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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Braunhemden am Fließband genäht
Zwischenüberschrift:
Die Kleiderfabrik Dresing & Winkler erlebte Boom-Jahre während der Naziherrschaft
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Die Kleiderfabrik Dresing & Winkler muss vor dem Krieg recht bedeutend gewesen sein, denn sie wird an vielen Stellen in der lokalgeschichtlichen Literatur erwähnt. Auch zeugt die Darstellung der Firmengebäude mit rauchenden Schloten auf dem Briefkopf von einigem Geltungsanspruch.

Osnabrück. Leider hat sich bislang keine aufgeschriebene Firmengeschichte finden lassen. Insofern beruhen die nachfolgenden Schlaglichter auf die Firmenhistorie und die handelnden Personen auf eher lückenhaften Schilderungen von Familienangehörigen und ehemaligen Beschäftigten. Ergänzungen oder Korrekturen aus dem Leserkreis sind in diesem Fall besonders willkommen.

Fest steht, dass die 1896 gegründete Firma zunächst in der Johannisstraße 100 an der Ecke zur Goldstraße ansässig war. Sprattes Bildarchiv Alt-Osnabrück″ enthält Fotos der Firma an diesem Standort aus den 1890ern und aus 1901. Zur Zeit des Ersten Weltkriegs hatte Dresing & Winkler dann schon den größeren Gebäudekomplex an der Spindelstraße 24 bezogen. Zum Fertigungsprogramm der Weberei und Kleiderfabrik mit elektrischem Betrieb″ gehörten Sportkleidung, Berufskleidung und Uniformen.

Gründer waren die Kaufleute Johannes Dresing und August Otto Winkler. Johannes Dresing wird von seinen Enkelinnen Irmela Tams (96) und Ingrid Schloesser (89) als Selfmademan″ und Weltenbürger″ beschrieben, der es in den USA zu einem kleinen Vermögen gebracht hatte. Er kehrte nach Deutschland zurück und investierte in die Kleiderfabrik. Er starb 1928. Nachfolger wurde Sohn Fritz Dresing. Er war offenbar Alleinherrscher″, aus der Familie Winkler war keiner mehr in der Geschäftsleitung.

Regine Tams erinnert sich an ihren Großonkel Fritz Dresing als einen findigen Tüftler, dem es stets um technische Verbesserungen an den Maschinen gegangen sei. Großneffe Hans-Wighard Elten weiß aus Erzählungen, dass Fritz Dresing in den 1920ern sogar an der Konstruktion eines Flugzeugs gearbeitet hat. Er war ein Tausendsassa, der immer mit neuen Ideen um die Ecke kam″, kann Elten aus eigenem Erleben bestätigen. Denn in späteren Jahren war er häufig beim Großonkel in dessen Villa auf dem Essenerberg zu Besuch. Auf dem Haus standen Riesen-Antennen, die noch einmal so hoch waren wie das ganze Haus. Fritz Dresing war ambitionierter Amateurfunker. Ich durfte einmal mit einem Mann in Australien sprechen, das hat mich tief beeindruckt″, kramt Augenarzt Elten (69) in seinen Jugenderinnerungen. Manchmal nahm Fritz Dresing ihn auch mit auf die Jagd. Wenn es hinter einem Hasen herging, musste man ja auch wohl mal über Wiesen und Zäune. Als mein Großonkel die Beine nicht mehr so richtig hochbekam, ging er dazu über, den Zaundraht einfach durchzukneifen. Zu dem Zweck führte er immer eine Zange mit. Die Bauern fanden das natürlich nicht so toll.″

In politischer Hinsicht sei Fritz Dresing ein Querkopf gewesen, der nicht gut mit den örtlichen Parteibonzen konnte. Anders dessen Mutter, die Witwe Berta Dresing. Sie pflegte die Beziehungen zur NSDAP-Kreisleitung. Dadurch soll die Firma nach 1933 einen deutlichen Aufschwung genommen haben. Sie wurde mit Aufträgen über Uniformhemden geradezu überschwemmt.

Beim bis dahin schwersten Luftangriff auf Osnabrück am 6. Oktober 1942 wurden die Gebäude an der Spindelstraße Ecke Laischaftsstraße schlimm getroffen. Erst Monate später konnte der Betrieb in Behelfsbauten wiederaufgenommen werden. Nach dem Krieg brauchte der Markt keine Uniformen mehr. Oberhemden und Berufskleidung waren gefragt. NOZ-Leserin Maria Süffke gehörte zu den Mädchen, die 1948/ 49 im Akkord am Fließband Ärmel an Oberhemden nähten.

Zu Beginn der 1960er-Jahre begannen Billig-Importe, der deutschen Bekleidungsindustrie das Leben schwer zu machen. Fritz Dresing zauberte eine neue Geschäftsidee aus dem Hut: Er baute fortan vollautomatische Ölfeuerungen. Als sich die Gelegenheit ergab, die Liegenschaft an der Spindelstraße zu verkaufen, zog er mit dem Betrieb zur Meller Straße und später nach Bad Essen in die Nähe seines Wohnsitzes. Dresing hatte ein Patent erworben für Ölheizkessel, die unter der Kellerdecke angebracht wurden. Sie sollten der Verkaufsschlager in den Hochwassergebieten an Rhein und Mosel werden. Wie lange und mit welchem Erfolg Dresing diesen Geschäftszweig aufrechterhielt, ist bislang nicht bekannt. Um das Grundstück an der Spindelstraße kümmerte sich die Vereinigte Krankenversicherung. Sie errichtete dort ein Verwaltungsgebäude, in das auch das Städtische Gesundheitsamt, das Versicherungsamt und Teile des Finanzamtes einzogen. Heute gehört das Gebäude der Bundesagentur für Arbeit. Es beherbergt das Jobcenter.

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Bildtexte:
Das Firmengebäude Dresing & Winkler an der Spindelstraße war nach Kriegszerstörungen nur behelfsmäßig instand gesetzt worden. Im Oktober 1962 wurde es endgültig abgerissen.
An gleicher Stelle steht heute der Südflügel der Agentur für Arbeit.
Fotos:
Walter Fricke, Archiv NOZ, Joachim Dierks
Autor:
Joachim Dierks


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