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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Drastische Mieterhöhung nach Sanierung
 
Vonovia erhöht Mieten um 47 Prozent
Zwischenüberschrift:
Warum Hunderten Osnabrückern plötzlich der Auszug droht
Artikel:
Kleinbild
 
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Originaltext:
Osnabrück Nach energetischen Sanierungen hat Deutschlands größter Wohnungsvermieter Vonovia für Hunderte Osnabrücker drastisch die Miete erhöht. Fast 50 Prozent der Kaltmiete verlangt der Konzern beim überwiegenden Teil der Betroffenen mehr. Dabei ist die Ersparnis nach der Klimasanierung im Verhältnis zur Mieterhöhung kaum zu spüren. Einkommensschwachen Mietern und Hartz-IV-Empfängern droht der Auszug. Vonovia ist im Besitz der meisten Wohnungen, die die Stadt mit der Wohnungsgesellschaft OWG verkauft hatte. Mittlerweile verfügt der Immobilienriese über 3926 Wohnungen in Osnabrück, 543 davon wurden alleine in diesem Jahr energetisch saniert. Der Mieterverein hat in vielen Fällen Widerspruch gegen die Mieterhöhung wegen unzumutbarer sozialer Härte eingelegt.

Sieben Jahre wohnt Heike Schierenbeck mit ihrer Tochter in einer Mietwohnung in Osnabrück-Dodesheide. Nun sollen sie ausziehen, weil der Konzern Vonovia seit diesem Monat 47 Prozent mehr Miete verlangt und das Jobcenter die Kosten für die Wohnung der Hartz-IV-Empfängerin nicht mehr übernehmen will.

Osnabrück Schierenbeck ist nach Schätzungen des Mietervereins Osnabrück eine von Hunderten Vonovia-Mietern in der Stadt, die von der Mietpreisexplosion nach der Sanierung betroffen sind. Die Mittvierzigerin fährt sich durch die Haare und ist verzweifelt. Sie fühlt sich ohnmächtig. Es ist wie David gegen Goliath.

Ihr Gegenüber ist ein Gigant: Deutschlands größter Wohnungsvermieter Vonovia ist ein Dax-Konzern mit rund 400 000 Wohnungen und 3, 6 Milliarden Euro Jahresumsatz. Durchschnittlich stiegen die Mieteinnahmen im vergangenen Jahr um mehr als acht Prozent auf 1, 6 Milliarden Euro. Die Vonovia-Aktie gehört zu den Gewinnern an der Frankfurter Börse.

Die Rendite geht jedoch auf Kosten von Menschen wie Heike Schierenbeck, der alleinerziehenden Mutter, die als Langzeitarbeitslose seit drei Jahren einem sogenannten Ein-Euro-Job nachgeht und lediglich Grundsicherung erhält. Doch sie ist eine Kämpferin. Sie tippt mit dem Finger auf ein Blatt Papier und zeigt, was Vonovia für die 71-Quadratmeter-Wohnung plötzlich verlangt: rund 750 Euro Warmmiete. Die Hälfte davon sind Nebenkosten, die Kaltmiete beträgt knapp 500 Euro. Noch im Oktober waren es 160 Euro weniger, was einem Aufschlag von fast 50 Prozent entspricht. Sie schüttelt den Kopf : „ Warum ist das denn jetzt auf einmal so viel teurer? Das seh′ ich gar nicht ein.″ Die Fassade gedämmt, ein paar Fenster ausgetauscht, aber mehr habe die Vonovia im Prinzip nicht gemacht. Wenn die was am Haus machen wollen, dann sollen sie das machen, aber was hat das jetzt mit meiner Miete zu tun? Meine Wohnung ist immer noch alt, daran hat sich nichts verändert.″

Bei mir ist auch fast 50 Prozent draufgeschlagen worden″, fügt Yvonne Fischer hinzu, die in den Vonovia-Blöcken mit Hunderten betroffenen Mietern in der Dodesheide vis à vis von Heike Schierenbeck wohnt. Deshalb trat sie vor Kurzem in den Mieterverein ein und kämpft, damit der Mietaufschlag sich doch noch reduziert, sonst werde auch ich in einem halben Jahr ausziehen müssen″, sagt sie mit belegter Stimme. Damit das Jobcenter die Wohnkosten übernimmt, darf die Kaltmiete 385 Euro nicht übersteigen. Während die Kaltmiete für 71 Quadratmeter bis Oktober 336 Euro betrug, sind es seit November 496 Euro zu viel. Bis Mai solle sie sich die Wohnung entweder mit einer anderen Person teilen oder sie solle sich eine deutlich kleinere Wohnung besorgen.

Der Rechtsberater vom Mieterverein, Ronald Martin, kommentiert: Natürlich ist es eine gravierende Mieterhöhung, aber zurzeit nutzt Vonovia die gesetzlichen Vorgaben eben konsequent aus und legt die Modernisierungskosten auf die Mieter um.″ Der Mieterverein lege wegen der unzumutbaren sozialen Härte Widerspruch gegen die Mieterhöhung ein. Aktuell prüfe Vonovia diese. Zudem weist Martin darauf hin, dass die für die Wohnkostenübernahme des Jobcenters vorgesehenen Regelbedarfe zu gering sind, denn auf dem angespannten Wohnungsmarkt sei es ein ganz, ganz großes Problem″, zu den vorgegebenen Preisen eine neue Wohnung zu finden.

Eine Vonovia-Sprecherin sagt, der Konzern habe das Kundenmanagement personell verstärkt, um es Mietern, die persönliche oder wirtschaftliche Härte anzeigen, zu ermöglichen, in ihrer gewohnten Umgebung zu bleiben″.

Yvonne Fischer, Angelina und Heike Schierenbeck kämpfen weiter und hoffen, dass Vonovia sie als Härtefall anerkennt und sie weiter in ihrem Zuhause wohnen lässt.

Bildtext:
Wollen ihre Mietwohnung behalten (von links): Yvonne Fischer, Angelina und Heike Schierenbeck.
Foto:
Osterfeld

Kommentar
Legaler Skandal

Der Marktführer unter den Wohnungsvermietern hat auch eine besondere soziale Verantwortung. Es kann nicht sein, dass die Ärmsten die Zeche zahlen, wenn Deutschlands größter Wohnkonzern den Wert der eigenen Immobilien steigert. Eine Mieterhöhung um 47 Prozent ist unverschämt. Der gesellschaftliche Skandal ist, dass diese legal ist.

Möglich macht es eine Modernisierungsumlage, die es dem Vermieter erlaubt, dauerhaft pro Jahr elf Prozent der Kosten auf die Mieter abzuwälzen. Obwohl die Kosten nach etwa neun Jahren bezahlt sind, trägt der Mieter auch danach noch die erhöhte Miete. Wenn die Bundesregierung diese Umlage nun auf acht Prozent pro Jahr senken will, macht das die Sache nicht viel besser. Es ändert nur, dass es dreieinhalb Jahre länger dauert, bis der Mieter die Kosten abbezahlt hat. Das Problem, dass die Mieterhöhung dauerhaft gilt, bleibt.

Es ist richtig, Gebäude energetisch zu sanieren. Es entsteht aber der Eindruck, dass Vonovia einkommensschwache Mieter oder Hartz-IV-Empfänger herausmodernisiert. Hinzu kommt, dass die Ersparnis bei den Nebenkosten nur einen Bruchteil der Mieterhöhung ausmacht. Die Friedensstadt sollte mit Vonovia dringend darüber sprechen, denn die meisten der 3500 Wohnungen, die die Stadt mit der Wohnungsbaugesellschaft OWG im Jahr 2004 verkauft hat, sind nun im Besitz des Immobiliengiganten.
Autor:
Jean-Charles Fays


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