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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Wer ist Hammer, wer ist Amboss?
Zwischenüberschrift:
Mai 1918: Gustav Stresemann will keine „Verständigung″, sondern einen „Siegfrieden″
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Gustav Stresemann spricht in Osnabrück. Der Vorsitzende der Nationalliberalen, der sich später als Außenminister der Weimarer Republik besonders um die Aussöhnung mit Frankreich bemühen und dafür den Friedensnobelkreis bekommen sollte, steht bei seinem Auftritt am 1. Mai 1918 in der Osnabrücker Stadthalle noch voll hinter den Kriegszielen des Kaiserreichs.

Osnabrück. Kislings Osnabrücker Zeitung″ (OZ) liegt voll auf seiner Linie und druckt die mehrstündige Rede im vollen Wortlaut ab. Schon im Vorfeld kündigt sie den noch so jugendlich wirkenden, noch nicht vierzigjährigen Mann″ als Führer von überragender Bedeutung und unbedingtem Deutschtum″ an, der mit seiner feurigen Beredsamkeit und glühenden Vaterlandsliebe zu einem der geistigen Führer unseres Volkes emporgewachsen″ sei. Sie dankt ihm, dass er es sich trotz der erdrückenden Fülle der Geschäfte, die auf ihm lasten, nicht hat nehmen lassen, wieder einmal zu uns zu sprechen, uns zu erheben, uns zu stärken″. Die großen Säle der Stadthalle sind dicht gefüllt mit Männern und Frauen wohl aller Parteien und Konfessionen, um aus berufenem Munde zu vernehmen, wie es um unsere Sache steht″.

Zu den großen innenpolitischen Themen gehören die Reform des preußischen Dreiklassenwahlrechts und der indirekten Steuern, wobei Stresemann liberale Positionen vertritt. Aber die innenpolitischen Fragen sind klein gegenüber den großen Fragen der Weltwende, um die gestritten wird da draußen in Flandern″, führt Stresemann aus, wir sehen ja jetzt, wie der Krieg doch seinem Ende mindestens entgegenreift. Wir haben die ersten Friedensschlüsse, der Osten ist ausgeschieden aus der militärischen Situation.″ Zur Front im Westen: Unsere Lage ist außerordentlich erleichtert″, nachdem man nun die ganze Kraft gegen unsere Hauptgegner″ werfen könne. Es geht nicht um eine Verständigung. Die hätten wir schon im Frieden haben können. Es geht um die Frage, wer soll Hammer und wer soll Amboss sein? Wir haben nun dafür zu sorgen, dass wir in Zukunft der Hammer und nicht der Amboss sind.″ Stresemann verbreitet Zuversicht: Ein Volk, das einen Hindenburg und einen Ludendorff hat, kann ruhig schlafen.″ Die Kundgebung endet mit einem von der bewegten Versammlung begeistert aufgenommenen Treugelöbnis an unser heißgeliebtes deutsches Vaterland″, schreibt die OZ″.

Hunde an die Front! An alle Hundebesitzer ergeht die dringende Bitte, ihre vierbeinigen Gefährten als Meldehunde″ zur Verfügung zu stellen. Die OZ″ schreibt: Bei den ungeheuren Kämpfen an der Westfront haben die Hunde durch stärkstes Trommelfeuer die Meldungen aus vorderster Linie in die rückwärtigen Stellungen gebracht. Hunderten unserer Soldaten ist durch Abnahme des Meldeganges durch die Meldehunde das Leben erhalten worden.″ Geeignet seien Deutscher Schäferhund, Dobermann, Airedale-Terrier, Rottweiler und Kreuzungen aus diesen Rassen, wenn sie schnell, gesund und mindestens ein Jahr alt sind. Die Hunde werden von Fachdresseuren in Hundeschulen ausgebildet und im Erlebensfalle nach dem Kriege an ihre Besitzer zurückgegeben. Obwohl der Nutzen der Meldehunde im ganzen Lande bekannt ist, gibt es noch immer Besitzer von kriegsbrauchbaren Hunden, welche sich nicht entschließen können, ihr Tier der Armee und dem Vaterlande zu leihen!″, empört sich die Zeitung. An alle Besitzer daher nochmals die Bitte: Stellt eure Hunde in den Dienst des Vaterlandes! Meldung an die Inspektion der Nachrichtentruppen, Berlin, Abt. Meldehunde.″

Und schon wieder eine Beschlagnahme: Anfang Mai tritt eine Bekanntmachung des Stellvertretenden Generalkommandos in Kraft, nach der Gehäuse von Registrierkassen aus Kupfer oder Kupferlegierungen beschlagnahmt sind. Alle Besitzer derartiger Kassen müssen Anzahl und Typ an die Metallmobilmachungsstelle melden.

Auf der Versammlung des Hausfrauenbundes beklagt ein Fräulein Larenz in ihrem Bericht von der Dienstbotenkommission die fast völlige Lahmlegung dieses Arbeitszweiges. Die jungen Mädchen zögen wegen der hohen Löhne die Fabrikarbeit besonders in Munitionsfabriken der häuslichen Arbeit vor. Der Mangel an hauswirtschaftlicher Ausbildung gibt Anlass zu schweren Bedenken für die Zukunft der Mädchen″, warnt das Fräulein.

Der Circus Corty Althoff gastiert für zwölf Tage auf dem Platz vor der Klosterkaserne. Von der Eröffnungsveranstaltung vor einem nach Tausenden zählenden Publikum″ berichtet die OZ″: Reizende Bilder boten Frl. Adele Althoff als Gärtnerin mit ihren Blumenpferden sowie der aus 24 jungen Mädchen sich darbietende Sporttanz. Von großer Komik war der Reitakt des holländischen Milchhändlers mit seiner Gefährtin, mit den Milchkannen und den dressierten Hunden.″ Ferner werden herausgestellt: Vier dressierte Ponys, drei Personen am dreifachen Reck und die Todesschaukel ein Spiel mit dem Leben″. Bei Nachmittagsvorstellungen zahlen Kinder und Militär vom Feldwebel abwärts halbe Preise. Nach Schluss der Vorstellungen verkehren Extrawagen der Straßenbahn zum Hauptbahnhof und zum Johannistor. Außerdem ist guter Pferdedünger abzugeben, Auskunft im Bürowagen vor der Klosterkaserne.

Zum Pfingstverkehr verkündet die Königliche Eisenbahndirektion: Die Eisenbahnen dienen gegenwärtig in erster Linie der Kriegführung, Lokomotiven und Wagen werden für Heereszwecke und zur Heranschaffung der Lebensmittel dringend gebraucht. Zu Pfingsten werden deshalb für den Personenverkehr nur die fahrplanmäßigen Züge gefahren, keine Sonderzüge. Reisende, die in diesen keinen Platz finden, müssen zurückbleiben. Für jeden, der nicht unbedingt reisen muß, ist es vaterländische Pflicht, in dieser Zeit darauf zu verzichten.″ Und dann wird auch gleich noch mit einem verbreiteten Irrtum aufgeräumt: Viele Reisende sind der Ansicht, daß sie bei Überfüllung des Zuges ohne weiteres einen Platz in einer höheren Wagenklasse einnehmen dürfen. Dem ist nicht so. Das darf nur auf Anordnung des Zugführers geschehen. Gegen Reisende, die das eigenmächtig tun, muß im Interesse der Ordnung scharf durch Einziehung des erhöhten Fahrgeldes und unter Umständen Anzeige vorgegangen werden.″

Bildtexte:
Der Zirkus Corty Althoff gastierte vor 100 Jahren in Osnabrück. Die historische Ansichtskarte des Verlags Louis Espagne, Münster, entstammt der Sammlung Helmut Riecken.
Gustav Stresemann (1878– 1929) sprach am 1. Mai 1918 in der Stadthalle am Kollegienwall.
Foto:
imago/ UIG
Autor:
Joachim Dierks


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