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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Wenn Müll und Kanülen herumliegen
Zwischenüberschrift:
Spritzenautomat am Stresemannplatz sorgt immer wieder für Beschwerden
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Seit 15 Jahren steht ein Spritzenautomat für Drogenabhängige am Stresemannplatz und genauso lange ist er umstritten. Anwohner beschweren sich immer mal wieder, aber die Aids-Hilfe hält das Gerät für unentbehrlich. Ein zusätzlicher Mülleimer hat zuletzt für etwas Entspannung gesorgt.

Osnabrück Aufgestellt wurde der Automat 2003 von der Aids-Hilfe damit sich Drogenabhängige rund um die Uhr steriles Spritzbesteck besorgen können und sich nicht durch die Benutzung verunreinigter Kanülen mit Krankheiten wie Aids oder Hepatitis infizieren. Das Ziel besteht ausdrücklich nicht darin, den Drogenkonsum zu fördern, sondern darin, seine Risiken etwas zu mindern.

Seitdem beschweren sich die Anwohner des Stresemannplatzes immer mal wieder bei der Aids-Hilfe, das letzte Mal vor rund vier Monaten. Sie berichten von Müll rund um das Gerät und von benutzten Spritzen, die in den Hausfluren der Umgebung herumliegen. Außerdem von Abhängigen, die sich in die Hinterhöfe der umliegenden Wohnhäuser zurückziehen, um sich dort ihre Drogen zu spritzen. Die Aids-Hilfe reagierte mit einem Informationsschild am Automaten, auf dem auf die Beschwerden hingewiesen und um eine Verhaltensänderung gebeten wurde. Später ließ der Verein einen Mülleimer neben dem Automaten aufstellen.

Der Konflikt spitzte sich zu, als der Automat im Sommer so stark beschädigt wurde, dass keine Spritzen mehr ausgegeben werden konnten. Die Aids-Hilfe erstattete Anzeige gegen unbekannt. In der Drogenszene geht die Vermutung herum, dass hinter der Sachbeschädigung eine Person steckt, die den Automaten und damit die Abhängigen loswerden möchte.

Die Aufstellung des Mülleimers hat die Situation zumindest vorläufig befriedet. Das bestätigen sowohl Anwohner als auch Mitarbeiter der umliegenden Geschäfte. Das Hauptproblem sei damals der Müll gewesen, betont Christoph Bertels, Fraktionsmitglied der CDU und Anwohner des Platzes. Allerdings sei diese Problematik nicht nur bei dem Spritzenautomaten zu beobachten. Vor etwa einem Jahr habe in der Nähe auch ein Zigarettenautomat gestanden, neben dem es ähnlich aussah: Verpackungsreste, Zigarettenstummel und Plastik hätten herumgelegen, wie Bertels sagt. Es sei zu einfach, pauschal die Abhängigen zu beschuldigen, findet der Christdemokrat die Neigung, Müll einfach herumliegen zu lassen, sei vielmehr ein generelles Problem in der Gesellschaft.

Dass der Automat unverzichtbar ist, versucht die Aids-Hilfe anhand der Verkaufszahlen zu belegen. Im vergangenen Jahr wurden demnach knapp 9300 Spritzen verkauft, etwa 25 Stück pro Tag. Annette Runde von der Aids-Hilfe bestätigt, dass die Nutzer sehr froh über den Automaten seien. Dieser werde zweimal die Woche aufgefüllt und wurde vor vier Jahren sogar vergrößert. Für jeweils 50 Cent können Einwegspritzen in vier verschiedenen Längen sowie Filter gekauft werden. Neben den Spritzbestecken werden auch sogenannte Smoke-it-Sets″ angeboten mit Rauchfolie, einem Röhrchen und einem Bonbon gegen schlechten Geschmack im Mund. Außerdem Care-Sets″ mit einem sterilen Becher, um die Drogen darin zu erhitzen, und Pflege-Sets″ mit Hautcreme und Vitamin C. Im vergangenen Jahr wurden der Aids-Hilfe zufolge 3500 Stück Rauchfolie verkauft, 2200 Pflegesets und 1000 Care-Sets.

Also alles gut am Stresemannplatz? Ganz so ist es nicht. So berichten Mitarbeiter des Sushi-Restaurants Ichiban, das direkt gegenüber dem Automaten liegt, dass sie beobachtet haben, wie ein Nutzer mit Gewalt versuchte, etwas aus dem Gerät zu bekommen: Da hat jemand so stark auf den Automaten eingeschlagen, ich dachte, der ganze Automat zerbricht.″ Eine Mitarbeiterin der anliegenden Apotheke erzählt von Abhängigen, die sich manchmal im Flur des Hauses aufhalten.

Die Osnabrückerin Christine, die ihren Nachnamen nicht nennen möchte, kennt sich gut in der Drogenszene aus. Sie selbst hängt nicht mehr an der Nadel. Die Szene ist für sie dennoch eine Art Familienersatz geworden, seit Jahren setzt sie sich für sie ein, zuletzt im Streit um den Raiffeisenplatz. Christine schlägt einen neuen Lösungsansatz vor, um den Konflikt am Stresemannplatz zu lösen. Da sich die Fixer (Menschen, die sich Drogen mit einer Spritze verabreichen) für gewöhnlich am Raiffeisenplatz aufhielten, solle dort ein weiterer Spritzenautomat aufgestellt oder der alte dorthin verlagert werden.

Konkrete Gespräche um einen neuen Automaten oder einen Standtortwechsel hat es allerdings noch nicht gegeben. Wir sind einfach froh, dass wir den aktuellen Automaten überhaupt haben und führen können. Einen weiteren aufzustellen wäre ein wirklich schwieriges Unterfangen und für uns auch kaum handhabbar″, sagte Annette Runde von der Aids-Hilfe.

Bildtexte:
Ein Hinweisschild ermahnt die Nutzer des Spritzenautomaten, ihren Müll korrekt zu entsorgen.
Safer Use″-Produkte aus dem Spritzenautomaten. Hier: Spritzbesteck und Alkoholtupfer.
Fotos:
Jörn Martens, Viktoria Koenigs
Autor:
Viktoria Koenigs


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