User Online: 4 | Timeout: 19:53Uhr ⟳ | Ihre Anmerkungen | NUSO-Archiv | Info | Auswahl | Ende | AAA  Mobil →
NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Datensätze des Ergebnis
Suche: Auswahl zeigen
Treffer:1
Sortierungen:
Anfang der Liste Ende der Liste
1. 
(Korrektur)Anmerkung zu einem Zeitungsartikel per email Dieses Objekt in Ihre Merkliste aufnehmen (Cookies erlauben!)
Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Flatauer-Nachfahren erhalten Menora
 
Flatauer-Nachfahren erhalten Menora
Zwischenüberschrift:
Erneut extra aus Israel angereist – Zukunft des Hauses Herderstraße 22 weiter unklar
Artikel:
Kleinbild
 
Kleinbild
 
Kleinbild
 
Kleinbild
 
Kleinbild
 
Kleinbild
 
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Die in Israel lebenden Nachfahren der früheren Besitzer des leer stehenden Hauses in der Herderstraße 22 im Katharinenviertel haben einen siebenarmigen Leuchter geschenkt bekommen, der einst im Familienbesitz war.

In der Herderstraße steht ein verlassenes Haus, das seit Jahren verkommt. Seine einstigen Besitzer wurden in Auschwitz ermordet. Ihren heute in Israel lebenden Nachfahren blieb kaum ein Erinnerungsstück. Doch nun haben sie einen siebenarmigen Leuchter geschenkt bekommen, der einst im Familienbesitz war.

Osnabrück. Im vergangenen Jahr erschien die Geschichte unserer Redaktion über ein seit Jahren leer stehendes Haus an der Herderstraße 22. In den späten 1920er-Jahren hatte es das jüdische Unternehmerpaar Raphael und Alma Flatauer erbaut. In der NS-Zeit musste die Familie das Prachtanwesen im Bauhausstil verlassen und zu einem Spottpreis verkaufen.

Ihre Söhne flüchteten: Kurt nach Palästina, sein jüngerer Bruder Hans nach England. Raphael und Alma Flatauer wurden 1943 in Auschwitz ermordet.

Doch damit endete die Geschichte nicht, im Gegenteil: Ein Nachfahre der geflüchteten Söhne besuchte kurz nach Erscheinen unseres Artikels Osnabrück und die Osnabrückerin Roswitha Baumeister konnte nach der Lektüre endlich zuordnen, woher der siebenarmige Leuchter stammt, den sie einst geerbt hat. Eigentlich wollte Baumeister die Menora, so die korrekte Bezeichnung für den siebenarmigen Leuchter, daraufhin per Post nach Israel schicken. Doch die künftigen Besitzer wollten sie gerne persönlich in Empfang nehmen.

Nun steht der Besuch aus Israel vor Baumeister und ihrem Mann Hubert und ist den Tränen nahe: Der Leuchter ist größer, als ich dachte, vielen Dank″, sagt Guri Palter. Er hält ihn in der Hand, es ist ein bewegender Moment für ihn, seine Augen sind feucht.

Roswitha Baumeister erbte die Menora von ihrer Tante Frida. Seit Mitte der 1930er-Jahre befand sie sich im Familienbesitz: Roswitha Baumeisters Großvater Heinrich Grunge hatte sie damals als Abschiedsgeschenk bekommen. Der Tischlermeister in der Katharinenstraße und Freund der Familie Flatauer hatte für Kurt, den Sohn des jüdischen Unternehmerpaares Flatauer, mehrere Holzkisten gezimmert. In denen wurden die Habseligkeiten für die Auswanderung nach Palästina verstaut.

Hier schließt sich der Kreis: Denn Guri Palter ist der Sohn von Kurt Flatauer. Der Leuchter ist eines von zwei Erinnerungsstücken, die er und seine Familie nun von seinen Vorfahren aus Deutschland besitzen. Das andere ist ein Fotoalbum. Über seine Zeit in Osnabrück hatte Guris Vater Kurt nie gesprochen. Wohl auch, weil er nach der Machtergreifung der Nazis bedroht, verprügelt und schikaniert wurde.

Die Flucht war die einzige Chance und Kurts Vergangenheit als Sohn reicher Osnabrücker Bürger unwiederbringlich vorbei. In Israel lebten Kurt und seine Frau Lea wie Beduinen in einem Zelt im Kibbuz″, berichtet Aviva Palter, Guri Palters Ehefrau. Sie begleitet ihn auch bei seiner zweiten Reise nach Osnabrück, zusammen mit ihrer 49-jährigen Tochter Yotvat. Nun sitzen sie alle drei im Wintergarten der Baumeisters, trinken Kaffee, essen Kuchen und lachen.

Mehr als 60 Jahre war der Leuchter im Besitz von Roswitha Baumeister. Sie erfuhr durch unsere Berichterstattung über das Haus an der Herderstraße 22 und den Besuch der Nachfahren und nahm Kontakt auf. Ich wusste, dass der Leuchter von einer befreundeten jüdischen Familie aus der Herderstraße 22 stammte. Mehr habe ich nie gefragt. Aber als ich die Geschichte der Flatauers las, war mir klar, dass ich die Menora abgeben werde. Für mich ist sie nur ein Leuchter, für die Nachkommen steht sie für ihre Geschichte und ihre Wurzeln.″

Ich komme persönlich vorbei, denn eine solche Geste verlangt einfach danach″, sagte Guri Palter, der Baumeisters Plan, ihm den Leuchter per Post zu schicken, sofort ablehnte. Es ist für uns keine Selbstverständlichkeit, dass wir den Leuchter wiederbekommen und uns die Menschen in dieser Stadt so offen und freundlich empfangen″, sagt der 79-Jährige.

Guri Palter findet es nur schade, dass sein Vater Kurt diesen Augenblick nicht erlebt. Und mein Großvater Heinrich″, stimmt Baumeister ein. Ja, das wäre was gewesen, ist man sich einig: Zwei alte Freunde, die sich nach Völkermord, Krieg und Vertreibung an einer Kaffeetafel wiedertreffen. Nun sind es eben die Nachfahren, die Kontakte über Grenzen und Generationen hinweg schließen. Auch das hätte Kurt gefallen″, ist sich Aviva Palter sicher.

Wie es mit dem Haus an der Herderstraße 22 weitergeht, ist unklar. Aktuell verkommt es immer mehr. Dabei muss das nicht sein: Ginge es nach dem Rat der Stadt in dieser Sache ist er sich sogar einig –, würde die Stadt das Haus kaufen, um darin eine Gedenkstätte zu eröffnen. Oberbürgermeister Wolfgang Griesert stattete der jetzigen Besitzerin persönlich einen Hausbesuch ab, um ihr ein Kaufangebot zu unterbreiten. Aber die betagte Frau verweigert jedes Gespräch.

Der Bürgerverein Katharinenviertel versucht ebenfalls, das Haus zu retten und es davor zu bewahren, nach dem Tod der Besitzerin zu einem Spekulationsobjekt zu werden. Wir haben eine Petition gestartet und streben einen Denkmalschutz an″, sagt Hartmut Böhm, der als Nachbar des Hauses den Verfall tagtäglich beobachtet. Die ersten Unterschreiber waren Guri und Aviva Palter. Es wäre ein Traum, wenn in dem Haus etwas entsteht, das für alle sinnvoll ist″, sagt Guri Palter.

Die Geschichte der Flatauers steht stellvertretend für viele jüdische Schicksale in Osnabrück. Lesen Sie mehr auf noz.de

Bildtexte:
Hubert Baumeister und seine Frau Roswitha (von links) übergeben die Menora. Guri Palter hat von seinem Vater kaum Andenken. Seine Tochter Yotvat Palter-Dycian (Mitte) und seine Frau Aviva sind mit ihm nach Osnabrück gereist.
Tischlermeister Heinrich Grunge und seine Frau Maria waren mit den Flatauers befreundet.
Aviva Palter zeigt Roswitha Baumeister alte Fotos der Familie Flatauer.
Das Haus Nummer 22 in der Osnabrücker Herderstraße verkommt immer mehr.
Sehr ergriffen: Guri Palter bei seinem Gespräch mit Roswitha Baumeister.
Lachen an der Kaffeetafel der Baumeisters.
Alma, Kurt, Hans und Raphael Flatauer bei der Sommerfrische 1925 auf Norderney.
Guri Palter plant noch weitere Besuche in Osnabrück.
Fotos:
Jörn Martens, Gert Westdörp, Palter
Autor:
Corinna Berghahn, Kathrin Pohlmann
Themenlisten:


Anfang der Liste Ende der Liste