
zu
retten.
Es
scheint,
als
seien
die
Tage
des
Hauses
an
der
Herderstraße
22
gezählt.
In
der
nicht
öffentlichen
Sitzung
des
Rates
der
Stadt
in
der
vergangenen
Woche
war
die
heruntergekommene
Villa
Thema.
Das
Ergebnis
verspricht
wohl
nichts
Gutes
für
die
Zukunft
des
Hauses.
Osnabrück
Nach
Recherchen
unserer
Redaktion
ging
es
in
der
Sitzung
um
zwei
konkrete
Vorschläge
für
das
Haus.
Erstens:
mit
der
Inhaberin
Ankaufsverhandlungen
aufzunehmen.
Zweitens:
von
einem
Ankauf
abzusehen.
Aber
von
vorne:
Das
Haus
an
der
Herderstraße
wurde
1929
von
der
jüdischen
Unternehmerfamilie
Flatauer
erbaut.
Am
3.
Dezember
1938
erlegten
die
Nazis
in
der
„
Verordnung
über
den
Einsatz
des
jüdischen
Vermögens″
Juden
unter
anderem
auf,
ihre
Gewerbebetriebe
zu
verkaufen
oder
abzuwickeln
und
ihren
Grundbesitz
zu
veräußern.
Die
Flatauers
waren
von
der
Verordnung
nicht
ausgenommen.
Im
Juni
1939
wurde
die
Zwangsversteigerung
ihres
Wohnhauses
an
der
Herderstraße
22
angeordnet,
so
steht
es
im
Kaufvertrag
von
damals.
Doch
der
Ablauf
des
Verfahrens
ist
nicht
abschließend
geklärt,
denn
letztendlich
kam
es
zum
Verkauf
des
Hauses.
Die
Söhne
der
Flatauers
konnten
Nazideutschland
noch
rechtzeitig
verlassen,
die
Eltern
wurden
in
Auschwitz
ermordet.
Zwei
Stolpersteine
vor
dem
Haus
erinnern
an
sie.Steht
Abriss
bevor?
Ein
Landwirt
aus
dem
Osnabrücker
Landkreis
erwarb
das
Gebäude
für
einen
Spottpreis.
Es
wurde
weiter
an
die
Tochter
des
Landwirts
vererbt.
Viele
Jahre
lebten
Mieter
in
dem
Haus.
Die
ursprünglich
von
den
Flatauers
erbaute
Villa
im
Bauhausstil
wurde
mehrfach
von
den
neuen
Besitzern
umgebaut.
Das
Flachdach
musste
einem
spitzen
Dach
weichen.
Durch
die
vielen
baulichen
Veränderungen
besteht
bei
dem
Gebäude
kein
Denkmalschutz.
Mittlerweile
steht
es
lange
leer
und
verfällt
zusehends.
Von
den
vielen
Kaufinteressenten
wollte
die
Besitzerin
nichts
wissen.
Sie
starb
im
vergangenen
Jahr.
Die
Besitzverhältnisse
änderten
sich
daraufhin,
und
nun
steht
das
Haus
offenbar
zum
Verkauf.
Denn
die
Stadt
hat
nach
Informationen
unserer
Redaktion
Kontakt
zu
der
Besitzerin
aufgenommen
und
steht
in
Verhandlungen
mit
ihr.
Wird
das
Haus
nun
abgerissen?
Vieles
deutet
darauf
hin,
denn
die
Stadt
will
die
alte
Villa
nicht
retten.
Sie
ist
anscheinend
raus
aus
dem
Rennen
um
das
begehrte
Grundstück.
„
Der
Verwaltungsausschuss
hat
beschlossen,
dass
die
Stadt
das
Haus
nicht
kaufen
solle″,
antwortet
Pressesprecher
Sven
Jürgensen
auf
Anfrage.
Eine
knappe
Mehrheit
im
Rat
soll
sich
in
der
Ratssitzung
gegen
den
Kauf
der
Immobilie
ausgesprochen
haben.
Nach
Informationen
unserer
Redaktion
geht
der
Rat
bei
einer
Grundstücksgröße
von
795
Quadratmetern
und
einem
Bodenrichtwert
von
aktuell
400
Euro
pro
Quadratmeter
von
einem
Kaufpreis
in
Höhe
von
318
000
Euro
aus,
zuzüglich
anfallender
Nebenkosten
lägen
die
Gesamtkosten
bei
rund
340
000
Euro.
Die
Verwaltung
hat
offenbar
auch
darüber
nachgedacht,
das
Grundstück
zu
kaufen,
das
Gebäude
abreißen
zu
lassen
und
den
Standort
als
Baugrundstück
zu
nutzen.
Die
Abrisskosten
liegen
nach
unseren
Informationen
bei
rund
100
000
bis
150
000
Euro.
Doch
auch
diese
Variante
ist
vom
Tisch.
Nach
Informationen
unserer
Redaktion
hat
sich
die
Verwaltung
im
Februar
selbst
ein
Bild
vom
Zustand
des
Hauses
gemacht
und
eine
Begehung
durchgeführt.
Es
sei
in
einem
desolaten
Zustand.
Seit
rund
15
Jahren
wurde
das
Gebäude
nicht
mehr
beheizt,
Strom,
Gas
und
Wasser
wurden
damals
abgestellt.
Es
sei
feucht
im
Inneren,
und
an
vielen
Stellen
habe
sich
Schimmel
gebildet.
Leitungen
und
Rohre
seien
veraltet
oder
amateurhaft
repariert
worden.
Putz
blättere
von
den
Wänden
und
Decken.
Das
Haus
hat
eine
Wohnfläche
von
250
Quadratmetern,
die
ehemals
weitläufigen
Etagen
seien
kleinteilig
in
zusätzliche
Wohnungen
aufgeteilt
worden.
Das
Parkett
ist
offensichtlich
im
Laufe
der
Jahre
verändert
worden
und
müsste
aufwendig
restauriert
werden.
Nach
Informationen
unserer
Zeitung
rät
die
Verwaltung
aufgrund
dieser
baulichen
Mängel
aus
Kostengründen
von
einem
Kauf
des
Gebäudes
ab.
Es
wären
umfassende
Sanierungsarbeiten
nötig,
um
das
Gebäude
wieder
in
den
ursprünglichen
Zustand
zu
versetzen,
heißt
es.
Bildtexte:
Was
passiert
mit
dem
leer
stehenden
Haus
mit
der
Hausnummer
22
an
der
Herderstraße?
Nachbar
Hartmut
Böhm
(l.)
setzt
sich
mit
dem
Bürgerverein
Katharinenviertel
für
den
Erhalt
des
Gebäudes
ein.
Böhm
hält
das
Familienalbum
von
Guri
Palter
in
der
Hand.
Palter
ist
der
Enkel
von
Raphael
und
Alma
Flatauer.
Er
war
im
Dezember
2017
das
erste
Mal
zu
Besuch
in
Osnabrück,
um
sich
das
Haus
seiner
Vorfahren
anzuschauen.
Foto:
Michael
Gründel,
Gert
Westdörp
Kommentar
Jetzt
ist
bürgerliches
Engagement
gefragt
Kein
privater
Investor
wird
das
Haus
instand
setzen
wollen,
denn
das
wäre
alles
andere
als
wirtschaftlich.
Die
Stadt
hat
ihre
Chance
vertan,
sich
einem
Teil
ihrer
braunen
Vergangenheit
zu
stellen
und
einen
Ort
der
Erinnerung
und
Begegnung
an
der
Herderstraße
22
zu
schaffen.
Natürlich
würde
eine
Sanierung
kostspielig
werden.
Doch
noch
bevor
genaue
Kosten
ermittelt
wurden,
bevor
überhaupt
versucht
wurde,
Stiftungen,
Vereine
oder
Initiativen
für
die
Finanzierung
mit
ins
Boot
zu
holen,
hat
die
Stadt
die
Flinte
ins
Korn
geworfen.
Das
ist
eine
Schande,
und
man
bekommt
den
Eindruck,
als
habe
die
Friedensstadt
ein
Problem
mit
ihrer
dunklen
Geschichte.
Denn
schon
die
Nussbaumvilla
wurde
in
den
1990ern
dem
Immobilienmarkt
überlassen.
Jetzt
ist
bürgerliches
Engagement
gefragt,
das
sich
in
Zeiten
von
aufkeimendem
Antisemitismus
und
Fremdenfeindlichkeit
für
so
eine
Begegnungsstätte
einsetzt.
Diese
muss
mit
Leben
erfüllt
werden,
es
müssen
Diskussionen,
Veranstaltungen
und
Ausstellungen
dort
stattfinden.
Denn
das
Haus
an
der
Herderstraße
ist
nicht
irgendeine
Immobilie
–
es
ist
eines
der
letzten
Gebäude
in
der
Stadt
mit
einer
Geschichte,
die
auch
nachfolgende
Generationen
kennen
sollten.
Eine
Geschichte
von
Reichtum
und
Raub,
Mord
und
Moral,
Osnabrück
und
Auschwitz.
k.pohlmann@
noz.de
Zur
Geschichte
Alles
begann
mit
der
Frage:
„
Warum
steht
mitten
im
Katharinenviertel
ein
Haus
seit
Jahren
leer?
″
Die
Recherchen
unserer
Redaktion
brachten
die
Geschichte
einer
Familie
ans
Licht,
deren
dunkles
Kapitel
erst
aufgeschlagen
werden
musste.
Das
jüdische
Ehepaar
Flatauer
kaufte
das
Grundstück
an
der
Herderstraße
22
im
März
1929.
Alma
und
Raphael
Flatauer
ließen
die
Villa
im
Bauhausstil
errichten.
Die
Familie
war
Inhaberin
der
Tuchgroßhandlung
„
Flatauer
und
Co.
KG″
in
der
Möserstraße
26
und
der
„
Großgarage
Osnabrück-
West″
in
der
Adolfstraße
60/
62.
Darüber
hinaus
besaßen
sie
drei
Häuser
in
der
Großen
Straße,
Nummer
27
bis
29.
Am
3.
Dezember
1938
erließen
die
Nazis
die
„
Verordnung
über
den
Einsatz
des
jüdischen
Vermögens″
.
Die
Flatauers
mussten
im
Juni
1939
die
Häuser
an
der
Großen
Straße
verkaufen.
Die
Großhandelsfirma
„
Flatauer
und
Co.″
wurde
am
23.
Dezember
1938
abgemeldet.
Ein
Jahr
später
war
die
Abwicklung
der
Firma
beendet.
Sie
hatten
nichts
mehr,
standen
vor
dem
Ruin.
Auch
das
Haus
an
der
Herderstraße
mussten
sie
verkaufen.
Besonders
bitter:
Nach
dem
Verkauf
waren
die
Flatauers
Mieter
in
dem
Haus,
das
sie
1929
für
sich
erbauen
ließen.
Alma
und
Raphael
verließen
Osnabrück
und
versuchten
ihr
Glück
in
Berlin.
Vergebens.
1943
wurden
sie
in
Auschwitz
ermordet
.
Die
Söhne
konnten
Deutschland
rechtzeitig
verlassen
–
Kurt
wanderte
nach
Palästina
aus.
Sein
Bruder
Hans
emigrierte
nach
London.
Nach
dem
Krieg
kommt
es
zum
Wiedergutmachungsprozess,
der
mit
einem
Vergleich
endete.
Die
Besitzerin
des
Hauses
musste
lediglich
eine
Ausgleichszahlung
in
Höhe
von
9000
DM
an
Kurt
Palter
und
Hans
Flatauer
entrichten.
Die
beiden
schwiegen
weitgehend
über
ihre
Vergangenheit
in
Osnabrück.
Für
die
Nachfahren
blieb
vieles
der
eigenen
Familiengeschichte
daher
lange
im
Dunkeln.
Erst
auf
Nachfrage
unserer
Redaktion
erwachte
die
Neugier.
Kurt
Palters
Sohn
Guri
lebt
in
Tel
Aviv.
Mit
seiner
Frau
Aviva
besuchte
er
im
Dezember
2017
Osnabrück
–
und
erfuhr
Dinge
über
seinen
Vater,
die
er
nicht
für
möglich
gehalten
hätte.
Seine
Osnabrücker
Vergangenheit
war
bis
dahin
ein
gut
gehütetes
Geheimnis.
Autor:
Kathrin Pohlmann