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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Johannisstraße ohne Busse?
 
Johannisstraße mit oder ohne Busse?
 
Das Baustellen-Dilemma wird noch schlimmer
Zwischenüberschrift:
FDP will den ÖPNV aus dem vorderen Bereich verbannen / Rat vertagt Entscheidung
 
Fakten und Hintergründe zur Verkehrsdebatte im Rat / Was können externe Berater leisten?
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück Die Osnabrücker FDP-Fraktion will die Busse aus der vorderen Johannisstraße verbannen. Ihr Antrag war für den Rat Anlass, die Probleme der Kaufleute einmal in den Blick zu nehmen. Die Busfrage selbst wurde vertagt.

Nach dem Neumarkt rückt jetzt auch die Johannisstraße in den Fokus des Osnabrücker Rates: Die FDP fordert, dass die Einkaufsmeile busfrei wird, kann sich damit aber fürs Erste nicht durchsetzen.

Osnabrück Die Kaufleute aus der Johannisstraße beschweren sich seit Jahren über die Situation vor ihren Geschäften von pöbelnden Alkohol- und Drogenkranken bis zu Vermüllung. Jetzt haben sie Oberbürgermeister Wolfgang Griesert (CDU) erneut einen Brief geschrieben. Die derzeitige Baustelle hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Die Stadtwerke erneuern derzeit sämtliche Kanäle; noch bis ins Frühjahr 2020 bleibt die Johannisstraße Großbaustelle.

Und so lange ist sie für Busse gesperrt. Hätte die FDP allein das Sagen in Osnabrück, würde das im vorderen Teil auch so bleiben, damit die Straße schöner werden kann. Die vordere Johannisstraße ist ein Schandfleck in unserer Stadt″, begründete FDP-Ratsmitglied Oliver Hasskamp den Antrag seiner Fraktion. Hohe Busfrequenzen würden das Shoppen auch weiterhin unattraktiv″ machen, so Hasskamp, und der Lärm mache krank. Attraktiv und mit Sitzgelegenheiten solle die Johannisstraße stattdessen ausgestattet werden. Das gehe nur, wenn die lauten und schweren Busse verbannt würden auch optisch, denn dann sei keine Gestaltung aus Beton wie am Rosenplatz mehr nötig. Die Verwaltung ist nicht an einer attraktiven, zukunftsfähigen Johannisstraße interessiert″, warf er den Herren am Kopfende des Sitzungssaals vor.

Und die mussten sich noch mehr Kritik anhören. Die Johannisstraße sei mittlerweile ein sozialer Brennpunkt und sei über Jahrzehnte vernachlässigt worden″, beschwerte sich SPD-Ratsmitglied Heiko Panzer. Die Kaufleute bemühen sich seit anderthalb Jahren um einen Termin mit dem Oberbürgermeister.″ Griesert verteidigte sich: Stadtbaurat Frank Otte (Grüne) habe in seinem Namen Gespräche mit den Kaufleuten geführt. Die allerdings fühlen sich schlecht über die Baustelle informiert und von der Stadt vernachlässigt, wie sie unserer Redaktion mehrfach sagten. Nun ist ein Treffen zwischen den ihnen, Griesert und Otte für heute vereinbart.

Und was wird nun aus den Bussen? Die Kaufleute sind sich in der Frage selbst nicht einig. Manche profitieren von der zusätzlichen Kundschaft, die durch die Busse in ihre Läden kommt, andere wünschen sich mehr Ruhe für entspannteres Einkaufen.

Der ÖPNV sei nicht der alleinige Grund für den Niedergang der Johannisstraße, sagte SPD-Mann Panzer. Und trotzdem: Einen ÖPNV-freien Neumarkt könne sich die SPD zwar nicht vorstellen, eine ÖPNV-freie Johannisstraße aber schon, so Panzer. Für ihre frühe Positionierung beim Neumarkt haben sich die Sozialdemokraten viel Kritik von allen anderen Fraktionen außer den Grünen eingefangen. Derzeit erstellt nämlich ein Büro im Auftrag aller Fraktionen außer dem Bund Osnabrücker Bürger (BOB) eine ÖPNV-Machbarkeitsstudie, die zeigen soll, ob ein busfreier Neumarkt überhaupt möglich ist.

Stadtbaurat Otte sagte auch zum FDP-Vorstoß, es sei nicht förderlich, jetzt Entscheidungen vorwegzunehmen. Im Übrigen könne man auch mit Beton eine Straße attraktiv gestalten, und in der Johannisstraße sei eine Kombination mit Naturstein geplant. Außerdem würde mit der Einführung von Elektrobussen eine Abnahme von Lärm und Schadstoffen einhergehen. Christoph Bertels (CDU) mahnte zu Gelassenheit: Wir sollten ein bisschen entspannt bleiben, bis die Ergebnisse vorliegen.″

Gegen die Stimmen von FDP, BOB und Pirat, die gern direkt einen Beschluss gefasst hätten, wurde das Thema auf Initiative der Grünen an den Stadtentwicklungsausschuss verwiesen.

Bildtext:

Baustellenbedingt ist die Johannisstraße derzeit busfrei - aber auch die Kunden bleiben weg, beklagen die Kaufleute.

Foto:
Archiv/ Michael Gründel

Kommentar
Spät aufgewacht

Jetzt sind sie aufgewacht. Plötzlich interessieren sich die Osnabrücker Ratsleute für die Anliegen der Kaufleute aus der Johannisstraße reichlich spät.

Die Resonanz auf die wiederholten Beschwerden der Geschäftsinhaber seit drei Jahren war bislang mehr als verhalten. Ironischerweise braucht es erst das Reizthema Verkehr, damit ihren Anliegen nun etwas mehr Aufmerksamkeit zuteilwird.

Ob die Johannisstraße nun künftig mit oder ohne Busse funktionieren soll, ist für die Kaufleute momentan die geringste Sorge. Schon vor der Baustelle war die heruntergekommene Einkaufsmeile vom Rest der Innenstadt abgehängt, durch die Baustelle haben die meisten Läden herbe Umsatzeinbußen zu beklagen.

Was auch immer die Stadt tun kann, um die Kaufleute unterstützen etwa zügigere Baustellenabwicklung und verstärkte Kontrollen durch den Ordnungsdienst –, sollte sie schleunigst tun. Für den einen oder anderen könnte das späte Interesse bereits zu spät kommen.

Externe Berater sollen es also richten. Der Rat hat Dienstagabend beschlossen, das Baustellen-Management von Fachleuten durchleuchten zu lassen. Bringt das was? Die Berater können weder die Baustellen noch den Verkehr wegzaubern. Und im nächsten Jahr wird es noch viel schlimmer. Eine Analyse.

Osnabrück Beim Thema Baustellen kochen in Osnabrück die Emotionen hoch. Zum Überkochen kam es im Juli, als die IHK-Geschäftsführerin Anke Schweda der Stadt ein miserables Baustellen-Management bescheinigte. CDU-Fraktionschef Fitz Brickwedde schürte am Dienstagabend in der von der CDU-Fraktion beantragten Aktuellen Stunde im Rat die Emotionen weiter: Es herrsche großer Unmut″, Bauarbeiten dauerten einfach zu lange″, die Fahrzeiten vieler Pendler hätten sich verdoppelt″.

Stadtbaurat Frank Otte verfolgte äußerlich ruhig die Debatte, inhaltlich muss er gekocht haben. Nur einmal platzte es aus ihm heraus, als er bemüht sachlich die Rahmenbedingungen beschrieb: Seit den Siebzigerjahren sei das Straßennetz in Osnabrück im Wesentlichen unverändert. Erweiterungen habe es nicht gegeben. Auch die Zahl der Baustellen pro Jahr in Osnabrück ist nach seinen Worten etwa gleich geblieben.

Zahlen lieferte Otte am Mittwoch auf Wunsch unserer Redaktion nach: 2013 bis 2018 hat es demnach jährlich 2000 bis 2100 Baustellen gegeben, die den öffentlichen Verkehrsraum berührten vom einfachen Hausanschluss bis zum Großprojekt Neumarkt. Das vergangene Jahr markierte mit 1889 Baustellen den Tiefpunkt. In diesem Jahr wurde Stand Mittwoch bislang an 1337 Stellen gebuddelt. Wir werden auch 2018 die 2000er-Marke erreichen″, sagte Otte. Was in diesem Jahr anders ist: Es waren nach Ottes Worten etwas mehr Hauptverkehrsstraßen″ betroffen.

Deutlich verändert habe sich die dritte Variable, so Otte: die Zahl der Autos auf den Straßen. Der Stadtbaurat zitiert amtliche Statistiken, wonach sich der Fahrzeugbestand bundesweit seit den Sechzigerjahren verzwölffacht hat. Aus Datensammlungen des Kraftfahrtbundesamtes geht hervor, dass der Fahrzeugbestand in der Region Osnabrück von 2008 bis 2017 um rund 15 Prozent angestiegen ist. Otte sagt: Wenn es gelingt, die eigentlich unnötigen Autofahrten zu reduzieren, ist mehr Platz auf den Straßen für diejenigen, die aufs Auto angewiesen sind.″

Marco Graf, IHK-Geschäftsführer, äußerte sich am Tag nach der Ratssitzung erfreut, dass unsere konstruktive Kritik von der Politik aufgegriffen und nun an der Verbesserung der Baustellensituation gearbeitet wird″. Dafür sei der aktuelle Ratsauftrag ein guter erster Schritt. Entscheidend ist allerdings eine erfolgreiche Umsetzung, insbesondere auf den Hauptverkehrsstraßen. Kriterium dafür ist die Erreichbarkeit Osnabrücks.″

Eine alte Diskussion

Diskussionen über das Baustellen-Management erhitzten den Osnabrücker Rat schon zu der Zeit von Ottes Vorvorgänger. Im August 2002 stempelte die Politik den damaligen Stadtbaurat Jörg Ellinghaus zum Sündenbock. Anlass war, dass durch parallele Baustellen Teile des Westerbergs für einige Tage vom Verkehr abgeschnitten waren. Ellinghaus wies die Vorwürfe zurück und machte die Verlagerung des Tiefbauamtes aus seiner Zuständigkeit hin zu den Stadtwerken für die schlechte Koordination verantwortlich. Der damalige Oberbürgermeister Hans-Jürgen Fip hatte die Ausgliederung durchgesetzt. Und in dieser Baustelle liegt der Hund auch heute noch begraben.

Die Stadtwerke sind für die Kanäle zuständig, die Stadt macht den Straßenneubau und der Osnabrücker Servicebetrieb (OSB) die Straßenunterhaltung. Jeder vergibt die Aufträge in eigener Verantwortung, sodass auf einer Baustelle unterschiedliche Unternehmen für unterschiedliche Auftraggeber am Werk sein können. Es muss viel abgesprochen werden. 2003 schufen Stadt und Stadtwerke zwei Stellen ausschließlich zur Baustellenkoordination. 2006 wurden die Prozesse weiter optimiert. Heute treffen sich die Mitglieder der Koordinationsstelle nach Angaben von Stadtbaurat Otte etwa einmal im Monat, um Maßnahmen abzustimmen. Externe Berater sitzen schon jetzt mit am Tisch. Mitarbeiter der Unternehmensberatung Confideon aus Berlin moderieren die Sitzungen und prüfen fortlaufend die Abstimmungsprozesse auf ihre Effizienz.

Verspricht der Ratsbeschluss vom Dienstag vor diesem Hintergrund wirklich Verbesserungen? Die Grünen, die den Antrag eingebracht haben, erhoffen sich von Unternehmensberatern, dass sie die Egoismen der beteiligten Organisationseinheiten″ (Volker Bajus im Rat) entlarven und ausräumen. Stadtwerke-Chef Christoph Hüls, der die Debatte im Rathaus verfolgte, äußerte sich am Mittwoch dazu diplomatisch: Natürlich arbeiten wir im gemeinsamen Baustellen-Management kontinuierlich daran, wie wir Bauabläufe optimieren und Bauzeiten verkürzen können und begrüßen jedwede Unterstützung, die zur weiteren Optimierung sowie zur Versachlichung der Debatte beiträgt.″

Auch Stadtbaurat Otte nimmt die externe Hilfe gern entgegen und hat konkrete Vorstellungen: Gebraucht würden Simulationen, die den Einfluss von Baustellen auf das Verkehrsnetz darstellen. Solche Projektionen für das gesamte Netz einer Stadt gebe es noch nicht, es werde aber daran gearbeitet. Wir sind in Gesprächen mit der Technischen Hochschule Aachen″, sagte Otte. Man wisse einfach zu wenig darüber, wie sich Verkehre bei punktuellen Eingriffen in das System veränderten.

Rheiner Landstraße

Wichtig wäre so eine Simulation schon im kommenden Jahr beim Eingriff in die Rheiner Landstraße. Weil am Finkenhügel ein Baugebiet entstehen soll, muss der Kanal vergrößert werden. Zwei Jahre dürften die Bauarbeiten dauern unter abschnittsweiser Sperrung der wichtigen Hauptverkehrsstraße. CDU-Fraktionschef Fritz Brickwedde sagte in der Ratssitzung, es sei nicht zu akzeptieren, dass das so lange dauert″.

Eine Tunnelbauweise wie an der Lotter Straße halten Fachleute aus technischen Gründen für nicht umsetzbar. Ob Doppelschichten und Nachtarbeit Akzeptanz bei den Anwohnern finden, ist ebenso offen wie die Frage, ob sich Baufirmen mit Beschleunigungsprämien locken lassen. Zur Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses in der kommenden Woche will das Bauamt ein Baustellenkonzept vorlegen.

Viele Anlieger blicken schon mit unguten Gefühlen dem schweren Eingriff entgegen. Der Pächter der Westfalen-Tankstelle etwa, dessen Existenz von der Erreichbarkeit seiner Tanksäulen abhängt. Die Westfalen AG will sich dazu aber erst äußern, wenn das Baustellenkonzept vorliegt.

Befürchtungen, die Rheiner Landstraße könnte im kommenden Jahr zeitgleich mit dem parallel verlaufenden Lieneschweg gesperrt sein, sind inzwischen entkräftet. CDU-Ratsfrau Katharina Pötter hatte das aus der Liste von geplanten Straßenrenovierungen geschlossen, die die Verwaltung jetzt vorgelegt hat. Darin ist der Lieneschweg für 2019 zwar vorgemerkt, wird aber nicht angepackt, wie Otte am Mittwoch unserer Redaktion versicherte.

Diese Renovierungsliste deutet aber schon an, dass das Baustellen-Problem die Autofahrer auch 2019 weiter nerven wird. Der Hintergrund: Wegen der aktuell guten Finanzlage hat die Stadt zwölf Millionen Euro in eine Rücklage für die Straßenunterhaltung verschoben. Damit könnten dringend notwendige Reparaturen nachgeholt werden, rechtfertigt Finanzchef Thomas Fillep die Umbuchung.

Der OSB und der Fachbereich für Verkehrsanlagen haben 108 Einzelmaßnahmen aufgelistet, die nach und nach abgearbeitet werden sollen. Hinzu kommt der Breitbandausbau – „ den wir ja alle wollen″, wie Volker Bajus im Rat sagte.

Im Klartext: noch mehr Baustellen im öffentlichen Verkehrsraum.

Mehr zur Verkehrsdebatte in Osnabrück: noz.de/ verkehr-os

Bildtexte:
Etwa 2000 Baustellen werden jährlich in Osnabrück aufgemacht. In diesem Jahr sind es bisher 1337 Baustellen (hier am Pottgraben).
Die Baustellen-Debatte ist nicht neu.
Fotos:
wth
Grafik:
Nabrotzky/ NOZ
Autor:
Sandra Dorn, Wilfried Hinrichs
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