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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Dieselaffäre: Stadt zahlt, VW spart
 
Dieselskandal kostet 3,8 Millionen
Zwischenüberschrift:
Stadt will mit umweltsensitivem Verkehrsmanagement Fahrverbote verhindern
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück Während die Stadt um die Einhaltung der Stickstoffdioxid-Grenzwerte kämpft und dafür viel Geld in die Hand nehmen muss, spart VW Millionen, weil der Konzern seine Milliardenstrafe von der Steuer absetzen kann.

Die Stadt muss die Beine unter den Arm nehmen, wenn sie Fahrverbote für Diesel vermeiden will. Ein umweltsensitives Verkehrsmanagement könnte einem Gutachten zufolge, das jetzt dem Stadtentwicklungsausschuss vorgestellt wurde, eine Lösung im Gesamtkonzept Masterplan Green City und Luftreinhalteplan sein.

Osnabrück. Was ist das, ein umweltsensitives Verkehrsmanagement″? Grob gesagt handelt es sich bei einem UVM um die Steuerung der Ampeln je nach Verkehrsmengen und Umweltdaten. Mit anderen Worten: Die aktuellen Daten der Messstationen und des Verkehrsaufkommens werden in den zentralen Rechner, der die Lichtsignalanlagen an Osnabrücks Straßen steuert, eingespeist. Der Rechner regelt den Verkehr dann so, dass die Grenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2 ) nicht überschritten werden.

Faktisch wird für den Beginn regulatorischer Maßnahmen das Stundenmittel der Grenzwertüberschreitung auf 70 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Stunde festgelegt. Ist diese Schwelle erreicht, greift das System in den Verkehr ein. So kann nach Berechnungen der Gutachter, die von einem für Individualverkehr gesperrten Neumarkt ausgegangen sind, der jährliche Grenzwert von 40 Mikrogramm eingehalten werden. Ziel ist immer, dass der Verkehr flüssig bleibt″, so Detlef Gerdts, der den Fachbereich Umwelt und Klimaschutz verantwortet. Je flüssiger der Verkehr, desto geringer die Schadstoffbelastungen. Das UVM kann dann zum Beispiel dem Verkehr auf dem Wall den Vorrang geben, um das belastete Zentrum zu entlasten″, sagt Gerdts. In der Konsequenz müssen die Verkehrsteilnehmer auf den Einfallsstraßen dann gegebenenfalls etwas mehr Geduld aufbringen.

Bis 2020 muss der Luftreinhalteplan umgesetzt sein, anderenfalls drohen Fahrverbote für Dieselfahrzeuge. Die Verwaltung geht in ihrer Mitteilungsvorlage für den Ausschuss davon aus, dass mit einem UVM der Grenzwert am Schlosswall und an anderen Stellen mit Grenzwertüberschreitungen vor 2022 eingehalten werden kann und so Dieselfahrverbote in Osnabrück verhindert werden können.

Die Kosten für das UVM schätzen die Gutachter auf etwa 3, 2 Millionen Euro. Inklusive weiterer Nebenkosten rechnet Gerdts mit einem Gesamtvolumen von 3, 8 Millionen Euro, die derzeit noch nicht im Budget verankert sind. Die Hälfte schießt der Bund aus Fördermitteln zu, den Rest muss die Stadt zahlen. Die Antragsfrist läuft noch bis zum 31. August. Eile ist also geboten. Darauf wiesen Stadtbaurat Frank Otte und Detlef Gerdts in der Ausschusssitzung hin. Zuvor hatte Oliver Haskamp (FDP) beklagt, die Verwaltung setze die Politik unter zeitlichen Druck. Wir setzen Sie nicht unter Druck. Der Druck kommt von ganz anderer Seite″, so Otte. Und Gerdts betonte, dass der Luftreinhalteplan bis Oktober vorliegen müsse. Es gibt keine andere Maßnahme, um Fahrverbote zu verhindern.″ Volker Bajus (Grüne) monierte, dass die Stadt nun für den Betrug der Automobilkonzerne″ zahlen müsse.

Genau genommen wird die Stadt sogar zweimal bluten müssen. Neben den Kosten für die Anstrengungen zur Reduzierung der Schadstoffbelastungen werden Kämmerer Thomas Fillep nach eigenen Schätzungen am Ende des Jahres auch noch deutlich mehr als eine Million Euro an Gewerbesteuereinnahmen fehlen. Die nämlich wird der VW-Konzern durch die Möglichkeit der steuerlichen Abschreibung der ihm auferlegten Strafzahlung in Höhe von einer Milliarde Euro verteilt auf seine Standorte einsparen. Nehme man weitere Abschreibungsmöglichkeiten hinzu, werde sich für den Automobilbauer eine steuerliche Abschreibung aus den Bußgeldern für die Manipulation an seinen Dieselfahrzeugen in Höhe von etwa 35 Prozent ergeben, mutmaßt Fillep.

In einem Schreiben an den niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) und seinen Stellvertreter Dr. Bernd Althusmann (CDU) formulierten die Bürgermeister der Städte mit VW-Standorten die Bitte, über die zu erwartenden Gewerbesteuerausfälle wegen der Strafzahlung von VW an das Land Niedersachsen zu sprechen. Sie bekräftigten demnach die bereits zuvor gestellte Forderung, dass mit einem Teil der Bußgeldmilliarde gezielt Projekte in den niedersächsischen VW-Standorten gefördert werden, etwa Ladeinfrastruktur für E-Mobilität oder Glasfaser- und 5G-Infrastruktur für autonomes Fahren.

Neben dem drohenden erheblichen Gewerbesteuerausfall hat die Manipulation der Abgaswerte dazu geführt, dass unser geltender Luftreinhalteplan obsolet geworden ist″, so OB Wolfgang Griesert. Wir sind vom Land Niedersachsen, das ja auch Eigentümer von Volkswagen ist, aufgefordert, eingreifende Konzepte zu erarbeiten und schnellstmöglich umzusetzen: Für Osnabrück sind dieses umweltsensitive Ampelsteuerungen und Verkehrslenkungssysteme, die unter den spezifischen Rahmenbedingungen der Stadt Osnabrück mit Millionenbeträgen verbunden sind. Vor diesem Hintergrund wäre es aus meiner Sicht nicht in Ordnung, wenn einer der Verursacher dieses Skandals das Strafgeld steuerlich auf Kosten derjenigen Kommunen absetzen kann, die unter den Folgen zu leiden haben.″

Bildtext:
Osnabrücks Ampeln sollen in Zukunft umweltsensitiv gesteuert werden.
Foto:
Gründel

Kommentar
Stadt zahlt für die Vergehen der anderen doppelt

Nicht genug damit, dass eine ohnehin nicht auf Rosen gebettete Kommune wie Osnabrück für die milliardenschweren Automobilkonzerne die Kartoffeln aus dem Feuer holen muss die Stadt zahlt bei ihrem Bemühen, die Schadstoffe aus den nur vermeintlich sauberen Dieseln der Euro-fünf- und Euro-sechs-Norm in den Griff zu bekommen, auch noch ordentlich drauf.

Masterplan Green City″ was sich schon fast nach Blumen, Bäumen und grünen Wiesen, auf denen kränzeflechtende Jungfrauen singend den Tag genießen, anhört, ist tatsächlich nicht mal mehr als Euphemismus zu bezeichnen. Dieser Masterplan ist nichts anderes als die verzweifelte Suche nach einer Überlebensstrategie, um dem Erstickungstod zu entgehen.

Die Verursacher all der mit dem Masterplan verbundenen Kosten die Automobilkonzerne ziehen sich aus der Verantwortung. Halbherzige Softwareupdates anstelle kostenaufwendiger Hardwarenachrüstungen sind alles, was die Hersteller der Betrugsdiesel zu bieten haben.

Dass der VW-Konzern dem Stadtsäckel dann noch einen zweiten Dolchstoß verabreichen kann, indem er durch Abschreibungen auf seine Strafzahlung kräftig an der Gewerbesteuer spart, ist eine mit Worten nicht mehr zu beschreibende Ungerechtigkeit.

Solange solche steuerlichen Vorteile eher die Regel denn die Ausnahme sind, muss sich niemand wundern, wenn Schulen marode sind und Straßen aus Löchern bestehen. Schon gar nicht verwundern darf es, dass, wer seinen Diesel nach Treu und Glauben als schadstoffarm gekauft und dafür viel Geld ausgegeben hat, von keiner Seite Hilfe bekommt, geschweige denn einen Nachlass auf seine Einkommensteuer, weil sein schicker Neuwagen einen skandalbedingten Wertverlust hat.
Autor:
Dietmar Kröger


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