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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Prozess gegen Vonovia beginnt
 
Wie ein Vermieter Kosten auf Mieter abwälzt
Zwischenüberschrift:
Prozess wegen des Vorwurfs ungerechtfertigter Mieterhöhungen gegen Vonovia in Osnabrück
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück Beim Prozessauftakt wegen ungerechtfertigter Mieterhöhungen hat Vermieter Vonovia gestern vor dem Amtsgericht Osnabrück eingeräumt, dass der Austausch einer 37 Jahre alten Heizung Hintergrund für eine Mietsteigerung um monatlich 117 Euro war. Die Gesamtkosten für den Austausch der Anlage bezifferte Osnabrücks größter Wohnungsvermieter auf mehr als 52 000 Euro. 98 Prozent davon bezeichnete Vonovia als Modernisierungskosten, und nur zwei Prozent erkannte der Vermieter dabei als Instandhaltungskosten an. Der Anwalt des Osnabrücker Klägers, Andy Weichler, sagte: Einen Instandsetzungsanteil von lediglich 833 Euro für eine 37 Jahre alte Heizung zu berücksichtigen, die ihr Lebensende erreicht hat, ist auf jeden Fall nicht angemessen.″ Ein Urteil wurde noch nicht gesprochen.

Osnabrücks größter Wohnungsvermieter Vonovia hat Mieten in einem Osnabrücker Mehrfamilienhaus um monatlich 117 Euro erhöht, weil eine 37 Jahre alte Heizungsanlage erneuert wurde. Das räumte der von Vonovia beauftragte Anwalt beim Prozessauftakt wegen ungerechtfertigter Mieterhöhungen am Donnerstag vor dem Amtsgericht Osnabrück ein. Warum das sogar den Osnabrücker Kläger überraschte.

Osnabrück Bislang waren Kläger Bernd Mühle und seine Lebensgefährtin Iris Sieker davon ausgegangen, dass die Heizung mindestens 30 Jahre alt war. Sieker lebt seit 1986 in der Mietwohnung in der Kiwittstraße und konnte sich erinnern, dass die Heizungsanlage seither nicht ausgetauscht wurde. Allerdings hatte es ihren Angaben zufolge in den vergangenen Jahren immer wieder Probleme mit der Anlage und Heizungsausfälle gegeben.

An Silvester 2016 hatten Mieter Gasgeruch im Heizungskeller bemerkt und die Feuerwehr gerufen, die festgestellt habe, dass es in der Heizungsanlage zu einer Verpuffung gekommen sei. Laut Mühle und Sieker ist die Heizung daraufhin nur notdürftig repariert worden. Allerdings sei festgestellt worden, dass die Heizung so eigentlich gar nicht mehr betrieben werden dürfe. Die Gesamtkosten für den Austausch der Anlage wurden von Vonovia auf mehr als 52 000 Euro beziffert. 98 Prozent davon bezeichnete Vonovia als Modernisierungskosten, und nur zwei Prozent erkannte der Vermieter als Instandhaltungskosten an.

Demnach legte der Konzern 117 Euro auf die monatliche Miete der vier Mietparteien im Haus um. Hintergrund ist die Modernisierungsumlage, die es Vermietern bis 2018 erlaubt hat, dauerhaft pro Jahr elf Prozent der Modernisierungskosten auf die Jahresmiete umzulegen. Seit diesem Jahr dürfen Vermieter dauerhaft pro Jahr nur noch acht Prozent der Kosten für eine Modernisierung auf die Mieter abwälzen.

Die Richterin sagte, dass im Laufe der Gerichtsverhandlung die Frage geklärt werden müsse, ob nicht ohnehin eine neue Heizung hätte eingebaut werden müssen. In diesem Fall müsste von einer Instandhaltung gesprochen werden, und es wäre nicht zulässig, die Kosten auf die Mieter umzulegen. Das hätte zur Folge, dass die Kläger Mühle und Sieker die Mieterhöhung von 117 Euro nicht bezahlen müssten und das Geld, das bereits für die zu Unrecht erhöhte Miete bezahlt wurde, zurückbekommen. Möglich ist aber auch, dass es sich um eine modernisierende Instandsetzung handelt. In diesem Fall muss laut Richterin möglicherweise von einem Gutachter festgelegt werden, wie hoch bei dieser Maßnahme der Instandsetzungs- und der Modernisierungsanteil ist. Allerdings sprach sie auch davon, dass viele Hausbesitzer ihre Heizkessel laut Energieeinsparverordnung nach 30 Jahren tauschen müssen. Allerdings sind nur bestimmte Heizkessel nach 30 Jahren zu tauschen. Daher hänge es im vorliegenden Fall von der konkreten Art der Heizung ab, ob sie der Verordnung zufolge hätte getauscht werden müssen. Die Richterin konstatierte aber bereits: Zum Zeitpunkt des Austausches war die Heizanlage 37 Jahre alt. Das ist für eine solche Heizanlage ein nicht unbeträchtliches Alter.″

Der Rechtsanwalt, der Vonovia vertrat, äußerte sich nicht konkreter zum Sachverhalt, sondern wies im Rahmen der Güteverhandlung lediglich darauf hin, dass Vonovia einen Vergleich vor Gericht bereits im Vorfeld schriftlich ausgeschlossen hat. Mühles Rechtsanwalt Andy Weichler machte deutlich: Einen Instandsetzungsanteil von lediglich 833 Euro für eine 37 Jahre alte Heizung zu berücksichtigen, die ihr Lebensende erreicht hat, ist auf jeden Fall nicht angemessen.″

Die Richterin legte den sogenannten Verkündungstermin vor dem Amtsgericht Osnabrück (Sitzungssaal 155) auf Donnerstag, 31. Januar, 8.30 Uhr, fest. Es muss aber nicht zwingend ein Urteil verkündet werden. Wenn das Gericht bei der Beratung der Sache zu der Entscheidung kommt, dass eine abschließende Bewertung noch nicht möglich ist, kann es auch einen Beweisbeschluss erlassen. In diesem Fall könnte ein unabhängiger Gutachter ans Gericht bestellt werden.

Bernd Mühle ist der erste Osnabrücker Mieter, der infolge der großen Sanierungswelle, die bei den Vonovia-Häusern in Osnabrück vor einem Jahr in großem Stil begann, klagt. Nach Angaben von Vonovia wurden im vergangenen Jahr 543 Vonovia-Wohnungen in Osnabrück energetisch saniert. Dutzende Vonovia-Mieter haben sich nach drastischen Mieterhöhungen an den Mieterverein für Osnabrück und Umgebung gewandt.

Der Mieterverein-Geschäftsführer Carsten Wanzelius sagt, dass der Instandsetzungsanteil, der bei den ihm vorliegenden Fällen eigentlich zu berücksichtigen ist, deutlich höher liegt als der Anteil, der von Vonovia als energetische Modernisierung berechnet wird. Vonovia berechnet auf Basis der mir vorliegenden Unterlagen ungefähr 17 Prozent Instandsetzungsanteil auf die Gesamtkosten der Sanierungsmaßnahme. Tatsächlich sind erheblich höhere Anteile zu berücksichtigen″, sagte Wanzelius im Gespräch mit unserer Redaktion vor einem Monat. Wanzelius warf dem Dax-Konzern vor, dass die Wärmedämmung an der Fassade der Mietshäuser etwa in Osnabrück-Dodesheide äußerlich lediglich kaschiere, dass die Mietshäuser nur mangelhaft instandgesetzt worden seien. Wanzelius empfiehlt in solchen Fällen, der Mieterhöhung zu widersprechen: Wir raten unseren Mitgliedern, die Einzugsermächtigung zu widerrufen und die alte Miete zu zahlen.″ Der Mieterverein beantragt für seine Mitglieder bei Vonovia, die Mieterhöhung auszusetzen, und wenn der Vermieter damit nicht einverstanden sei, müsse der Konzern klagen und somit in Vorleistung gehen. Wanzelius sagte unserer Redaktion am Donnerstag, dass inzwischen zwei Verfahren, die der Mieterverein Osnabrück betreue, klagereif sind.

Vonovia-Konzernsprecher Max Niklas Gille hatte die Vorwürfe kommentiert: Wir modernisieren nicht, um die Mieter zu ärgern, sondern wollen ihnen langfristig ein schönes Zuhause bieten.″ Eine Trennung zwischen Modernisierungen und Instandhaltungen sei dem Konzern wichtig. Instandhaltungen führe Vonovia regelmäßig durch.

Bildtext:
Die Mieter Bernd Mühle (Mitte) und Iris Sieker klagen gegen Vonovia, weil ihre Miete nach dem Austausch einer 37 Jahre alten Heizung um monatlich 117 Euro erhöht wurde. Da die Heizung Rechtsanwalt Andy Weichler (r.) zufolge ohnehin hätte ausgetauscht werden müssen, hätte die Miete nach seiner Einschätzung gar nicht erhöht werden dürfen.
Foto:
Swaantje Hehmann

Kommentar
Mut wird belohnt

Wenn Mieter fast die kompletten Kosten für eine neue Heizungsanlage tragen sollen, obwohl die zu ersetzende Anlage 37 Jahre alt und nach Angaben der Mieter zudem defekt war, ist das schlicht unanständig. Das sagt schon der normale Menschenverstand. Das Mietrecht beschreibt es so: Erhaltungs- und Instandsetzungskosten dürfen in Modernisierungsmieterhöhungen nicht einbezogen werden.

Vonovia versucht, aus den Mietern das Maximale herauszupressen, um die Rendite des Dax-Konzerns zu steigern. Der Vermieter berücksichtigt zwar, dass Instandsetzungskosten laut Gesetz bei Mieterhöhungen nach Modernisierungen nicht berücksichtigt werden dürfen, aber eben nur zu einem minimalen Anteil im vorliegenden Fall liegt der berücksichtigte Instandsetzungsanteil bei zwei Prozent. 98 Prozent der Kosten wälzt Vonovia als vermeintlichen Modernisierungsanteil auf die Mieter ab. Wohl zu Unrecht, aber das muss dem Immobilienriesen vor Gericht bewiesen werden so wie es Iris Sieker und Bernd Mühle gerade machen. Ihr Mut wird voraussichtlich belohnt. Sie zeigen: Nur wer sich wehrt, kann gegen Vonovia auch gewinnen.
Autor:
Jean-Charles Fays


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