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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
„Die haben Nerven″
Zwischenüberschrift:
Wie Fritz Wolf britische Eigenbrötlereien in Osnabrück und Europa aufs Korn nahm
Artikel:
Kleinbild
 
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Originaltext:
Bis zu ihrem Rückzug aus Osnabrück prägte auch die britische Garnison das Stadtbild, während zeitgleich in der Europäischen Gemeinschaft zunächst die Annäherung, dann die wiederholten Sonderwege und schließlich der Anlauf zum Brexit auf der politischen Agenda standen.

Osnabrück Für den Osnabrücker Karikaturisten Fritz Wolf waren britische Eigenbrötlereien vor Ort wie in der weiten Welt ein Thema, das er immer wieder gern aufs Korn nahm. It′s a long way to Venne″ ist in großen Lettern auf dem von Wolf gezeichneten britischen Panzer zu lesen, der sich offenbar auf der neuen Panzerstraße Richtung Venner Egge bewegt. Deren Bau hatte mehrere Millionen Mark gekostet, und nun zweifelten die Militärs nicht nur an der Sinnhaftigkeit des Projektes, sondern schmiedeten Pläne für eine neue Panzerroute zum Flugplatz Achmer.

Make snell neues Panzerstrasse for us!″, fordert der Kommandant des Kettenfahrzeugs, wobei seine Besatzung eher dem deutschen Fräuleinwunder zugetan ist. Solcherlei britische Begehrlichkeiten erregten zum Jahresende 1952 die Osnabrücker Seele, denn Bauarbeiter und Bürger zeigten sich mit ihrer Panzerstraße ausgesprochen zufrieden. Die haben Nerven″, schimpft ein Passant, während die junge Osnabrückerin den ihr zugetanen Panzerfahrer mit einer Ausrede abblitzen lässt: Ich kann kein Englisch.″

Mit seiner Zeichnung für die Kleine Osnabrücker Wochenschau″ vom 29. November 1952 zeigt Fritz Wolf, dass das Zusammenleben zwischen Deutschen und Briten nicht immer ganz konfliktfrei war. Anwohner der Artilleriestraße haben über Jahrzehnte leidvoll erfahren, wie belastend innerstädtische Panzertouren sein konnten. Und als eine britische Einheit in den 1980er-Jahren nach Nordirland verlegt werden sollte, probte sie den dortigen Häuserkampf in den Vorgärten des Stadtteils Dodesheide.

In einer weiteren Karikatur griff Fritz Wolf das Out of bounds″-Kneipenverbot für britische Soldaten in der Osnabrücker Altstadt auf, indem er dieses beziehungsreich auf deutsche Klientel übertrug.

Häufiger als die lokale Diskussion um die Briten setzte er jedoch deren bisweilen ausgesprochen eigenwillige Europapolitik ins Bild. Selbst ehemals begeisterter Pfadfinder, macht Fritz Wolf den deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer und den französischen Präsidenten Charles de Gaulle als Väter der Europäischen Wirtschafts-Gemeinschaft (EWG) 1960 zu Gruppenführern mit breitkrempigem Hut, die ihren britischen Kollegen Harold Macmillan mit einer gesunden Portion Skepsis im Abseits betrachten. Vier Jahre zuvor hatte der Karikaturist europäische Pfadfinder um Adenauer gezeichnet, der einen irritierten Tommy″ förmlich zum Mitmachen aufforderte.

In späteren Jahren hagelte es indes bisweilen harsche Karikaturisten-Kritik so etwa nach der ablehnenden Haltung der Briten zum Europäischen Agrarfonds. Die Zeichnung vom 30. Mai 1980 zeigt das in John Bull personifizierte Königreich Großbritannien mit heruntergelassener Hose und dem typischen Zylinder, das dem übrigen Europa ebenso gelassen wie provokativ den Allerwertesten entgegenstreckt.

Spiegelt sich hier bereits die ausgesprochen europakritische Position der neuen Premierministerin Maggie Thatcher, so brachte Fritz Wolf deren Europa-Skepsis 1990 auf den Punkt. Nachdem sich die britischen und die französischen Baumeister am 2. November einen Monat vor der Fertigstellung des neuen Tunnels unter dem Ärmelkanal mit einem symbolischen Handschlag begrüßt hatten, lässt er die Eiserne Lady Margaret dieses Schauspiel in Abwehrstellung von den White Cliffs of Dover aus verfolgen. Der Wolf′sche Kommentar hat fast schon prophetische Ausstrahlung: Hoffentlich läßt deine Madam Thatcher den Kanal nicht wieder zumauern!

PS: Typisch für die Kleine Osnabrücker Wochenschau″ Fritz Wolfs sind auch die beiden weiteren Bildthemen. Nach den Kommunalwahlen war der Stadtrat zu seiner konstituierenden Sitzung zusammengetreten und dies mit über der Hälfte an neuen Mitgliedern. Während die arrivierten alten Hasen bereits im bürgerlichen Gewand ihre Plätze eingenommen haben, stürmen die Neulinge mit kurzen Hosen in den Sitzungssaal, in dem auch der Oberbürgermeister zu wählen ist. Bei den Wahlen hatten die später als etabliert geltenden Sozial-, Christ- und Freien Demokraten mit 34, 6, 18, 7 und 5, 6 Prozent zusammen lediglich 58, 9 Prozent der Stimmen errungen, denn der Rest entfiel auf die sogenannten Sonstigen″.

Und vor der Kulisse der Giebelhäuser zeigt Fritz Wolf den ebenso populären wie auf europäischer Ebene erfolgreichen Osnabrücker Profiboxer und späteren Catcher Wilson Kohlbrecher, der sich auf dem Marktplatz in eine Löwen-Manege″ wagte. Die aktuelle Kampagne Löwen für Löwen″ des Zoos mit Aktionen wie Rudelsingen und Löwenmahlzeit″ lässt grüßen…

Zur Person: Hermann Queckenstedt ist Sprecher des Fritz-Wolf-Kuratoriums und Direktor des Diözesanmuseums Osnabrück.

Bildtexte:
Du hast uns gerade noch gefehlt, Mac! (1960)
Hoffentlich läßt deine Madam Thatcher den Kanal nicht wieder zumauern.″ (1990)
Britischer Beitrag zum europäischen Agrarfonds.″ (1980)
Du fehlst uns noch in unserem Verein, Tommy! (1956)

100 Jahre Fritz Wolf

Die Neue Osnabrücker Zeitung″ widmet ihrem langjährigen Hauskarikaturisten Fritz Wolf anlässlich seines 100. Geburtstags eine Karikaturen-Serie. Im Tuchmacher-Museum in Bramsche ist derzeit die Sonderausstellung Was der deutsche Mann im Sommer trägt…″ zu sehen, die vor allem durch Folgen aus den Bildern aus der Provinz″ sowie der Frauenzeitschrift Brigitte″ die Geschichte der bundesdeutschen Alltagsmode erzählt. Das Berliner Carré der Sparkasse am Berliner Platz zeigt zudem zum Saisonauftakt der 3. Liga in seinen Schaufenstern Karikaturen von Fritz Wolf zum VfL Osnabrück. Die Fritz-Wolf-Gesellschaft möchte für ein Werkverzeichnis auch weiterhin bislang unbekannte Werke dokumentieren, die für private Empfänger entstanden sind. Hinweise nimmt Sebastian Scholtysek entgegen: Tel. 01 76/ 31 11 06 63, E-Mail: post@ Fritz-Wolf.de.
Autor:
Hermann Queckenstedt


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