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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
So verteilt die Osnabrücker Tafel das Essen
 
Keine Verteilungskämpfe bei der Tafel
Zwischenüberschrift:
Osnabrücker Vereinsvorsitzender: Ausländeranteil auch hier hoch, aber bei uns ist genug für alle da
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück. Bei der Osnabrücker Tafel gibt es keine Verteilungskämpfe wie in Essen. Der Osnabrücker Vereinschef Hermann Große-Marke erklärt, dass an den acht Ausgabestellen der Osnabrücker Tafel in Stadt und Landkreis genug Lebensmittel für alle vorhanden sind. Somit versorgt die gemeinnützige Einrichtung rund 3000 Bedürftige pro Woche. Der Ausländeranteil sei mit aktuell 50 bis 60 Prozent zwar auch in Osnabrück hoch, doch der Unterschied zur Essener Tafel ist: Hier hat keiner das Gefühl, der andere nimmt ihm etwas weg″, sagt der 62-Jährige. Große-Marke will die Entscheidung der Essener Tafel, vorerst keine Ausländer neu aufzunehmen, nicht bewerten.

Ein Aufnahmestopp für Ausländer ist bei der Osnabrücker Tafel undenkbar. Der Osnabrücker Vereinschef Hermann Große-Marke will die Entscheidung der Essener Tafel, vorerst keine Ausländer neu aufzunehmen, nicht bewerten. In unserer Region werde es das aber nicht geben, denn wir können alle Kunden gut versorgen″.

Osnabrück. Zu den insgesamt acht Ausgabestellen der gemeinnützigen Einrichtung in Stadt und Landkreis kommen rund 3000 Bedürftige pro Woche. Das Miteinander zwischen Deutschen und Ausländern funktioniert, sagt der 62-Jährige zufrieden. Der Ausländeranteil sei mit aktuell 50 bis 60 Prozent zwar auch in Osnabrück hoch, doch der Unterschied zur Essener Tafel ist: Hier hat keiner das Gefühl, der andere nimmt ihm etwas weg. Hier ist Gott sei Dank genug für alle da.″

Als ob der Vorsitzende das belegen wollte, führt er durch die Zentrale der Tafel im Erdgeschoss der Schlachthofstraße 1. Sieben Tonnen an Lebensmitteln sammeln vier Lkw und ein Transporter der Tafel täglich bei Supermärkten oder Bäckereien ein. Die Kühlwagen sind so viel unterwegs, dass wir monatlich 2000 Euro fürs Tanken ausgeben müssen″, verdeutlicht Große-Marke. Mit 220 Geschäften arbeitet die gemeinnützige Einrichtung bereits zusammen. So gelangt die Tafel an den großen Warenbestand an Spenden, die nicht mehr in den Verkauf gehen, weil sie sich in der Regel dem Verfallsdatum nähern. Besonders stolz ist der ehemalige Kaufmann, der sich vor zwei Jahren als stellvertretender Betriebsleiter in den Vorruhestand versetzen ließ, um dann ehrenamtlich die Geschicke der Tafel zu leiten, auf sechs Kühlhäuser. Sie sind fast bis zum Rand mit abgepacktem Aufschnitt, Gurkensalat oder etwa auch Cappuccino-Bechern gefüllt.

In der Warenannahme im Hof sortieren einige der insgesamt rund 280 Ehrenamtlichen, die für die Osnabrücker Tafel arbeiten, was noch essbar ist. Auch bei ihnen ist der Verteilungskampf unter den Bedürftigen in der Essener Tafel Thema. Sie sind von der Essener Eskalation so überrascht, weil sie die Situation in der Osnabrücker Tafel so anders wahrnehmen. Besonders Oumar Barry aus dem westafrikanischen Staat Guinea zeigt sich betroffen: Ich finde es sehr schade, dass Ausländer dort ausgegrenzt werden″, sagt Barry, der vor zwei Jahren selbst als Flüchtling nach Osnabrück kam, mittlerweile aber fließend Deutsch spricht und an der Uni Osnabrück Informatik studiert: Die Herkunft kann doch kein Kriterium sein, wer Lebensmittel bekommt und wer nicht. Entscheidend müsste doch eigentlich die Bedürftigkeit sein.″

Ähnlich sieht es der Syrer Saeed Karaziwan, der seit zwei Jahren bei der Tafel dolmetscht: Hier gibt es keine Probleme. Deutsche und Ausländer werden bei der Osnabrücker Tafel gleich behandelt″, versichert er.

Ein 63-jähriger Hartz-IV-Bezieher, der selbst Kunde bei der Tafel ist, aber auch ehrenamtlich unterstützt und freitags an der Tür Wartenummern verteilt, damit nach der Reihenfolge des Eintreffens die Lebensmittel abgeholt werden können, erinnert sich, wie die Situation sich vor zwei Jahren auch hier zuspitzte. Die Schlangen wurden immer länger. Freitags standen mehr als 150 Leute vor der Tür, manche fuhren die Ellbogen aus und drängelten sich vor.″ Auch Große-Marke erkannte, dass der Migrantenanteil unter den Bedürftigen mit der Flüchtlingswelle auf einmal von sonst rund 50 Prozent auf dann 75 Prozent anwuchs. Es wurde wuselig, und der Unmut wurde größer, doch dann führten wir das Nummernsystem ein, das es hier früher schon einmal gab, und die Situation beruhigte sich wieder″, erläutert Große-Marke. Ehrenamtliche wie Karaziwan waren für ihn gerade in dieser Zeit eine besonders große Hilfe, da er den Flüchtlingen auf Arabisch erklärte, dass sie draußen warten müssen, bis ihre Nummer aufgerufen wird.

Im Vorraum der Essensausgabe weist ein Schreiben, das Karaziwan ins Arabische übersetzte, darauf hin, dass an den wegen der Wochenendeinkäufe stark frequentierten Freitagen nur derjenige Lebensmittel bekommt, der zuvor auch eine Nummer gezogen und gewartet hat, bis er an der Reihe ist.

Eine adrett gekleidete Mutter, die am Freitagnachmittag mit drei von ihren sechs Kindern zur Tafel kommt und sich hier nur mit ihrem Vornamen Nicole erwähnt wissen will, sagt: Es ist keine Frage der Nationalität, sondern des Benehmens.″ Und wer sich nicht benehmen könne, der solle eben keine Lebensmittel bekommen. Die sechsfache Mutter schätzt es sehr, dass sie für eine Ladenspende von zwei Euro Lebensmittel aller Art bekommt: Alleine das Obst und Gemüse hilft uns schon sehr.″ Ohne die Unterstützung hätte die Familie es schwer, obwohl sie einen 450-Euro-Job als Reinigungskraft hat und ihr Mann als Techniker arbeitet. Weil ihr die Tafel so wichtig ist, sagt sie auch nichts, wenn sich dann doch mal jemand vordrängelt. Sie will hier keinen Stress haben″.

Die Zweite Vorsitzende der Tafel, Edith Lücke, ermutigt sie, sich künftig in solchen Fällen an sie zu wenden: Wir erinnern ihn dann an die Regeln und klären das.″ Große Marke sagt: Es ist doch in der Regel so, dass sich 95 Prozent gut benehmen können und nur fünf Prozent nicht das gilt dann für Deutsche genauso wie für Ausländer.″ Und wenn seine Kunden mal gestresst oder aufgeregt sind, weil sie wegen des großen Andrangs etwas länger warten müssen, dann zeige er sich besonders freundlich: Ich habe die Erfahrung gemacht: Freundlichkeit ist wie ein Bumerang. Sie kommt immer wieder zurück.″

Bildtext:
Die Osnabrücker Tafel behandelt alle gleich: Hier versorgt Giesela Temme Mohammed Alshaikh mit Lebensmitteln.
Bei uns läuft alles harmonisch″, sagen der Vorsitzende der Osnabrücker Tafel, Hermann Große-Marke, und die Zweite Vorsitzende Edith Lücke.
Fotos:
Michael Gründel

Kommentar
Vorbildlich

Die Osnabrücker Tafel geht vorbildlich mit den Bedürftigen um und differenziert bei der Essensausgabe nicht nach Herkunft. Allerdings gibt es auch keinen Anlass, neue Aufnahmekriterien wie in Essen einzuführen. Schließlich sind für die Ausgabestellen der Tafel in der Region ausreichend Lebensmittel für alle Bedürftigen vorhanden.

Aus diesem Grund gibt es hier auch noch keinen Verteilungskampf wie bei der Essener Tafel. Die neuen Aufnahmekriterien in der größten Ruhrgebietsstadt sollten aber als Warnung verstanden werden, wie weit es kommen kann, wenn die Politik das Armutsproblem nicht in den Griff bekommt.

Nachdenklich stimmt auch, dass trotz des Aufschwungs und des Job-Booms in unserer Region weiterhin 3000 Bedürftige pro Woche auf die gemeinnützige Osnabrücker Einrichtung angewiesen sind, um über die Runden zu kommen.

Die Osnabrücker Tafel

Lebensmittel von der Osnabrücker Tafel bekommt, wer den sogenannten Osnabrück-Pass″ hat. Bedürftige, die etwa Sozialhilfe, Wohngeld, Grundsicherung oder Arbeitslosengeld bekommen, können den Osnabrück-Pass″ beantragen. Die Öffnungszeiten der Osnabrücker Tafel an der Schlachthofstraße 1 sind montags, dienstags, donnerstags und freitags von 12.30 bis 16.30 Uhr sowie mittwochs von 13 bis 16 Uhr. Neben der Hauptstelle betreibt die Osnabrücker Tafel sieben Außenstellen: in der Dodesheide, in Eversburg, Belm, Bramsche, Dissen, Georgsmarienhütte und Wallenhorst-Hollage. Die jeweiligen Öffnungszeiten finden sich auf www.osnabruecker-tafel.de
Autor:
Jean-Charles Fays


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