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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Als man Kinder in Matrosenanzüge steckte
Zwischenüberschrift:
Wie der Osnabrücker Karikaturist Fritz Wolf modische Grausamkeiten deutscher Eltern aufdeckte
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück Eltern glauben stets zu wissen, welche Kleidung ihren Sprösslingen wirklich steht auch wenn diese da ganz anderer Meinung sind. In der Modezeitschrift Brigitte″ nahm der Osnabrücker Karikaturist Fritz Wolf diese Unart 1978 aufs Korn und dürfte damit noch heute so manchen Zeitgenossen an eigene Leiden erinnern.

Ich war damals anständig angezogen″, doziert der Herr Papa mit einem Verweis auf das eigene Kinderfoto, das ihn im schmucken Matrosenlook zeigt. Während Vater auch daheim einen Anzug trägt und Mutter ein elegantes Kleid samt Pumps gewählt hat, grinsen die beiden halbwüchsigen Söhne ob ihrer beanstandungswürdigen T-Shirts und Jeans-Hosen.

Der Matrosenanzug ist eine Erscheinung, die den Karikaturisten sicherlich an die eigene Jugend erinnerte. Immerhin belegt ein Familienfoto der Mülheimer Familie Wolf mit Fritz und seinen sechs Geschwistern, dass zumindest für seine jüngeren Brüder das Seemannskleid ausgesprochen en vogue″ war. Später inszenierte sich der Zeichner unter anderem 1999 in seinem Grünkohl-Königs-Vortrag Ich bin ein Osnabrücker″ selbst im Matrosen-Outfit, sodass seine Erinnerung an diesen modischen Sonderweg weniger traumatisch zu sein scheint.

Die 1970er-Jahre markieren einen Umbruch, in dessen Verlauf die Konfektion von der Stange die selbst gestrickten oder - genähten Merkwürdigkeiten der Marken Mama″ oder Oma″ ablösten. Jeans von Levis oder Wrangler sollten es 1978 sein und oben drüber ein Bundeswehrparka, der tunlichst aus ausrangierten originalen Armeebeständen zu stammen hatte.

In den Kinderjahren vor der Pubertät kleideten besorgte Mütter ihre Kleinen ganz nach ihrem eigenen Geschmack, der dann jedoch im damals mit fünf Jahren beginnenden Kindergartenalter ersten, gleichwohl noch sehr verhaltenen Unmut auslösen konnte.

Wer sich indes als Jugendlicher noch von Muttern einkleiden ließ, hatte in der Schule oder bei den anderen Azubis einen schweren Stand. Als Peinlichkeitsfalle erwies sich häufig der Sportunterricht für Jungen: Der schweifende Blick lässiger Mitschüler in der Umkleidekabine offenbarte, wer im Winter eine lange Unterhose oder noch schlimmer eine Strumpfhose überstreifte und so auf ewig als uncool gebrandmarkt war.

Gleichwohl lag eine der Höchststrafen jener Jahre für die Babyboomer der 1960er-Jahre abseits der Kleiderfrage. Ihren Nachwuchs wünschten sich Mütter damals stets adrett und sauber zu sehen und da konnten Essensreste oder Schutz auf den Wangen den Blick erheblich trüben.

Zum Verdruss solcher Unglücklichen gehörte seinerzeit das Stofftaschentuch zur Standardausstattung jeder Damenhandtasche: Mit einem beherzt aufgetragenen Tropfen Spucke und unter kräftigem Reiben ließen sich verunreinigte Wangen schnell von Rückständen jeglicher Art befreien…

Zur Person: Hermann Queckenstedt ist Sprecher des Fritz-Wolf-Kuratoriums und Direktor des Diözesanmuseums Osnabrück.

Bildtexte:
Selbstbildnis im Matrosenanzug (aus Fritz Wolfs 1999 gehaltenem Grünkohl-Königs-Vortrag Ich bin ein Osnabrücker″)
In der Familie Wolf kleidete man den Nachwuchs gerne im Matrosenanzug.
Foto:
Archiv Fritz-Wolf-Gesellschaft
Autor:
Hermann Queckenstedt


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