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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Viel mehr junge Flüchtlinge straffällig
Zwischenüberschrift:
Jugendkriminalität in Osnabrück 2017 auch insgesamt gestiegen
Artikel:
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Originaltext:
Die Zahl der straffälligen jugendlichen Flüchtlinge ist in Osnabrück 2017 stark gestiegen. Mit 73 jungen Geflüchteten hatte es die Jugendgerichtshilfe zu tun, 52 mehr als im Vorjahr. Diese Entwicklung ist einer der Gründe dafür, dass die Jugendkriminalität in Osnabrück auch insgesamt wieder zugenommen hat.

Osnabrück. Vor allem bei den Delikten Ladendiebstahl und Körperverletzung verzeichnet die Jugendgerichtshilfe einen Anstieg. Zuvor war die Jugendkriminalität in Osnabrück in zehn Jahren um mehr als 30 Prozent gesunken. 2016 hatte die Zahl der bei der Jugendgerichtshilfe bekannten jungen Straftäter zwischen 14 und 21 Jahren einen Tiefstand von 397 erreicht, 2017 gab es wieder 477. Die Zahlen hat die Stadt in ihrem neuen Geschäftsbericht aus dem Fachbereich Kinder, Jugendliche und Familien veröffentlicht. 15, 3 Prozent der jungen Täter waren Flüchtlinge. Das ist überproportional″, sagt Berthold Wesseler, Teamleiter bei der Jugendgerichtshilfe. Im Vorjahr lag ihr Anteil noch bei lediglich 5, 2 Prozent.

Auch Osnabrück ist damit Schauplatz einer Entwicklung, die ein Forschungsteam um den Kriminologen Christian Pfeiffer in einer aktuellen Studie nachgewiesen hat: Um 10, 4 Prozent hat die Gewaltkriminalität in Niedersachsen in den Jahren 2015 und 2016 zugenommen. Die Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass dieser Anstieg zu 92, 1 Prozent Flüchtlingen zuzurechnen war.

So extrem ist es in der Hasestadt nicht, aber es geht in eine ähnliche Richtung. Wie die städtische Jugendgerichtshilfe unserer Redaktion auf Nachfrage erläuterte, mussten sich die meisten jungen Flüchtlinge 2017 in Osnabrück wegen Ladendiebstahls verantworten (47 Verfahren), aber Körperverletzung stand mit 22 Verfahren bereits an zweiter Stelle, gefolgt von Schwarzfahren (7) und Sexualdelikten (4). Bei Körperverletzungen waren es 17 Verfahren gegen Flüchtlinge mehr als im Vorjahr das ist etwas mehr als die Hälfte des Gesamtanstiegs von 102 auf 134 Körperverletzungsverfahren. Das geht von Auseinandersetzungen in einer Schule bis hin zu gegenseitiger Körperverletzung in den Unterkünften″, erläutert Berthold Wesseler, Teamleiter bei der Jugendgerichtshilfe.

Ende 2017 lebten nicht erheblich mehr Geflüchtete bis 21 Jahre in Osnabrück als im Vorjahr (1661 versus 1330), durch einen extremen Zuzug ist der Anstieg also nicht zu erklären. Die Gründe sieht Wesseler woanders: 34 der jungen Straffälligen lebten in Gemeinschaftsunterkünften, 20 davon im Flüchtlingshaus. Sie sind nicht gut integriert, haben den ganzen Tag nichts zu tun und keine gute Perspektive″, fasst der Teamleiter zusammen alles Gründe, die auch der Kriminologe Pfeiffer anführte. Dass es nicht schon 2016 zu einem Kriminalitätsanstieg unter jungen Flüchtlingen kam, erklärt sich Wesseler so: Das hat etwas damit zu tun, dass sie erst mal hier ankommen und sich orientieren mussten.″

Balkan und Syrien

Die größten Gruppen unter den Tätern mit Flüchtlingshintergrund in Osnabrück waren jungen Menschen aus den Balkanstaaten (24) mit ohnehin schlechter Bleibeperspektive, gefolgt von Syrern (17), die rund die Hälfte aller 4700 Flüchtlinge in Osnabrück stellen, und Afghanen (12). Je vier Täter stammten aus dem Irak und aus Marokko, je drei aus Somalia und dem Sudan. 33 waren minderjährig, 40 zwischen 18 und 21 Jahre alt. Und viele waren in Osnabrück gar nicht oder nur kurzfristig gemeldet, erläutert Wesseler. Das macht es schwer, die Zahlen in ein Verhältnis zu setzen. So lässt sich zwar sagen, dass 1, 5 Prozent aller Jugendlichen bis 21 Jahre in Osnabrück 2017 mit einer Straftat auffällig geworden sind, die Quote krimineller Flüchtlinge ist jedoch nicht so klar zu ermitteln. Wenn man die Zahl der in Osnabrück gemeldeten Flüchtlinge Ende 2017 zugrunde legt, lag sie bei 4, 4 Prozent eine Größenordnung unter Vorbehalt.

Berthold Wesseler ist seit vielen Jahren bei der Jugendgerichtshilfe beschäftigt, hat auch schon den Zuzug der Spätaussiedler miterlebt. Seine Erfahrung: Wenn eine Gesellschaft auf einmal so durchgemischt wird, hat das immer einen Anstieg von Jugendkriminalität zur Folge.″ Und was macht die Stadt? Wir analysieren Sozialräume und versuchen, niedrigschwellig tätig zu werden″, sagt Fachbereichsleiter Hermann Schwab, etwa durch Quartierstreffs und Ähnliches″. Die Jugendgerichtshilfe passt außerdem ihr Betreuungsangebot an. Einer Gruppe junger straffälliger Syrer etwa habe das Team in einem Kurs das deutsche Rechtssystem nahegebracht, erläutert Wesseler. In der Regel brauchen Jugendliche nicht Strafe, sondern Orientierung.″

Bildtext:
Das Team der Jugendgerichtshilfe hat wieder mehr zu tun.
Foto:
Jörn Martens

Kommentar
Zukunft geben

Langeweile und Perspektivlosigkeit: Das waren immer schon Faktoren, die Jugendkriminalität begünstigt haben. Und dass junge Männer überproportional häufig straffällig werden, weil sie ihre Grenzen austesten wollen, ist auch nichts Neues.

Bei jungen Flüchtlingen kommt beides zusammen, insofern ist es kein Wunder, dass die Jugendkriminalitätsrate unter ihnen jetzt gestiegen ist auch in Osnabrück. Es ist aber ein Alarmsignal, das ernst genommen werden muss. Und zwar nicht, indem härtere Strafen beschlossen werden, sondern durch verstärkte Integrationsbemühungen. Ausgerechnet jetzt stehen die Stellen von neun Flüchtlingssozialarbeitern in Osnabrück auf der Kippe, weil nicht klar ist, ob das Land Niedersachsen sie weiterfinanzieren will. Angesichts der Kriminalitätsentwicklung wäre eine Kürzung fatal.

Die jungen Leute brauchen sinnvolle Beschäftigung. Bei der Vermittlung können Sozialarbeiter, Schulen, Vereine und Ehrenamtliche helfen. Und die Jugendlichen brauchen eine Perspektive für die Zukunft. Die bekommen sie nicht, wenn sie monate- bis jahrelang auf den Abschluss ihrer Asylverfahren warten müssen oder in Gemeinschaftsunterkünften festhängen.
Autor:
Sandra Dorn


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