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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
„Sozialhilfe garantiert keine Wohnung″
Zwischenüberschrift:
SKM-Fachdienstleiter über Ursachen dafür, wenn Menschen eine Bleibe fehlt
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Pünktlich zu St. Martin gibt es in Osnabrück keine Wohnungen mehr. Sozialhilfe garantiert keine Wohnung, so die Osnabrücker Sozialarbeiter Thomas Kater und Heinz-Hermann Flint, Fachdienstleiter Sozialdienst katholischer Männer.

In der Tageswohnung für wohnungslose Menschen können die Besucher sich über Tag aufhalten, etwas essen, Kaffee trinken, sich austauschen. Wohin gehen die Besucher, wenn die Tageswohnung schließt?

Thomas Kater: Viele Besucher der Tageswohnung sind untergebracht in städtischen Notunterkünften oder wohnen im Laurentiushaus. Wenn die Tawo schließt, gehen sie dahin zurück. Man muss aber sagen, dass neben den aktuell Wohnungslosen auch viele ehemals Wohnungslose in die Tageswohnung kommen, die die Tawo als Begegnungsstätte weiterhin nutzen. Die gehen dann in ihre Wohnungen.

Heinz Hermann Flint: Wenn die Tageswohnung schließt, gehen natürlich abends auch einige auf die Platte und schlafen draußen. Die suchen sich dann eine geschützte Ecke, unter der Brücke, in Schrebergärten, in Parks, auf Friedhöfen. In den letzten Jahren sind die Zahlen derer, die draußen schlafen, noch mal angestiegen.

Wer kein eigenes Einkommen hat, kann in Deutschland Sozialhilfe beantragen. Was sind Gründe dafür, dass trotzdem Menschen wohnungslos werden?

Flint: Aktuell liegt viel an der Situation auf dem Wohnungsmarkt. Da ist gar nicht immer das Geld der entscheidende Faktor. Fast alle wohnungslosen Menschen, die wir hier unterstützen, beziehen Leistungen. Das garantiert aber nicht, dass man auch eine Wohnung bekommt. Wohnungen sind insgesamt sehr gesucht, und für unsere Klienten ist es noch mal schwieriger. Aktuell ist Semesterbeginn an Hochschulen und Unis, da geht auf dem Wohnungsmarkt für unsere Leute in der Regel gar nichts mehr. Es gibt halt zu wenige Wohnungen in dem Preissegment, das sie sich leisten können. Es gibt eine Obergrenze dafür, was das Jobcenter bezahlt, und mit dem Geld bekommt man aktuell in Osnabrück fast gar keine Wohnung mehr.

Und was sind Ursachen dafür, dass Menschen überhaupt erst wohnungslos werden?

Kater: Den Wohnungslosen an sich gibt es nicht, sodass man sagen kann: Das und das passiert, und dann wird jemand wohnungslos. Es ist meistens eine Häufung von Bedingungen, die zusammenkommen. Gründe können der Verlust des Arbeitsplatzes sein, Scheidung, Tod von nahen Angehörigen, Verschuldung, sodass man die Miete nicht mehr zahlen kann. Was man auch nicht verschweigen kann, ist bei manchen eine Alkohol- oder Drogenabhängigkeit, und man merkt auch relativ deutlich, dass psychische Beeinträchtigungen in den letzten Jahren deutlich zugenommen haben. Dazu kommt der persönliche Umgang mit Schwierigkeiten und Problemen. Mache ich den Brief vom Vermieter auf, wenn mir eine Räumungsklage angedroht wird, oder mache ich es nicht? Bleibe ich passiv und lasse es passieren, oder kümmere ich mich darum? Das erklärt auch zum Teil, warum der eine wohnungslos wird und der andere nicht.

Es gab vor einigen Jahren die Kampagne der Caritas Armut macht krank″. Da denke ich sofort an einen Wohnungslosen, der Alkoholiker ist und im Winter draußen übernachten muss. Was sind weniger offensichtliche Beispiele dafür, wie Armut krank machen kann?

Flint: Nur als Basic: Es gab ja mal diese Zuzahlung von 10 Euro, wenn ich zum Arzt gegangen bin. Viele Leute waren nicht bereit, das zu bezahlen. Wenn man nur 400 Euro im Monat zur Verfügung hat oder weniger, dann gibt man davon nicht gerne 10 Euro für den Arzt aus. Das gibt es ja mittlerweile nicht mehr. Aber wenn wir so gucken, was an Zuzahlungen geleistet werden muss: Wenn ich eine neue Brille brauche, gibt es von der Kasse gar nichts mehr. Von daher rennen viele unserer Leute mit diesen Baumarkt-Modellen durch die Gegend. Bei den Zähnen geht es weiter. Eine Grundversorgung gibt es ja, aber viele Sachen sind zuzahlungspflichtig. Also hat das auch was mit Einkommen zu tun. Es entwickelt sich immer mehr dahin, dass Gesundheit Luxus wird.

Kater: Die Lebensbedingungen auf der Straße sind hart, das muss nicht nur der Alkohol sein, sondern auch, wenn ich bei Minusgraden unter der Brücke schlafe. Das zehrt am Körper. Es gibt eine Untersuchung, die besagt: Ein Jahr auf der Straße fordert zehn Lebensjahre. Und das sehen wir an unseren Leuten, die deutlich früher sterben. Viele gehen nicht zum Arzt. Ob es nun aus Scham ist oder aus einer gewissen Resignation. Ich sage das mal aus meiner Erfahrung: Ein Gesundheitsbewusstsein ist bei den meisten Besuchern der Tageswohnung eher nicht gegeben. Und noch mal zum Alkohol: Der dient oft eher als Medikament. Die Leute sagen: Wenn ich Schmerzen habe, trinke ich, um die zu unterdrücken. Wenn ich morgens nicht weiß, wo ich abends schlafe, dann trinke ich. Zur Problembewältigung, aber auch als Medikament oder für ein subjektives, wärmendes Gefühl, das ich dann habe. Es braucht darum auch ein Stück weit Verständnis dafür, dass man auf der Straße Alkohol trinkt.

Bildtext:
Die Habseligkeiten eines Obdachlosen unter einer Eisenbahnunterführung am Hauptbahnhof in Hannover. Über Ursachen sprechen Thomas Kater (kleines Foto oben) und Heinz-Hermann Flint (unten)
Fotos:
Hauke-Christian Dittrich/ dpa/ NOZ
Autor:
Markus Strothmann


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