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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Fusion von Klinikum Osnabrück und Paracelsus
 
Was bringt die große Klinik-Hochzeit?
Zwischenüberschrift:
Krankenhäuser gründen neue Gesellschaft / Para-Klinik soll Zentrum für Gelenkchirurgie werden
 
Städtisches Klinikum und Paracelsus teilen die Arbeit neu auf
Artikel:
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Originaltext:
Umwälzung in der Osnabrücker Krankenhaus-Landschaft: Das kommunale Klinikum und die private Paracelsus-Klinik schließen sich zusammen und teilen sich die medizinische Versorgung neu auf.

Osnabrück Wir haben eine historische Sekunde genutzt″, sagte Klinikum-Aufsichtsratschef Fritz Brickwedde (CDU) gestern unserer Redaktion. Die Paracelsus-Klinik am Natruper Holz wird aus dem Krankenhaus-Konzern herausgelöst und in eine neue Gesellschaft eingebracht, an der sich der Eigener der Para-Gruppe und das Klinikum Osnabrück jeweils zu 50 Prozent beteiligen. Es werde ein Gemeinschaftsunternehmen auf Augenhöhe″ entstehen, sagte Klinikum-Geschäftsführer Martin Eversmeyer.

Die Para-Klinik soll sich zu einem überregionalen Zentrum für Gelenk- und Wirbelsäulenchirurgie sowie Sportmedizin entwickeln. Die Neurochirurgie wechselt von Paracelsus zum Klinikum, wo ein fachübergreifendes Zentrum zur Behandlung akuter Erkrankungen des Nervensystems″ aufgebaut werden soll, wie es in einer gemeinsamen Erklärung der beiden Krankenhaus-Träger heißt. Auch die Krebsbehandlung und Urologie werden im Klinikum auf dem Finkenhügel konzentriert. Im Gegenzug gibt das Klinikum die Schmerztherapie, Gelenk- und Wirbelsäulenchirurgie an die neue Krankenhausgesellschaft ab. Expertisen werden gebündelt und Zuständigkeiten klar geregelt″, heißt es in der Mitteilung.

Diese neue Arbeitsteilung bedeutet auch: Die Paracelsus-Klinik gibt die Notfallversorgung auf und konzentriert sich auf die planbaren Behandlungen, die sogenannten elektiven Fälle. Welche Folgen das für die Arbeitsplätze hat, ist noch unklar. Ein Stellenabbau sei auf jeden Fall nicht geplant, versicherten Eversmeyer und Brickwedde. Es liegt im Interesse der Stadt, die Para-Klinik und die Konzernzentrale mit allen Arbeitsplätzen in Osnabrück zu erhalten″, betonte Brickwedde.

Die Zusammenführung der beiden Häuser sichere deren wirtschaftliche Basis und diene den Patienten. Die medizinische Versorgung werde insgesamt verbessert. Die Krankenhäuser könnten in ihren Spezialbereichen noch mehr Kompetenz aufbauen.

Die Klinikum Osnabrück GmbH ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Stadt und beschäftigt 2200 Mitarbeiter. 2013 meldete das Haus einen Rekordverlust von 23 Millionen Euro. Kapitalerhöhungen durch die Stadt, Lohnverzicht der Mitarbeiter und interne Reformen brachten das Klinikum wieder in die schwarzen Zahlen. Die Paracelsus-Kliniken stellten Ende 2017 Insolvenzantrag in Eigenregie. Im August übernahm die Porterhouse Group aus der Schweiz den Klinik-Konzern.

Es ist der tiefste Eingriff in die Krankenhaus-Struktur in Osnabrück seit Jahrzehnten: Paracelsus-Klinik und Klinikum Osnabrück machen ab 2019 gemeinsame Sache. Und was haben die Patienten davon?

Osnabrück Vor einem Jahr schien der Paracelsus-Konzern am Boden: Zahlungsunfähigkeit und Antrag auf Einleitung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverantwortung. Wie sollte es weitergehen an den 40 Klinikstandorten, mit den 5000 Arbeitsplätzen? Und was würde aus der Konzernzentrale in Osnabrück und dem Stammhaus am Natruper Holz, das zu den größten Verlustbringern im Konzern des damaligen Alleingesellschafters Manfred Krukemeyer gehörte?

Die Porterhouse-Beteiligungsgesellschaft aus Luzern kaufte im Frühjahr die Paracelsus-Gruppe. Es folgten kleine Reformschritte und ein Abbau von 25 der 330 Vollzeitstellen im Krankenhaus und 20 der 80 Stellen in der Konzernzentrale. Nun der nächste, große Schritt: Das Osnabrücker Stammhaus wird aus der Paracelsus-Gruppe herausgelöst und in eine noch zu gründende Gesellschaft eingebracht, die zu gleichen Teilen von Porterhouse und dem städtischen Klinikum gehalten wird.

Die Pläne sollen im kommenden Jahr umgesetzt werden. Der Aufsichtsrat des Klinikums Osnabrück hat den Plänen grundsätzlich zugestimmt. Der strategische Rahmen ist gesteckt, jetzt ist es Sache der Geschäftsführung und der medizinischen Leitung, die Details zu erarbeiten″, sagte Aufsichtsratsvorsitzender Fritz Brickwedde: Wir haben die Hälfte des Weges geschafft, aber es ist noch sehr viel zu tun.″

In der Tat sind noch einige Hürden zu überwinden und komplexe Fragen zu beantworten. Die Teams in Medizin und Pflege müssen aufeinander abgestimmt werden. Die Umstrukturierung der medizinischen Angebote greift in arbeitsrechtliche Belange ein. Bei der Gründung einer neuen Paracelsus-Gesellschaft sind kartellrechtliche Bestimmungen und steuerliche Aspekte zu beachten. Martin Eversmeyer und sein Co-Geschäftsführer Frans Blok mussten lange überlegen, ehe ihnen in Deutschland zwei oder drei andere Fälle einfallen, in denen eine Kommune mit einem privaten Klinikbetreiber eine gemeinsame Gesellschaft gegründet hat. Was jetzt in Osnabrück geschieht, stufen beide Krankenhausmanager als ziemlich einzigartig″ ein.

Ein großer Brocken ist die Bewertung der Immobilien, die in die Krankenhaus-Gesellschaft eingebracht werden. Wie es in der gemeinsamen Erklärung der beiden Häuser heißt, sind umfangreiche Investitionen″ in die Klinik geplant.

Was die Klinik wert ist

Die Geschäftsführung der Niels-Stensen-Kliniken waren nach den Worten Brickweddes schon früh an den Gesprächen beteiligt. Das ist mir eine wichtige Botschaft: Die Kooperation richtet sich nicht gegen die Niels-Stensen-Kliniken″, betonte Brickwedde. Die geplante Neuordnung der Kliniklandschaft werde eng mit dem Sozialministerium in Hannover abgestimmt. Dabei gehe es auch darum, die Neurochirurgie am Marienhospital durch einen Versorgungsauftrag dauerhaft zu sichern. Ende November sind Gespräche mit den Landesverbänden der gesetzlichen Krankenkassen geplant. Grundsätzlich sei es richtig, den Wettbewerb zu erhalten und den Patienten die Wahl zu lassen, sagte Eversmeyer. Der Wettbewerb darf aber nicht ruinös werden″, ergänzte Brickwedde.

Der Eigentümerwechsel nach der Paracelsus-Insolvenz sei die Chance gewesen, den ungesunden Wettbewerb zwischen den benachbarten Krankenhäusern zu beenden, so Brickwedde. Wir haben die historische Sekunde genutzt.″

Ausgangspunkt der Gespräche zwischen den Kliniken war eine Klage, die die frühere Paracelsus-Geschäftsführung gegen das Klinikum angestrengt hatte und sogar Ermittlungen der Staatsanwaltschaft auslöste. Der Vorwurf: Das Klinikum unterlaufe zum eigenen Vorteil die vertraglich vereinbarte Arbeitsteilung in der Neurochirurgie. Die Klage ist inzwischen vom Tisch. In den Gesprächen mit der neuen Paracelsus-Führung und mit Porterhouse-Eigentümer Felix Happel (36) sei schnell ein Klima des Vertrauens″ entstanden, sagte Brickwedde. Happel sei an einem langfristigen Engagement interessiert und halte sich oft in der Paracelsus-Zentrale in Osnabrück auf.

Der medizinische Geschäftsführer der Paracelsus- Kliniken, Dr. Christian Utler, sagte, Gewinner seien vor allem die Patienten, die bei Paracelsus im Mittelpunkt stehen″. Utler: Mit dieser neuartigen Kooperation werden wir diesem Anspruch in besonderer Weise gerecht.″

Die Paracelsus-Gruppe gehört mit ihren 36 Einrichtungen an 19 Standorten zu den großen privaten Klinikträgern in Deutschland. Bundesweit betreuen 4500 Mitarbeiter jährlich mehr als 90 000 stationäre Patienten.

Bildtext:
Gemeinsame Zukunft: Das Paracelsus-Stammhaus an der Sedanstraße wird aus dem Konzern gelöst und geht in eine neue Gesellschaft ein, an der Stadt und Para-Konzern jeweils zur Hälfte beteiligt sein werden.
Fotos:
David Ebener/ Michael Gründel

Kommentar
Neue Köpfe, neues Vertrauen

Unsere Wirtschaftsordnung will den Wettbewerb. Er führt in der Regel zum besten Ergebnis manchmal aber auch in den Ruin, wie am Beispiel Paracelsus zu besichtigen. Klinikum und Paracelsus erklären mit der Gründung der gemeinsamen Gesellschaft den ruinösen Wettbewerb nun für beendet. Eine außerordentlich gute Nachricht für die Mitarbeiter beider Häuser, für die Stadt und die Patienten.

Warum war das nicht früher möglich? Warum haben Klinikum, Paracelsus und Marienhospital Parallelstrukturen in der medizischen Versorgung aufgebaut und sich damit das Leben gegenseitig schwer gemacht? Die Antwort liegt weniger in der Komplexität des deutschen Gesundheitswesens, sondern im Menschlichen. Manfred Krukemeyer, der frühere Alleingesellschafter der Paracelsus-Gruppe, vertraute vor allem seiner Eingebung und galt deshalb in der Branche als schwieriger, sprunghafter Geschäftspartner. Auch der frühere, inzwischen verstorbene Geschäftsführer des Klinikums war eher ein Mann der Konfrontation denn der Kooperation.

Deshalb brauchte es einen personellen Neuanfang. Die Chance ergab sich durch den Verkauf der Paracelsus-Gruppe. Die neuen Köpfe konnten unbelastet Gespräche aufnehmen, Vertrauen aufbauen und für das Para-Stammhaus eine Perspektive entwickeln.

Vor zu großer Euphorie sei aber gewarnt. Es ist noch viel zu tun. Das Vertrauen wird noch auf eine harte Probe gestellt werden, wenn es um die Details der medizinischen Arbeitsteilung geht. Gut, dass sich die Stadt mit der 50-prozentigen Beteiligung volle Mitsprache gesichert hat. Denn: Vertrauen ist wichtig, Kontrolle aber auch.
Autor:
Wilfried Hinrichs


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