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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Wie eine Operation am Herzen
Zwischenüberschrift:
Stadtwerke sanieren Kanal mit neuer Technik und nur nachts
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Die Stadtwerke Osnabrück wenden beim Kanalbau an der Pagenstecherstraße ein neues Verfahren an, dessen Prinzip an Herzoperationen erinnert. Es werden Stents gesetzt. Ein Besuch auf der Nachtbaustelle.

Osnabrück Wer in diesen Tagen nachts über die Pagenstecherstraße fährt, bemerkt zwischen der Deutschen Umweltstiftung und Klöcknerstraße eine Wanderbaustelle. Seit Anfang Juli sind Spezialfirmen dabei, die Kanalrohre im sogenannten Schlauch-Inliner-Verfahren zu sanieren. Bauleiter Ingo Kurz erklärt den Vorteil: Wir bauen nur in den Abend- und Nachtstunden, und das beeinträchtigt den Verkehr kaum.″ Außerdem sei das Verfahren deutlich billiger und schneller als die offene Bauweise. Nicht eineinhalb bis zwei Jahre, sondern nur in den Nächten weniger Wochen werde der Verkehr eingeschränkt.

Ein Besuch vor Ort: Die Baustelle ist um 20 Uhr eingerichtet, und ein Team aus rund zehn Spezialisten trifft die ersten Vorbereitungen. Bauleiter Thomas Baumann von RTI Germany erläutert das Verfahren. Ein mit Harz getränkter Glasfaserschlauch wird in dieser Nacht auf rund 80 Meter Länge in den Kanalschacht eingeführt, aufgeblasen und dann mit UV-Licht ausgehärtet. Das mit dem Schlauch erinnert vom Verfahren her an Stents, mit denen Arterien gespreizt werden, um beispielsweise Herzinfarkten vorzubeugen. So ungefähr kann man sich das vorstellen″, bestätigt Baumann. Auch das Aushärten findet Parallelen in der Medizin. Wer beim Zahnarzt eine Reparatur mit Kunststoff und UV-Licht erlebt hat, kennt das Prinzip, nur eben in einer sehr viel kleineren Version.

Der Kanal an der Pagenstecherstraße ist einer der Hauptzuflüsse zum Klärwerk und besitzt ein sogenanntes Ei-Profil, ist also statt kreisrund 80 Zentimeter breit und 120 Zentimeter hoch. Um den mehr als fünf Tonnen schweren Schlauch in den Kanalschacht einzuführen, muss zunächst eine Gleitfolie hinab gelassen werden, um den Rutschwiderstand zu verringern. Anders ließe sich der Schlauch im Kanal gar nicht durchziehen″, sagt Baumann. Die Folie dient als Rutschmatte, auf der der Schlauch gleitet. Damit die nicht selbst wegrutscht, muss sie mit Dübeln befestigt werden. Erst danach kann der Inlinerschlauch mit einer Winde unter die Erde gezogen werden.

Was einfach klingt, ist ein komplexer Vorgang. Zunächst wird der schwere Schlauch mit einer Mischung aus Muskelkraft, Seilwindenzug und Stützen auf einen Minimaldurchmesser gefaltet. Das vordere Ende ist mithilfe starker Zurrgurte umgeschlagen, damit sich das Zugseil wie in eine überdimensionale Öse einhaken lässt. Erst dann geht es los, da ist es bereits 22.30 Uhr. Zunächst ganz langsam. Die Konstruktion mit den Umlenkrollen und der Gleitfolie funktioniert offenbar. Dann wird das Tempo bis auf fünf Meter pro Minute erhöht.

50 Meter weiter stadteinwärts ist eine weitere Spezialfirma dabei, mit einem ähnlichen Verfahren die senkrechten Schächte zu sanieren. Plötzlich bemerkt Malte Nowak, dass es Probleme mit dem Wasserstand gibt. Vor etwa 18 Monaten hat er bei Ingenieur Consult Brockermann Fritz in Enger mit der Projektplanung begonnen. Schnell verständigt er sich mit dem Kollegen Baumann, der einen bereitstehenden Wagen zum Absaugen schickt und einen Ballon in einem Zufluss aufblasen lässt.

Fachkräfte fehlen

Alles geschieht konzentriert und wirkt hoch professionell. Es fällt kein lautes Wort, und jeder scheint zu wissen, was er zu tun hat. Trotzdem, so Baumann, finden sich immer weniger Menschen, die den Job machen wollen. Es fehle an Facharbeitern wie an Ingenieuren. Viele schreckten auch die Nachtarbeit und die Trennung von der Familie ab.

Die Arbeiten gehen in dieser Nacht zügig voran. Kurz vor 23 Uhr ist der Inliner-Schlauch eingezogen und kann mit Druckluft aufgeblasen werden, bevor 1500 Watt starke UV-Lampen durch die neue Röhre gezogen werden können, um den Harz auszuhärten. Ingo Kurz kann um 1 Uhr Feierabend machen.

Bildtexte:
Schlauchlinerverfahren: So heißt die Technik, die die Stadtwerke bei der Kanalsanierung unter der Pagenstecherstraße anwenden.
Die Kollegen oben behalten den Schachtarbeiter die ganze Zeit im Auge.
Unten im Schacht hockt ein Kollege und führt den Schlauch in den Kanal ein.
Ein Kameraroboter liefert Bilder aus dem 80 m langen Teilstück des Kanals.
Eine Lampe wird in den Schlauch eingeführt. Diese erzeugt Hitze und härtet den Schlauch.
Fotos:
Swaantje Hehmann
Autor:
Alexander Wenk


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