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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
„Rauchwolke Gefahr für Gesundheit″
 
Der lange Weg des Löschwassers
 
Lungenärzte raten Anwohnern mit Vorerkrankung zu Wegzug
Zwischenüberschrift:
Lungenärzte warnen vor Moorbrand im Emsland / Staatsanwaltschaft ermittelt
 
450 Einsatzkräfte des Technischen Hilfswerks aus ganz Deutschland im Kampf gegen den Moorbrand
 
Massive Feinstaubbelastung nahe WTD-Gelände / Grüne Janssen-Kucz: Skandalös, dass die Bundeswehr das Gegenteil behauptet
Artikel:
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Originaltext:
Die Bundeswehr und das Land Niedersachsen machen den Moorbrand im Emsland nun zur Chefsache. Unterdessen leitete die Staatsanwaltschaft Osnabrück ein Ermittlungsverfahren ein. Nach Einschätzung von Lungenärzten geht von dem Qualm eine starke Gesundheitsgefahr aus.

Meppen/ Hannover Der Sprecher des Bundesverbandes der Pneumologen, Schlaf- und Beatmungsmediziner, Michael Barczok, widersprach einer vorherigen Einschätzung der Bundeswehr, von dem Brand gehe keine Gefahr aus. Die Rauchwolke führt zu einer massiven Feinstaubbelastung und ist eine Gefahr für die Gesundheit″, sagte der Lungenarzt unserer Redaktion. Je nachdem, wie der Wind gerade stehe, sei es für Anwohner so, als ob sie sich in einen komplett verräucherten Raum setzen, so Barczok. Es ist, als ob sie fünf Zigaretten gleichzeitig rauchen nur ohne Nikotin.″

Die Staatsanwaltschaft Osnabrück leitete unterdessen ein Ermittlungsverfahren ein. Da kommen Branddelikte in Betracht, insbesondere die Brandstiftung und möglicherweise auch Umweltdelikte, wenn besonders geschützte Gebiete wie Naturschutzgebiete betroffen sind″, sagte Behördensprecher Alexander Retemeyer.

Wie Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius und der Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, Gerd Hoofe, gestern Nachmittag nach einem Ortstermin im Emsland mit dem dortigen Landrat Reinhard Winter mitteilten, sollen nun das Kommando Territoriale Aufgaben″ in Berlin und Spezialpioniere aus Husum die Brandbekämpfung unterstützen.

Hoofe kündigte an, die Bundeswehr werde ab sofort alle notwendigen Einsatzkräfte und technischen Fähigkeiten rund um die Uhr und so lange zur Verfügung stellen, bis das letzte Glutnest gelöscht″ worden sei. Man habe das Logistikbatallion Delmenhorst in Alarmbereitschaft versetzt. Derzeit bringe man 20000 Liter pro Minute im Brandgebiet aus, sagte ein Sprecher der Bundeswehr auf Anfrage. Das entspricht 1200 Kubikmetern pro Stunde oder 28800 Kubikmetern am Tag.

Rund 1000 Einsatzkräfte sind inzwischen vor Ort, darunter Feuerwehrleute der Bundeswehr, zivile Feuerwehren und das Technische Hilfswerk. Allein aus dem Landkreis Osnabrück machten sich gestern 300 Feuerwehrleute mit 60 Fahrzeugen auf den Weg ins Emsland.

Hoofe bedauerte, dass durch den Waffentest auf dem Gelände der Wehrtechnischen Dienststelle WTD 91 eine solche Schadenslage entstanden sei. Das hätte nicht passieren dürfen, und wir entschuldigen uns bei der Bevölkerung für die Folgen″, sagte er. Gemeinsam mit dem Innenminister kündigte Hoofe eine Kehrtwende in der Informationspolitik an. Ab sofort setze man auf bedingungslose Transparenz und werde jeden Tag ein Lagebild veröffentlichen.

Zuvor hatte Pistorius die Kommunikation der Bundeswehr scharf kritisiert. Offiziell sei das Kompetenzzentrum Großschadenslagen des Innenministeriums bis gestern nicht über den Brand informiert worden, sagte der SPD-Politiker gestern im Innenausschuss des Landtags in Hannover. Inoffiziell sei man am 13. September über Anforderungen von Feuerwehrmaterial informiert worden.

Inzwischen hätten sich die Kommunikation und auch die Zusammenarbeit verbessert, auch wenn es weiter diffundierende Anforderungen″ seitens der Bundeswehr gebe, sagte der Minister. Er betonte, dass die Bundeswehr auch weiterhin die Oberhoheit über den Einsatz habe. Ich kann nicht mit einer Berufsfeuerwehr das Gelände besetzen″, sagte Pistorius.

Umweltminister Olaf Lies zeigte sich besorgt über die ökologischen Folgen des Moorbrandes. In einem Brief, der unserer Redaktion vorliegt, fordert der SPD-Politiker die Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) auf, ihm einen Sachstandbericht zunächst zum aktuellen Stand des Brandes″ zukommen zu lassen. Seite 3

Brand im Moor: Weitere Texte, Eindrücke und Hintergründe, Videos und Bildergalerien von der Lage im Emsland sowie einen Liveticker finden Sie auf noz.de

Bildtext:
Sisyphusarbeit: Feuerwehrleute der Bundeswehr spritzen mit einer Löschraupe Wasser auf die kokelnden Flächen im Moor.
Foto:
Bundeswehr/ Marcus Rott

Kommentar
Dreist und überfordert

Das stinkt zum Himmel. Da schießt die Bundeswehr ein Moor im Emsland in Brand, und was macht die Verteidigungsministerin? Sie schweigt, während die Truppe vor Ort lange beschwichtigte mit Weisheiten wie dieser: Moorbrände kommen einfach vor.″ So viel Dreistigkeit ist unverzeihlich angesichts eines Feuers, das eines der größten in der Geschichte Niedersachsens ist. Die Rauchwolken ziehen mittlerweile über Hamburg bis nach Schleswig-Holstein. Mehr als 1000 Einsatzkräfte von Berufs- und freiwilligen Feuerwehren sowie dem Technischen Hilfswerk aus dem gesamten Bundesgebiet kämpfen darum, Schlimmeres zu verhindern. Ein Ende ist noch lange nicht in Sicht.

Das desolate Krisenmanagement der Bundeswehr passt ins Bild einer heruntergewirtschafteten Truppe, die es mit einem Waffentest schafft, ein folgenschweres Unglück zu verursachen, weil ein Löschfahrzeug kaputtging.

Jetzt gelobt das Verteidigungsministerium Besserung, doch die Bevölkerung muss endlich umfassend aufgeklärt werden. Lungenärzte widersprechen der Bundeswehr öffentlich und warnen eindringlich vor Risiken. Die Causa WTD 91 zeigt einmal mehr, wie sehr die Verteidigungsministerin im Amt überfordert ist.

Seit einer Woche unterstützt das Technische Hilfswerk (THW) die Bundeswehr bei den Löscharbeiten des Moorbrandes auf der WTD 91 in Meppen. Derzeit sind 450 Einsatzkräfte des THW aus vielen Teilen Deutschlands vor Ort.

Meppen/ Stavern Im beschaulichen Örtchen Stavern ist normalerweise nicht viel los. Doch seitdem der Moorbrand auf dem Gelände der Wehrtechnischen Dienststelle 91 (WTD) von der Bundeswehr selbst nicht mehr unter Kontrolle zu bekommen war, hat das THW hier eines seiner Quartiere eingerichtet. Überall liegen dicke Wasserschläuche, stehen große und schwere blaue Spezialfahrzeuge und - Lkw, Menschen in blauen Monturen sind mit allen möglichen Aufgaben betreut. Das Vogelgezwitscher wird unterlegt von den Betriebsgeräuschen der großen Wasserpumpen.

Derzeit seien etwa 450 Kräfte des THW aus ganz Deutschland auf dem und um das WTD-Gelände Tag und Nacht im Einsatz, sagt Michael Schott, der zusammen mit seinem Kameraden Wolfgang Schumann für die Öffentlichkeitsarbeit des THW zuständig ist. Im Moment ist es relativ ruhig. Doch das kann sich jede Minute wieder ändern.″ Wie schnell sich die Lage ändern kann, erfuhren die Einsatzkräfte am Dienstagnachmittag, als sich der Moorbrand durch den Wind unerwartet ausbreitete und für eine riesige Rauchwolke sorgte. Nur durch die Zusammenarbeit aller Akteure konnte das Feuer in Schach gehalten werden.

Über die Kommunikation zwischen den zivilen Einsatzkräften und denen der Bundeswehr sowie der WTD können die beiden THW-Kräfte nichts Schlechtes berichten. Im Gegenteil: Wir arbeiten hier erfolgreich als ein Team zusammen″, sagt Schott. Man stünde im stetigen Austausch mit der Einsatzleitung und könne jederzeit schnell auf eine sich ändernde Lage reagieren. Dass die Löscharbeiten langwierig und kompliziert sind und sich wohl noch längere Zeit hinziehen werden, ist allen Beteiligten klar.

Wasser aus der Ems

Die Hauptaufgabe der ehrenamtlichen Helfer ist die Sicherstellung der Wasserversorgung für die Feuerwehr, die seit dem 4. September gegen den hartnäckigen Brand kämpft. Über mehrere Kilometer Entfernung wird das Wasser aus dem Ems, dem Dortmund-Ems-Kanal und der Nordradde zu den Brandherden gepumpt. In Spitzenzeiten können bis zu 15000 Liter pro Minute gefördert werden. Einfach einen langen Schlauch zu verlegen ist in diesem speziellen Fall gar nicht möglich″, erklärt Schumann. Es sind mehrere Pumpen in Reihe geschaltet, sonst wären die Distanzen gar nicht zu bewältigen.″ An jeder dieser Pumpstationen sind große Wasserbecken aufgebaut, die entfernt an Swimmingpools erinnern. Diese dienen als Puffer, damit stets genug Druck bei den Löschmannschaften auf dem WTD-Gelände ankommt.

Diese Pumpen müssen ständig beobachtet und kontrolliert werden. Tobias Brock aus Wunstorf ist einer der vielen Techniker, die die Maschinen im Blick haben. Für den 25-Jährigen ist es ein interessanter und spannender Einsatz. Die Arbeitsbelastung ist immer unterschiedlich″, sagt er. Das hängt immer davon ab, wie gerade die Lage beim Moorbrand ist.″ Gearbeitet wird in Zwölf-Stunden-Schichten von 8 bis 20 Uhr oder von 20 bis 8 Uhr. Seit vergangenen Donnerstag ist Brock im Einsatz.

Doch nicht nur die Versorgung mit Wasser gehört zu den Aufgaben des THW im Emsland. Auch die rund 450 Einsatzkräfte müssen versorgt sein. Von hier werden alle Einheiten mit Essen aus einer Großküche auf dem WTD-Gelände beliefert. Der Großteil der Essensrationen geht nach Klein Stavern auf den Fußballplatz. Dort hat das THW eine Zeltstadt errichtet. Wir haben hier Platz für 500 Mann″, sagt Thomas Sasse, Fachberater für Führungs- und Koordinierungs-Einrichtungen. Aktuell sind wir gut belegt. Es gibt aber Pläne, dass wir auf 1000 Schlafplätze aufstocken sollen. Wann und wie das passieren soll, steht bislang aber noch nicht fest.″ Zurzeit stehen 37 Zelte zum Schlafen auf dem Sportplatz. Weitere Zelte sind zum Essen und Waschen aufgestellt. Toiletten und Duschen werden im Vereinsgebäude des SV Stavern zur Verfügung gestellt. Insgesamt fühle man sich gut aufgehoben, betont Sasse. Es läuft bislang alles gut mit.″

Blindgänger explodieren

Unterdessen erschweren Blindgänger und Restmunition die Arbeiten auf dem WTD-Gelände: Wie der Leiter Brandbekämpfung der Bundeswehr, Andreas Sagurna, gestern vor zahlreichen Medienvertretern mitteilte, komme es dort immer wieder zu Explosionen von Altmunition oder Blindgängern. Die Geschosse lagern im Moorboden der seit den 1870er-Jahren als Erprobungsgebiet genutzten Tinner Dose, dem größten weitgehend erhaltenen Hochmoor Westeuropas.

Diese Explosionen erschwerten zwar die Löscharbeiten, gefährdeten aber die eingesetzten 400 Kräfte von Feuerwehr, 300 vom THW und 200 von der Bundeswehr nicht, da diese den Brand an gefährdeten Stellen von außen bekämpften. Sagurna betonte: Die Einsatzkräfte leisten Unglaubliches.″

Bildtext:
Seit mehr als einer Woche im Dauereinsatz: Das THW unterstützt die Löscharbeiten am Rande des vom Moorbrand betroffenen Bundeswehr-Geländes im Emsland.
Foto:
Harry de Winter

Meppen/ Hannover Mit scharfer Kritik hat Meta Janssen-Kucz, gesundheitspolitische Sprecherin der Landtagsfraktion der Grünen, auf die mögliche Gesundheitsgefahr durch den Qualm des Moorbrandes im Emsland reagiert. Es überrascht mich überhaupt nicht, dass die deutschen Lungenärzte angesichts der Moorbrände vor Gesundheitsschäden warnen. Es ist skandalös, dass die Bundeswehr das Gegenteil behauptet, und darf auch nicht ohne Folgen bleiben″, sagte Janssen-Kucz unserer Redaktion.

Auch erste Informationen des Sozial- und Gesundheitsministeriums machten ihrer Ansicht nach deutlich, dass an 13 von 29 Messstellen gerade im Bereich des gefährlichen, nicht wahrnehmbaren Kohlenmonoxids die medizinischen Grenzwerte erreicht sind, wenn auch noch nicht überschritten werden″. Notwendige Messungen zu Feinstaub und Polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (krebserregende Umweltstoffe) seien laut Janssen-Kucz bis heute nicht erfolgt, lägen aber im Zuständigkeitsbereich des Landkreises Emslandes.

Die Landesregierung muss die jetzt bekannt gewordenen Messungen veröffentlichen und weitere Werte erheben, auswerten und veröffentlichen″, sagte Janssen-Kucz weiter. Wir haben definitiv eine gesundheitliche Gefährdungslage im gesamten Nordwesten. Das Land Niedersachsen ist für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung zuständig und muss Verantwortung übernehmen: So muss dringend geklärt werden, ob Kinder in Kitas und Schulen unbedenklich draußen sein können oder Arbeitnehmer im Freien arbeiten können.″

Wie Michael Barczok, Sprecher des Bundesverbandes der Pneumologen, Schlaf- und Beatmungsmediziner, unserer Redaktion sagte, würden Schleimhäute auf die Feinstaubbelastung reagieren, ein Kratzen im Hals oder ein Hüsteln seien die Folge des Qualms. Dass junge, gesunde Menschen dadurch einen dauerhaften Schaden erleiden, glaubt der Lungenspezialist allerdings nicht. Jedoch sei die Rauchbelastung für Menschen mit chronischen Lungenerkrankungen wie Asthma oder COPD ein echtes Problem″. Jeweils zehn Prozent der deutschen Bevölkerung leiden laut Barczok unter diesen Erkrankungen. Betroffenen rät der Mediziner, in Absprache mit dem Hausarzt die Dosierung der Medikamente zu erhöhen oder während des Brandes zu Bekannten in einen Nachbarort zu ziehen.

Obwohl der Landkreis Emsland derzeit eine Gesundheitsgefährdung durch den Rauch ausschließt, weist die Behörde mit Blick auf das nach wie vor vorhandene Rauchaufkommen″ darauf hin, dass betroffene Anwohner Fenster und Türen geschlossen halten sowie Klimaanlagen ausschalten sollen″. Dazu rät auch Barczok. Seiner Aussage nach sollten Kinder während des anhaltenden Moorbrandes sich im Inneren aufhalten und nicht draußen spielen: Die Lunge von Kindern ist kleiner, sie atmen häufiger, somit gelangt der Feinstaub schneller in ihren Körper.″

Den Qualm als ungefährlich zu bewerten sieht auch Philip Böhmer, Chefarzt der Fachabteilung Innere Medizin/ Pneumologie im Ludmillenstift in Meppen, kritisch und bezeichnet dies als Schutzbehauptung″. Durch den Moorbrand, der sich inzwischen auf eine Fläche von mehr als 1000 Fußballfeldern ausgedehnt hat, sei eine Vielzahl an organischen, also kohlenstoffhaltigen, Stoffen freigesetzt worden. Bei Menschen mit Lungenerkrankungen könnten diese zu Anfällen führen. Zwar könnte es nicht zu einer lebensbedrohlichen Kohlenmonoxid-, dafür aber zu einer Kohlendioxid-Vergiftung kommen, die sich beispielsweise durch Kopfschmerzen bemerkbar macht.

In einer gestrigen Pressemitteilung hatte der emsländische Landrat Reinhard Winter mitgeteilt, dass unser Fachbereich Gesundheit aktuell keine Gesundheitsgefährdung durch den Qualm erkennt″. Der Landkreis bezog sich dabei auf die Werte der Luftmessung einer Erkundergruppe des ABC-Zuges Leer, den die Bundeswehr beauftragt hatte. Zuvor hatte auch die Bundeswehr behauptet, dass der Rauch keine Gesundheitsgefahr darstelle.

Bildtext:
Qualm über dem Emsland: Lungenärzte warnen vor der Gefahr.
Foto:
Stephanie Witte
Autor:
Tobias Böckermann, Julia Mausch, Klaus Wieschemeyer, Michael Clasen, Harry de Winter


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