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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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aus Zeitung:
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Überschrift:
Osnabrücks „evangelische Akropolis″
Zwischenüberschrift:
Die reformierte Bergkirche an der Bergstraße wird 125 Jahre alt
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Die evangelisch-reformierte Bergkirche feiert nächste Woche ihr 125-jähriges Bestehen. Sie ist Osnabrücks erster Kirchen-Neubau nach der Reformation.

Osnabrück Anders als die beiden großen evangelisch-lutherischen Stadtkirchen, St. Marien und St. Katharinen, steht die Bergkirche nicht in mittelalterlich-katholischer Bautradition, sondern verkörpert eine eigenständig protestantische Auffassung von einem Gotteshaus.

Heißt sie denn nun Bergkirche, weil sich die Gemeinde in besonderer Weise der Botschaft von Jesu Bergpredigt im Matthäus-Evangelium verpflichtet fühlte? Wohl nein. Ausschlaggebend war vielmehr die Lage des Bauplatzes an der Südostflanke des Westerbergs, immerhin 15 Meter über dem Niveau der Wallpromenade in der ansonsten weitgehend unbebauten Feldmark. An der Bergstraße stand noch kaum ein Haus, die Lürmannstraße gab es noch nicht. So zog die 1893 geweihte Bergkirche in städtebaulich exponierter Lage unweigerlich alle Blicke auf sich.

Bis 1800 spielten Reformierte in Osnabrück fast keine Rolle. Hochburgen reformierten Gemeindelebens waren die benachbarten Grafschaften Tecklenburg und Bentheim sowie Ostfriesland und die Niederlande. Durch Zuwanderer aus diesen Gebieten und Nachkommen der Hugenotten aber wuchs die reformierte Gemeinde in Osnabrück im Laufe des 19. Jahrhunderts zu beachtlicher Größe heran. Bei einer Gesamteinwohnerzahl Osnabrücks von 51 000 im Jahr 1902 bekannten sich mehr als zehn Prozent, nämlich 5500, zum reformierten Glauben. Der Gründung einer eigenständigen Gemeinde 1889 folgte 1891 der Beschluss, eine Kirche zu bauen und die Bauaufgabe reichsweit auszuschreiben. Am 8. Juli 1892 erfolgte die Grundsteinlegung und am 1. November 1893 die Weihe.

Zum Selbstverständnis der Reformierten gehörte es, möglichst unabhängig vom Staat zu sein. So hatten sie auch in Osnabrück das Bestreben, ihre Kirche aus eigener Kraft zu bauen. Zur Gemeinde gehörten zwar auch einige bessergestellte Fabrikanten wie etwa Albert Terberger mit seiner mechanischen Weberei an der Lotter Straße (heute Sitz der Polizei-Fahrzeugstaffel), aber in der Masse waren die Gemeindeglieder in ihrer Finanzkraft begrenzt, sodass sie noch jahrzehntelang an den Baukosten zu tragen hatten.

Es war ja nun auch kein 08/ 15-Gotteshaus, sondern der vermutlich erste gruppierte″ Kirchenbau Deutschlands, entworfen vom renommierten Berliner Architekten Otto March (1845– 1913). „ Gruppiert″ soll heißen, dass mit dem Kirchenraum zusätzliche Räume für Gemeindezwecke, Pastorenwohnung und Küsterwohnung baulich zusammengeschlossen wurden. Die Bergkirche war somit ein Prototyp heutiger Gemeindezentren und damit ihrer Zeit weit voraus.

Die Kunsthistorikerin Monika Kramer spricht von einer baulichen Sensation″, die die Bergkirche für das damalige Kirchenbau-Establishment bedeutete. In ihrer Magisterarbeit, die die Bergkirche architekturgeschichtlich einordnet und die gekürzt im Heimatjahrbuch Osnabrücker Land 1993 abgedruckt ist, kann man nachlesen, wie radikal Architekt Otto March sich vom damals vorherrschenden protestantischen Kirchenbau abwandte. Der folgte merkwürdigerweise noch dem mittelalterlich-katholischen Schema eines kreuzförmigen Grundrisses unter Trennung von Altarbereich mit Chor und dem Raum für die Laien.

Die Bergkirche ist hingegen eine Predigtkirche″, die nach calvinistischem Gemeindeverständnis die Gemeinde wie eine Familie″ um Kanzel und Abendmahlstisch versammelt. Die Längsachse ist nicht nach Osten ausgerichtet, der Turm ist in die östliche Seitenfassade eingerückt.

Der Denkmalschutz beschreibt eine lebhafte Stufung und Verteilung der Baumassen″, die eine malerisch-unregelmäßige Erscheinung″ böten, March selbst spricht von einer evangelischen Akropolis″, einer Anlage voller Lebendigkeit im Inneren und Außen″.

March bewunderte die protestantischen Freikirchen im angloamerikanischen Raum wegen ihrer Unabhängigkeit und der dadurch möglichen unkonventionellen Bauweisen. Für die Bergkirche ließ er sich von der Kongregationalistenkirche Shanklin auf der Isle of Wight und von der Presbyterianerkirche Peoria in Minneapolis/ USA inspirieren, die ebenfalls neuromanische Züge tragen. Gleichzeitig verweist der massige Werksteinbau mit dem Bruchstein- und Hausteinmauerwerk aus gelblichem Muschelkalk und Sandstein auf die lokale Bautradition, wie sie auch in den Nachbargebäuden Krankenhaus (jetzt Volkshochschule), Museum und Realgymnasium aufzufinden ist.

Im Inneren stellt sich die Kirche als Saalbau mit dreiseitig umlaufenden Emporen dar, der von einer hölzernen Deckenkonstruktion überspannt ist. Die künstlerische Ausgestaltung zeigt Beispiele des beginnenden Jugendstils. Die Innenausstattung der Bergkirche ist die einzige aller Osnabrücker Kirchen, die den Bombenkrieg unbeschadet überstanden hat.

Von 2010 bis 2012 fanden im Kircheninnenraum umfangreiche Bau- und Renovierungsmaßnahmen statt. Dabei wurden auch die ursprünglichen Malereien an der Kanzelwand wieder freigelegt und aufwendig restauriert. Die Sanierung und der Neubau des angrenzenden Gemeindehauses für 1, 7 Millionen Euro waren möglich geworden, nachdem drei reformierte Neubaukirchen in der Peripherie entwidmet und für 1, 5 Millionen Euro an die Evangelischen Stiftungen verkauft worden waren.

Die Gemeinde feiert das 125-jährige Bestehen ihrer Kirche mit einem Festvortrag des langjährigen Stadtdenkmalpflegers Bruno Switala am Donnerstag, 1. November, um 19.30 Uhr im Saal des Gemeindehauses. Am Sonntag, 4. November, um 10 Uhr findet ein Festgottesdienst mit Kirchenpräsident Martin Heimbucher als Prediger und anschließendem Empfang statt.

Bildtexte:
Die Bergkirche im Zwickel von Bergstraße und Lürmannstraße auf einem Foto aus dem Zeitungsarchiv, vermutlich in den 1920er-Jahren aufgenommen.
Die beiden Linden vor dem Portal sind kräftig gewachsen. Da sie im Krieg verschont blieb, sieht die Kirche ansonsten noch so aus wie bei ihrer Weihe vor 125 Jahren.
Foto:
Joachim Dierks
Autor:
Joachim Dierks
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