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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
„Mehr Ehrgeiz bei Klimaschutz″
 
Hoffnungsschimmer für den Blauen Planeten?
 
Plan B im Kampf gegen die Erderwärmung
Zwischenüberschrift:
Experte kritisiert Regierung / Neuer Bericht zur Erderwärmung
 
Weltklimarat hält Begrenzung der globalen Erwärmung noch für möglich – doch die Zeit drängt
 
Nutzpflanzen als CO2 -Speicher, Eisendünger für die Meere: IPCC-Experten betonen in Sonderbericht Klimaschutz-Potenzial von Geo-Engineering
Artikel:
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Originaltext:
Berlin Klimaexperte Hans Joachim Schellnhuber hat der Bundesregierung angesichts der jüngsten Studie des Weltklimarates Untätigkeit vorgeworfen. Wir brauchen nicht immer ehrgeizigere Klimaziele in der Zukunft, sondern endlich ehrgeizige Maßnahmen zu deren Erreichung jetzt!″, sagte Schellnhuber unserer Redaktion. In Deutschland gebe es beim Klimathema eine erschreckende Kluft zwischen Reden und Handeln″, sagte der frühere Leiter des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung . Die Bundesregierung mache das Problem leider immer größer″.

Gestern hatte der Weltklimarat (IPCC) seinen Bericht zur Begrenzung der Erderwärmung auf 1, 5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau vorgestellt. Die Wissenschaftler fordern darin schnelle, weitreichende und beispiellose Änderungen in allen gesellschaftlichen Bereichen″, um dieses im Pariser Klimaschutzabkommen festgelegte Ziel noch zu erreichen. Andernfalls warnen sie vor dramatischen Folgen für das Leben auf der Erde.

Durch die Proteste gegen die Rodung des Hambacher Forstes sieht Schellnhuber, der in der Kohlekommission der Bundesregierung sitzt, den Druck auf die Politik gewachsen: Die Auseinandersetzung zeigt, dass hier gesellschaftlich etwas Großes in Bewegung geraten ist. Deutschland kann auf diesen Brennstoff innerhalb weniger Jahre verzichten das würde für unser Klima richtig viel bringen. Darum müsse die Regierung nun einen geordneten Ausstieg aus dem fossilen Zeitalter organisieren″ .

Ähnlich äußerte sich der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland , Heinrich Bedford-Strohm. Ein ökologisches Wirtschaftswunder″ sei möglich, wenn sich die Politik auf das Ziel eines ökologischen Umbaus der Wirtschaft konzentriere, sagte er im Gespräch mit unserer Redaktion.

Auch Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) mahnte die Notwendigkeit stärkerer Anstrengungen an. Wir dürfen beim Klimaschutz keine Zeit mehr verlieren″, erklärte sie . Es sei wichtig, den Abschied von Kohle, Öl und Gas″ hinzubekommen, denn jedes vermiedene Zehntelgrad Erderwärmung zählt″.

Bildtext:
Hans Joachim Schellnhuber
Foto:
dpa

Kommentar
Noch ist es nicht zu spät

Alarm zur rechten Zeit: Noch ist es nicht zu spät, aber ohne sofortiges Gegensteuern wäre die Erderwärmung bald nicht mehr zu kontrollieren, warnt der Weltklimarat. Natürlich kann Deutschland allein nicht dafür sorgen, den Temperaturanstieg auf 1, 5 Grad zu begrenzen. Doch muss in Berlin endlich Schluss damit sein, mit dem Finger auf Trump, Polen oder China zu zeigen, um vom eigenen Versagen in Sachen CO2 - Reduzierung abzulenken.

Die Emissionen hierzulande sind gegenüber 2009 nicht gesunken ein beschämendes Zeugnis für Kanzlerin Angela Merkel. Kein Weiter so″ das hatte die neue Große Koalition versprochen. Tatsächlich geht es beim Klimaschutz allenfalls rückwärts. In Brüssel werden strengere EU-Umweltauflagen für Autos gestoppt. Die energetische Gebäudesanierung steckt fest, ebenso der Netzausbau für Ökostrom. Und aus Angst vor zusätzlichen AfD-Wutwählern in der Lausitz und vor der Industrielobby in NRW bleiben Union und SPD beim Kohleausstieg auf der Bremse, anstatt Zukunftspläne für die Regionen zu entwickeln.

Die Massenproteste gegen die Rodung des Hambacher Forstes zeigen, dass immer mehr Menschen eine andere Politik wollen. Die Regierung muss die Signale hören und zum internationalen Vorbild werden, bevor es wirklich zu spät ist.

Deutschland ringt um den Kohleausstieg, die EU streitet, wie viel Sprit Autos fressen dürfen Alltag im mühsamen Klimaschutz. Jetzt schreckt ein neuer UN-Bericht die Politik auf. Die Botschaft: Mehr Ehrgeiz lohnt sich. Aber es wird schwer.

Incheon/ Berlin Missernten, Dürren, steigende Meeresspiegel: Die Begrenzung des Klimawandels und seiner Folgen wird zu einem Wettlauf gegen die Zeit. Der Weltklimarat der Vereinten Nationen fordert in einem Sonderbericht rasches Handeln in allen Bereichen, um die Erderwärmung auf 1, 5 Grad zu begrenzen. Zwar seien die Folgen für die Weltbevölkerung dann immer noch dramatisch. Eine Erwärmung um zwei Grad würde die Lebensgrundlagen für Hunderte Millionen Menschen aber noch viel stärker bedrohen, warnen die Experten.

Im Pariser Klimaabkommen hat die Weltgemeinschaft sich darauf verständigt, den Klimawandel bei deutlich unter zwei Grad″ zu bremsen, möglichst aber schon bei 1, 5 Grad. Wissenschaftler wurden beauftragt auszuarbeiten, ob und wie das machbar ist. In der Nacht zu gestern legten sie ihre Ergebnisse in Südkorea vor.

Die globale Erwärmung auf 1, 5 Grad zu begrenzen erfordert rasche, weitreichende und beispiellose Veränderungen in sämtlichen Bereichen der Gesellschaft″, erklärte der Klimarat IPCC im Anschluss an eine Sitzung in der Küstenstadt Incheon. Um das 1, 5-Grad-Ziel zu erreichen, müsste der globale Ausstoß von Kohlendioxid (CO2 ) und anderen Klimagasen von 2010 bis 2030 um 45 Prozent fallen und im Jahr 2050 netto bei null liegen.

Das 1, 5-Grad-Ziel bezieht sich nicht auf die derzeitige Temperatur, sondern auf die vor der Industrialisierung denn seitdem hat die Erde sich bereits um etwa ein Grad erwärmt. Es bleiben also nur 0, 5 Grad. Wir sehen derzeit bereits die Konsequenzen von einem Grad Erderwärmung wie mehr Extremwetter, steigende Meeresspiegel, schwindendes arktisches Meereis und andere Veränderungen″, sagte der Co-Vorsitzende einer IPCC-Arbeitsgruppe, Panmao Zhai.

Drei bis vier Grad möglich

Einig sind sich die meisten Forscher, dass die Welt ohne zusätzliche Anstrengungen derzeit sogar auf drei bis vier Grad Erwärmung zusteuert. Das Pariser Klimaabkommen sieht vor, dass die Staaten ihre Ziele regelmäßig nachschärfen. Genaue Regeln dafür sollen auf der nächsten UN-Klimakonferenz im Dezember im polnischen Kattowitz beschlossen werden.

Nach dem neuen Bericht können die Menschen möglicherweise etwas mehr CO2 ausstoßen als bisher angenommen, um dennoch das 1, 5-Grad-Ziel zu erreichen. Für den Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Ottmar Edenhofer, ist das kein Grund zur Entspannung. Gegenüber früheren Abschätzungen des IPCC haben wir höchstens einen Zeitgewinn von sieben Jahren.″ Der sei aber schon längst verfrühstückt″ angesichts der Kohlekraftwerke, die oft noch Jahrzehnte CO2 ausstießen.

Der IPCC-Bericht macht deutlich, dass es große Unterschiede zwischen einer Erwärmung von 1, 5 und einer von 2 Grad gibt:

Die Begrenzung auf 1, 5 Grad könnte die Zahl der Menschen, die klimabedingten Risiken ausgesetzt und anfällig für Armut sind, bis 2050 um mehrere Hundert Millionen″ verringern.

Bei 1, 5 Grad werden Ernteeinbußen bei Mais, Reis, Weizen und weiteren Getreidearten geringer ausfallen.

Einen eisfreien Arktischen Ozean im Sommer gibt es wahrscheinlich einmal pro Jahrhundert, bei 2 Grad vermutlich mindestens einmal pro Jahrzehnt″.

Der Meeresspiegel wird bei 1, 5 Grad bis zum Jahr 2100 um 10 Zentimeter weniger klettern als bei 2 Grad.

Etwa 70 bis 90 Prozent der Korallenriffe würden bei 1, 5 Grad verschwinden. Mit 2 Grad wären praktisch alle verloren″, so die Experten.

Bei 2 Grad könnten weniger Fische gefangen werden.

Heute treffen sich die Umweltminister der EU in Brüssel, um über ihre Position vor der kommenden Weltklimakonferenz und den Klimaschutz im Verkehr, also strengere CO2 - Grenzwerte für Neuwagen, zu verhandeln.

Die Bundesregierung zeigte sich beeindruckt vom Sonderbericht des IPCC. Umwelt- und Forschungsministerium forderten mehr Ehrgeiz im Kampf gegen die Erderwärmung. Die Erkenntnis, dass zwei Grad E rwärmung viel schwerwiegendere Folgen für Millionen Menschen hätten als 1, 5 Grad, müsse handlungstreibend″ sein, so Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth. Forschungs-Staatssekretär Michael Meister nannte den Bericht einen Weckruf″.

Die deutschen Umweltverbände forderten größere Anstrengungen der Politik. Auch die Bundesregierung muss ihre Ziele und Maßnahmen der 1, 5-Grad-Grenze anpassen″, sagte BUND-Chef Hubert Weiger. In Deutschland muss deshalb schnellstmöglich mit dem Kohleausstieg begonnen werden″, mahnte der NABU-Präsident Olaf Tschimpke.

Beherztes Umsteuern″

Und auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) wirbt für klimafreundlicheres Verhalten. Im Gespräch mit unserer Redaktion sagte der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm: Deutschland kann mit seinen ausgereiften Umwelttechnologien und dem Umweltbewusstsein der Bevölkerung zeigen, dass ein gutes Leben möglich ist, ohne die Umwelt zu zerstören.″

Die ersten Opfer des Klimawandels seien diejenigen, die am wenigsten dazu beigetragen hätten . „ Auch aus Gerechtigkeitsgründen ist deswegen ein beherztes Umsteuern notwendig″, so Bedford-Strohm. In Deutschland liege der Pro-Kopf-CO2 - Ausstoß bei 9, 1 Tonnen pro Jahr in Tansania, das schon mit Wetterextremen zu kämpfen hat, bei 0, 2 Tonnen.

Der Weltklimarat

Der Weltklimarat, auch IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) genannt, ist das führende internationale Gremium zu wissenschaftlichen Fragen und Antworten rund um die Erderwärmung. Seit seiner Gründung 1998 veröffentlichte der Rat mit Sitz in Genf fünf große Sachstandsberichte und mehrere Sonderreporte zum Klimawandel. In die Papiere des Gremiums fließen die Erkenntnisse Hunderter Wissenschaftler ein. Die Dokumente geben Handlungsempfehlungen an die Politik und gelten als wichtige Verhandlungsgrundlage für die internationalen Klimaverhandlungen. Vor der Veröffentlichung werden die zentralen Aussagen mit Vertretern von Regierungen diskutiert. Das stößt auf Kritik, weil Politiker versuchen könnten, Einfluss zu nehmen. Ende 2007 erhielt der Rat zusammen mit dem Ex-US-Vizepräsidenten und Klimaaktivisten Al Gore den Friedensnobelpreis. Gegründet wurde der IPCC vom Umweltprogramm der UN und der Weltorganisation für Meteorologie.

Incheon Ausbau der erneuerbaren Energien, Verzicht auf Verbrennungsmotoren solche Maßnahmen spielen im Kampf gegen den Klimawandel eine zentrale Rolle. Technische Verfahren, um etwa der Erdatmosphäre Kohlendioxid zu entziehen, wurden hingegen lange als unrealistisch und potenziell gefährlich abgetan. Der Weltklimarat IPCC hebt nun hervor, dass zur Umsetzung der Ziel e des Pariser Abkommens herkömmliche Klimaschutzmaßnahmen nicht ausreichen . Zusätzlich zu Plan A, Treibhausgase gar nicht erst entstehen zu lassen, muss auch Plan B in Kraft gesetzt werden: mit technologischen Eingriffen in die Umwelt, sogenanntem Geo-Engineering, den Klimawandel abzumildern.

CO2 - Speicherung: In Experimenten wurde die Möglichkeit nachgewiesen, CO2 direkt aus der Luft zu saugen, um es in Brennstoff-Pellets umzuwandeln oder es klimaneutral unter Tage zu lagern. Ein von Microsoft-Gründer Bill Gates unterstütztes Unternehmen hat für dieses Verfahren 2015 eine Pilotanlage in Kanada errichtet. Nachteil: Bislang ist die CO-Speicherung immens teuer und daher nicht im großen Maßstab anwendbar.

Massive Aufforstung: Eine beträchtliche Anpflanzung von Bäumen könnte die CO2 - Konzentration in der Atmosphäre deutlich verringern und damit den Treibhausgas-Effekt abmildern. Nachteil: Selbst wenn der Trend zur Zerstörung von Wäldern umgekehrt wird, könnte eine Aufforstung daran scheitern, dass nicht genügend Flächen für die Landwirtschaft und die Erzeugung von Bio-Kraftstoffen übrig blieben.

BECCS: Das Verfahren Bioenergy with carbon capture and storage″ (BECCS) Bioenergie mit CO2 - Abscheidung und - Lagerung vereint natürliche Prozesse mit Hightech-Verfahren. Dabei werden Pflanzen wie Raps, Zuckerrohr, Mais oder Rutenhirse angebaut, die beim Wachstum der Atmosphäre CO2 entziehen. Beim Verbrennen der geernteten Pflanzen zur Energiegewinnung wird das frei werdende CO2 aufgefangen und gespeichert. So werden negative Emissionen″ erreicht: Nach Ablauf des Prozesses ist weniger Kohlendioxid in der Atmosphäre als vorher. Nachteil: Mindestens 40 Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen müssten für Bio-Kraftstoffe zur Verfügung gestellt werden. Dies könnte die weltweite Lebensmittelversorgung gefährden.

Eisendüngung der Meere: Mikroskopisch kleine Meerespflanzen namens Phytoplankton nehmen während ihres Wachstums CO2 auf. Wenn sie absterben, sinken sie mitsamt dem gespeicherten CO2 auf den Meeresboden. Ihr Wachstum kann durch Düngung mit Eisensulfat-Puder stark angeregt werden. Nachteil: Der Sauerstoff-Verbrauch von massenhaft Phytoplankton könnte Todeszonen″ in den Weltmeeren schaffen, in denen kein Leben mehr gedeiht.

Bildtext:
Natürlicher CO2-Speicher: Mais und andere Pflanzen, die zur Energiegewinnung genutz werden, könnten dem Klima helfen.
Foto:
dpa
Autor:
Tobias Schmidt, Teresa Dapp, Dirk Godder, Stefanie Witte, dpa, epd, Marlowe Hood


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