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1.
Erscheinungsdatum:
02.06.2018
aus Zeitung:
Neue Osnabrücker Zeitung/ Neue OZ
Überschrift:
Unsichtbar in Osnabrück
Zwischenüberschrift:
In Osnabrück leben etwa 35 Menschen aufder Straße, so viele wie seit Jahren nicht.Wie kommt man klar ohne fließend Wasser,ohne Strom, ohne Kühlschrank, ohne Bett?Einblicke von einem, der Platte machte
Artikel:
Originaltext:
15
Monate
lang
war
Olaf
Bentgerodt
untergetaucht.
Niemand
wusste,
dass
er
immer
noch
in
Osnabrück
lebte,
dass
er
überhaupt
noch
lebte,
weder
Behörden
noch
Freunde
oder
Bekannte,
nicht
mal
die
gut
vernetzte
Wohnungslosenhilfe.
Familie?
Er
hat
noch
einen
Bruder,
aber
zu
dem
habe
er
keinen
Kontakt
mehr,
sagt
der
56-
Jährige.
Er
hatte
sich
für
ein
Leben
auf
der
Straße
entschieden.
Geld
vom
Staat?
Wollte
er
nicht.
Olaf
Bentgerodt
lebte
vom
Flaschensammeln.
Heute
kehrt
er
zurück
an
seinen
alten
Schlafplatz,
zum
ersten
Mal
seit
Dezember.
Eine
Brücke
im
Hasepark.
Sein
Gang
ist
schleppend,
aber
als
er
sich
dem
Brückenpfeiler
nähert,
wird
er
schneller.
Jeden
Abend
zog
er
seinen
Militärschlafsack
aus
der
Nische
über
dem
Brückenpfeiler.
Und
jeden
Morgen
verstaute
er
seine
Sachen
dort
wieder,
machte
sich
auf
den
Weg
in
die
Stadt.
Immer
mit
dem
unguten
Gefühl
im
Bauch,
seine
einzigen
Habseligkeiten
könnten
am
Abend
verschwunden
sein.
Acht
bis
neun
Stunden
war
er
täglich
unterwegs,
um
Flaschen
zu
sammeln.
Vom
Marienhospital
zum
Dom
und
wieder
zurück,
das
war
seine
Route,
die
Brücke
sein
Zuhause.
Eine
Matratze,
die
er
geschenkt
bekam,
liegt
dort
immer
noch.
Der
Platz
unter
der
Brücke
ist
weitab
vom
Schuss
und
dann
wieder
nicht.
Er
liegt
direkt
am
Haseuferweg
gegenüber
der
Autowerkstatt
Restemeier.
Ein
Radfahrer
nach
dem
anderen
düst
vorbei.
Erst
wenn
die
Dunkelheit
einbricht,
wird
es
ruhig.
In
direkter
Nähe
hatte
Olaf
Bentgerodt
alles,
was
er
zum
Leben
brauchte:
Bei
Aldi,
Lidl
oder
Real
kaufte
er
sich
von
dem
Geld,
das
er
durchs
Flaschensammeln
eingenommen
hatte,
Dosengerichte,
die
er
dann
kalt
aß,
und
zwei,
drei
Flaschen
Bier
für
abends.
„
Im
Winter
ist
immer
eine
Frau
gekommen,
die
hat
warmen
Tee
gebracht″,
erinnert
er
sich.
Wenn
er
zur
Toilette
musste,
ging
er
auf
das
Kunden-
WC
bei
Real,
und
wenn
der
Markt
zuhatte,
zum
Schinkeler
Friedhof.
Eine
funktionierende
Infrastruktur:
Darauf
kommt
es
an,
wenn
man
Platte
macht.
Und
Sauberkeit.
„
Keine
Lust
auf
vierbeinigen
pelzigen
Besuch.″
Ob
Sommer
ist
oder
Winter,
mache
gar
keinen
großen
Unterschied,
sagt
Bentgerodt.
Das
Wichtigste
ist
ein
trockener
Schlafplatz,
einigermaßen
windgeschützt.
„
Gegen
Kälte
kann
man
sich
schützen,
aber
gegen
Nässe
nicht.″
Und
sicher
muss
es
sein.
„
Dass
nicht
Leute
kommen
und
dich
im
Schlaf
zusammentreten.″
Im
Schlossgarten
übernachten?
Undenkbar.
Wohnungslos
waren
laut
dem
katholischen
Verein
für
soziale
Dienste
(SKM)
in
Osnabrück
im
vergangenen
Jahr
175
Menschen,
2015
waren
es
noch
113.
Der
Mangel
an
günstigen
Wohnungen
macht
sich
bemerkbar.
„
Man
müsste
in
jedem
Haus
fünf
Prozent
Sozialwohnungen
haben″,
meint
Heinz-
Hermann
Flint,
beim
SKM
zuständig
für
die
ambulante
Wohnungslosenhilfe.
Stattdessen
fallen
bis
2022
mehr
als
1000
weitere
Wohnungen
in
Osnabrück
aus
der
Sozialbindung.
Nicht
alle
der
175
Wohnungslosen
machen
Platte,
viele
schlagen
sich
so
durch,
kommen
irgendwo
bei
Freunden
oder
Bekannten
unter.
Beliebt
ist
der
Hasefriedhof.
Vögel
zwitschern,
ein
leichter
Wind
lässt
die
Blätter
rauschen
–
und
unter
dem
Vordach
des
ehemaligen
Toilettenhauses
schläft
unter
einer
Bank
ein
Mann,
die
Wolldecke
über
das
Gesicht
gezogen.
„
Das
muss
Richie
sein″,
sagt
Flint.
Der
Friedhof
dient
vielen
als
Schlafplatz
und
Treffpunkt.
„
Ich
war
einmal
hier,
da
war
besetzt″,
berichtet
Bentgerodt.
Gibt
es
Konkurrenz
um
den
besten
Schlafplatz?
Der
56-
Jährige
versteht
die
Frage
nicht.
„
Wir
sind
doch
alle
gleich.″
Auf
Anfrage
bietet
der
SKM
Gruppen
alternative
Stadtführungen
an.
Dann
führt
Heinz-
Hermann
Flint
die
Teilnehmer
auch
unter
die
Brücke
am
Hasetorwall,
gleich
hinter
der
Ladestation
für
Elektroautos,
wo
der
Verkehr
dröhnend
laut
ist.
„
Hier
schlafen
die?
″,
fragte
bei
einem
Rundgang
im
Frühjahr
entsetzt
eine
Dame
vom
katholischen
Frauenverband
Belm.
„
Oh
Gott.″
Flint
nahm
die
Reaktionen
ungerührt
zur
Kenntnis:
„
Eine
Frau
hat
hier
mal
zwei
Jahre
gelebt.″
Ein
paar
Schritte
weiter,
im
Garten
des
Benediktinerinnenklosters,
kommen
auch
immer
einige
unter.
Mit
den
Stadtführungen
will
der
SKM
sensibilisieren
und
aufklären,
Verständnis
herstellen
für
die
Wohnungslosen,
die
im
Umgang
nicht
immer
einfach
sind.
Alkohol
ist
ein
Problem.
„
Die
Gefahr
ist,
dass
du
in
der
Szene
kaum
daran
vorbeikommst″,
sagt
Flint.
416
Euro
im
Monat
stehen
den
Obdachlosen
zu,
sie
müssen
aber
für
das
Jobcenter
erreichbar
sein.
Viele
geben
die
Tageswohnung
des
SKM
als
Adresse
an,
Bramscher
Straße
Nummer
11,
unweit
der
Eisenbahnbrücke.
Die
Tageswohnung
hat
täglich
im
Schnitt
60
Besucher.
Sie
kommen
zum
Frühstück
oder
Mittagessen,
zum
Klönen
oder
Wäschewaschen.
In
der
Wärmestube
des
Bistums
im
Franziskanerkloster,
Bramscher
Straße
158,
seien
es
noch
mal
mindestens
doppelt
so
viele,
sagt
Flint.
Im
Vorgarten
der
Wärmestube
steht
eine
Weihnachtskrippe,
darin
haben
einige
ihre
Sachen
deponiert.
Olaf
Bentgerodt
nutzte
die
Angebote
nicht,
er
blieb
für
sich.
Es
war
nicht
sein
erstes
Mal
auf
der
Straße.
Vor
sieben
oder
acht
Jahren
war
er
schon
einmal
obdachlos,
für
sechs
Wochen,
erzählt
er.
Der
Klassiker:
„
Job
weg,
Wohnung
weg,
dann
war
ich
auf
der
Straße.″
Viel
mehr
will
er
nicht
preisgeben.
Seit
20
Jahren
lebt
er
in
Osnabrück,
ursprünglich
kommt
er
aus
dem
Harz.
Gelernter
Koch
ist
er,
jahrelang
arbeitete
er
bei
der
Kette
Kochlöffel.
„
Ich
hatte
über
30
Jahre
ein
bürgerliches
Leben″,
sagt
er.
„
Wenn
ich
Obdachlose
gesehen
habe,
bin
ich
auf
die
andere
Straßenseite
gegangen.″
Und
dann
war
er
plötzlich
einer
von
ihnen.
Der
erste
Griff
in
einen
Abfallbehälter,
in
dem
eine
Pfandflasche
lag,
kostete
ihn
Überwindung.
„
Hoffentlich
guckt
keiner.″
Nach
den
ersten
sechs
Wochen
ohne
Dach
über
dem
Kopf
lebte
er
anderthalb
Jahre
lang
im
Laurentiushaus,
dem
Wohnheim
des
SKM,
und
fand
danach
wieder
eine
Wohnung.
„
Als
wir
erfahren
haben,
dass
Olaf
wieder
wohnungslos
ist,
war
der
schon
14
Monate
auf
der
Straße″,
sagt
Heinz-
Hermann
Flint.
„
Die
meisten
Leute
haben
mich
gar
nicht
gesehen″,
sagt
Bentgerodt.
„
Ich
war
quasi
unsichtbar.″
War
das
nicht
fürchterlich
einsam?
Er
schweigt,
blickt
nach
vorne.
Dann
antwortet
er
doch:
„
Ich
habe
da
kein
Problem
mit.″
Irgendwann
im
Dezember
traf
er
auf
Frankie
–
Frank
Loges,
der
jahrelang
in
Osnabrück
auf
der
Straße
lebte
und
vor
Kurzem
nach
Hamburg
ziehen
wollte.
Und
der
erzählte
ihm
von
der
warmen
Platte,
wo
Obdachlose
im
Winter
die
Nacht
verbringen
können.
Kurz
vor
Weihnachten
schaute
Bentgerodt
sich
das
einmal
an
–
und
kam
wieder.
„
Ich
werde
ja
auch
nicht
jünger.
Mit
65
immer
noch
auf
der
Straße
rumhängen,
ist
nicht
so
pralle.″
Jetzt
lebt
er
in
einer
Wohngruppe
der
Wohnungslosenhilfe
über
der
Tageswohnung.
Für
Leute
wie
ihn,
die
lange
alleine
Platte
gemacht
haben,
ist
es
der
erste
Schritt
zurück
in
ein
normales
Leben.
Auch
beim
Amt
ist
er
jetzt
wieder
gemeldet,
bekam
erst
einmal
eine
saftige
Rechnung,
weil
er
seine
Krankenkassenbeiträge
nicht
gezahlt
hatte.
Er
würde
gern
wieder
arbeiten,
irgendwo
an
der
Kasse.
„
Aber
ich
bin
ja
langzeitarbeitslos.
Nach
zwölf
Monaten
verlierst
du
jede
Chance.″
Hat
er
einen
anderen
Blick
auf
die
Stadt,
wenn
er
heute
durch
die
Straßen
läuft?
Olaf
Bentgerodt
überlegt.
„
Ich
habe
einen
anderen
Blick
aufs
Leben.″
Konsumgüter,
Handy:
„
Das
brauche
ich
gar
nicht.″
Der
Gedanke,
irgendwann
wieder
auf
der
Straße
zu
landen,
macht
ihm
keine
Angst
mehr.
„
Ich
weiß
jetzt,
wie
das
geht.″
Bildtext:
Rückkehr
an
den
Ort,
der
über
ein
Jahr
lang
sein
Zuhause
war:
Olaf
Bentgerodt
(links)
lebte
unter
einer
Brücke
im
Hasepark.
Für
viele
Menschen
kaum
vorstellbar.
Ab
und
zu
bietet
Heinz-
Hermann
Flint
(rechts)
vom
SKM
alternative
Stadtführungen
an,
bei
denen
er
Gruppen
an
Schlafplätze
führt,
die
mitten
in
der
Stadt,
aber
doch
verborgen
sind.
Fotos:
David
Ebener
Für
Redakteurin
Sandra
Dorn
war
es
eine
Gratwanderung:
Wie
berichtet
man
über
Obdachlose,
ohne
ins
Voyeuristische
abzugleiten?
Wie
tief
darf
man
in
dem
Leben
eines
Menschen
herumstochern?
Olaf
Bentgerodt
ist
kein
Mensch,
aus
dem
es
sofort
heraussprudelt.
Er
ist
zurückhaltend,
aber
er
hat
viel
zu
sagen.
Darüber,
wie
unwichtig
Konsum
in
Wahrheit
ist
und
worauf
es
ankommt
im
Leben.
Wer
ihm
zuhört,
könnte
fast
glauben,
dass
es
nichts
Einfacheres
gibt,
als
auf
der
Straße
zu
leben.
Doch
sein
trauriger
Blick
sagt
etwas
anderes.
Der
Obdachlose
als
Klischee
–
Fotograf
David
Ebener
hatte
wie
viele
andere
Menschen
unbewusst
eine
Schublade
dafür.
Darin
bedauernswerte
Figuren
mit
immergleicher
Vita
und
identischen
Problemen:
Alkohol
und
Betteln
bestimmen
den
Alltag.
Wer
sich
jedoch
auf
einen
Stadtrundgang
abseits
der
touristischen
Pfade
begibt
und
die
Menschen
auf
der
Straße
kennenlernt,
merkt
schnell,
dass
es
so
einfach
nicht
ist.
Die
Geschichten
der
Wohnungslosen
sind
so
vielfältig
wie
ihre
Lebensweisen.
Es
gibt
ihn
nicht,
den
Obdachlosen.
Autor:
Sandra Dorn