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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Das tut die Stadt gegen Tropennächte
 
Die Stadt wappnet sich gegen Tropennächte
Zwischenüberschrift:
Mit einem Klimaanpassungskonzept will die Stadt die Folgen der Temperaturerhöhung abmildern
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück Wenn es nachts nicht kälter wird als 20 Grad, sprechen Experten von Tropennächten. Weil es die in Osnabrück immer häufiger gibt, will sich die Stadt dagegen wappnen. Wir stellen das Klimaanpassungskonzept vor.

Die Innenstadt wird zum Glutofen, selbst nachts gibt es keine Abkühlung mehr. Und die Durchschnittstemperaturen steigen weiter. Damit das Leben im Stadtzentrum erträglich bleibt, setzt die Stadt auf Grün, Frischluft und Wasser. Aber die Klimaanpassung ist konfliktträchtig und kostet Geld.

Osnabrück Tropennächte, in denen das Thermometer nicht unter 20 Grad sinkt, waren in Osnabrück bis 1990 (durchschnittlich 0, 4 pro Jahr) die Ausnahme. Seit der Jahrtausendwende registrieren die Klimaforscher eine Zunahme. Bis 2050 werden für das Stadtgebiet 2, 7 Tropennächte pro Jahr prognostiziert, bis 2070 sogar 3, 4.

Bedenklich findet Detlef Gerdts, der Leiter des Fachbereichs Umwelt und Klimaschutz, wie sich das Problem im Stadtzentrum verschärft. Nach den Prognosen muss in 50 Jahren mit zehn Tropennächten per anno gerechnet werden. Gesunde Menschen werden das vielleicht als unangenehm, aber nicht bedrohlich empfinden. Für alle, die alt oder herzkrank sind, ist das eine dramatische Entwicklung.

Mehr Todesfälle

Nach einer Studie der TU Berlin besteht ein enger Zusammenhang zwischen Tropennächten und dem Sterberisiko. Statistisch gesehen sollen in Berlin vier bis fünf Prozent der jährlichen Todesfälle auf solche Hitzeereignisse zurückgehen. Osnabrück ist zwar erheblich kleiner als die Bundeshauptstadt, aber im Stadtzentrum kommt es schon jetzt regelmäßig zur Überhitzung.

Die Häuser stehen dicht an dicht, der Boden ist versiegelt, Bäume sind knapp. Dazu kommt die Lage in einem Talkessel. Eine interaktive Karte der Stadt zeigt die bioklimatische Situation für jedes Wohnquartier auf. Der Klimawandel macht nicht nur die Innenstadt zu einem Hochtemperaturreaktor, auch in den hochgradig versiegelten Gewerbegebieten Fledder, Gartlage und Hafen wird es mit jedem zusätzlichen Grad ungemütlicher. Auffallend ist, dass sich die Lage überall dort schon ein wenig entspannt, wo mehr Bäume stehen und die Siedlungsdichte abnimmt.

Genau da kommt schon das erste Problem zum Vorschein, das der Neuorientierung für ein besseres Stadtklima im Wege steht. Die Stadt hat die Schaffung von Wohnraum zum vorrangigen Ziel erklärt. Doch mit der Ausweisung von Baugrundstücken könnten viele grüne Nischen verloren gehen. Die Nachverdichtung in den meisten Fällen das Bauen in der zweiten Reihe gilt zwar als ökologisch unbedenklich. Aber mit jedem Garten, der einem Wohnhaus weicht, verändert sich das Mikroklima an einem Standort. Detlef Gerdts wünscht sich, dass künftig mehr in die Höhe als in die Breite gebaut wird.

Sein Fachbereich hat ein Klimaanpassungskonzept vorgelegt, das darauf abzielt, mit einer Vielzahl von Maßnahmen dem Hitzekollaps entgegenzuwirken. Demnächst muss der Rat entscheiden, welche Schritte Priorität haben sollen. Flächen sollen entsiegelt, Höfe begrünt, Parkplätze und Gehwege von Bäumen beschattet werden. Mehr Dachbegrünung, Wasser im öffentlichen Raum, Verbesserung der Luftqualität, die Anlage neuer, auch sehr kleiner Parks und der Schutz von Waldflächen sind Elemente des Konzepts. Und wenn es um Stadtbäume der Zukunft geht, muss sichergestellt sein, dass sie den höheren Temperaturen gewachsen sind.

Jennifer Hoeltke hat als Mitarbeiterin des Fachbereichs Klimaschutz maßgeblich an dem Konzept mitgewirkt. Von zentraler Bedeutung ist aus ihrer Sicht die Frischluftversorgung im Stadtgebiet. Wenn sich in den windstillen Tropennächten über Grünflächen im Außenbereich Kaltluftseen bilden, kann diese Frischluft im Idealfall in die überhitzten Wohnviertel abfließen. Allerdings nur, wenn es unterwegs keine Barrieren in Gestalt von Gebäuden oder Bahndämmen gibt.

Auf die Kaltluftschneisen und die Kaltluftentstehungsgebiete wurde in der Vergangenheit nicht immer Rücksicht genommen. Vor zwei Jahren hat der Fachbereich Umwelt und Klimaschutz detailliert untersuchen lassen, wo es solche Ströme gibt und wo sie sich segensreich auswirken können. Auf der interaktiven Karte lassen etwa Pfeile erkennen, dass frische Luft aus der Gartlage in Richtung Zentrum fließt, wegen einiger Hindernisse aber nur zu einem geringen Teil dort ankommt.

Längs statt quer

Weil die Erkenntnisse aus dem Klimaanpassungskonzept jetzt auch den Stadtplanern vorliegen, ist Jennifer Hoeltke zuversichtlich, dass bei Neubauprojekten klimagerecht verfahren wird. Manchmal genüge es schon, ein Gebäude längs statt quer aufzustellen oder für ausreichende Begrünung zu sorgen. Wenig Handlungsspielraum hat die Stadt allerdings, auf den Bestand einzuwirken. Aber auch das soll möglich sein. So fordert die Stadt Mainz von Hauseigentümern, dass sie Flachdächer in sensiblen Zonen begrünen, wenn eine Erneuerung fällig ist.

In Osnabrück will der Fachbereich mit zwei Forschungsprojekten weitermachen. Dabei geht es um die Freiflächen, Waldgebiete und Grünen Finger. Bislang ist die Finanzierung der beiden Untersuchungen noch nicht gesichert, Fachbereichsleiter Gerdts sieht aber gute Chancen, dass der Bund einen Zuschuss gewährt.

Bildtexte:
Frische Kaltluft strömt aus der Gartlage in Richtung Innenstadt. So trägt der Grüne Finger dazu bei, dass es in den angrenzenden Wohngebieten nicht noch heißer wird.
Gründächer können die Folgen des Klimawandels abmildern. Gerade in der Innenstadt sind sie ein probates Mittel gegen die Überhitzung.
Fotos:
Google Maps, Elvira Parton

Kommentar
Auf Teufel komm raus

Tagsüber 34 Grad, nachts 22, und die Hitze hält an. Ist das schon der Klimawandel? Die Wissenschaftler legen sich nicht fest, aber der Trend ist eindeutig: In Zukunft wird es noch mehr heiße Tage und mehr Tropennächte geben, als uns lieb sein kann. Für Alte und Kranke kann das dramatische Folgen haben. Es zeugt von Vernunft und Weitsicht, dass der Fachbereich Umwelt und Klimaschutz ein Konzept ausarbeitet, damit uns die Gluthitze nicht mit voller Wucht trifft. Aber es genügt nicht, ein Papier zu verfassen. Es müssen Taten folgen.

Um 1, 69 Grad hat sich die Jahresdurchschnittstemperatur in Osnabrück schon erhöht. Das sollte ein Alarmzeichen sein. Aber es wird weiter auf Teufel komm raus konsumiert, Auto gefahren und ins Wochenende geflogen, als hätte das nichts miteinander zu tun. Wo Appelle an die Vernunft des Einzelnen nicht fruchten, ist es wenig wahrscheinlich, dass der Staat alles regelt. Oder eine höhere Instanz.

Einer Kommune wie der Stadt Osnabrück fällt nun die Aufgabe zu, die schlimmsten Folgen der Klimaerwärmung abzupuffern. Das Geld dafür wird eigentlich an anderer Stelle benötigt. Aber wir haben keine Wahl: im Zweifel für den Klimaschutz.
Autor:
Rainer Lahmann-Lammert


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