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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Judenretter multimedial inszenieren
 
Judenretter multimedial inszenieren
Zwischenüberschrift:
Wie sich die Hans-Calmeyer-Initiative das Museum für den Osnabrücker Holocaust-Saboteur vorstellt
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück. Kaum ist das Museum für den größten deutschen Judenretter Hans Calmeyer vom Osnabrücker Rat beschlossen, präsentiert die örtliche Hans-Calmeyer-Initiative als treibende Kraft hinter dem Millionenprojekt ihre Ideen für die inhaltliche Gestaltung des Hauses. Den Experten um Historiker und Filmemacher Joachim Castan schwebt eine Ausstellung vor, die Leben und Werk des Osnabrücker Holocaust-Saboteurs multimedial in Szene setzt. Zugleich sollen Brücken von der Nazizeit in die Gegenwart geschlagen und Denkanstöße für eigenes Handeln gegeben werden.

Angesprochen werden sollen im Hans-Calmeyer-Haus vor allem junge Menschen. Im besten Fall halten die Initiatoren einige Zehntausend Besucher im Jahr für möglich. Mit einer Eröffnung sei aber nicht vor 2020/ 21 zu rechnen.

Kein langweiliger Schauraum zur stumpfen Heldenverehrung, sondern ein lebendiger Ort für geschichtliche Aufklärung und politische Bildung: So stellt sich die federführende Hans-Calmeyer-Initiative das geplante Museum für den Osnabrücker Judenretter und Holocaust-Saboteur vor.

Osnabrück. Weil er als hoher NS-Verwaltungsbeamter im Zweiten Weltkrieg mindestens 3500 niederländischen Juden das Leben rettete, zählt die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem Hans Calmeyer (1903– 1972) zu den Gerechten unter den Völkern″. Jetzt will ihm seine Heimatstadt sogar ein Museum bauen. Entstehen soll das Hans-Calmeyer-Haus in der Villa Schlikker, der einstigen Parteizentrale der NSDAP in Osnabrück.

Gelegen neben dem Felix-Nussbaum-Haus, ein von Architekt Daniel Libeskind geschaffenes Museum für den 1944 von Nazis in Auschwitz ermordeten Osnabrücker Maler, soll das Hans-Calmeyer-Haus integraler Bestandteil eines ganz neu konzipierten, am Leitmotiv Frieden″ ausgerichteten Museumsquartiers werden und Besucher in Scharen anziehen. Wir haben schon konkrete Vorstellungen, wie aus der bislang unbeachteten Villa Schlikker mit dem Thema , Judenretter Calmeyer′ ein überregional attraktives Museum entstehen kann″, sagt Joachim Castan von der Osnabrücker Hans-Calmeyer-Initiative (HCI). Gerade an ihm dürfte bei der künftigen Gestaltung der Einrichtung, für die sein Verein vier Jahre lang hartnäckig gekämpft hat, kein Weg vorbeiführen: Als Historiker und Filmemacher hat Castan bereits drei verschiedene Ausstellungen über Calmeyer gemacht. Sie wurden in ganz Deutschland gezeigt, unter anderem in Köln, Berlin und am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, außerdem in den Niederlanden. Insgesamt kamen 420 000 Besucher.

Folglich soll auch das Osnabrücker Hans-Calmeyer-Haus ein Publikumsmagnet″ werden, sagt Castan und denkt dabei an jährliche Besucherzahlen im fünfstelligen Bereich Zielgruppe Ü 14. Damit das so kommt und sich vor allem junge Leute angesprochen fühlen, müsse in der Villa Schlikker jedoch etwas Spannenderes geboten werden als textlastige Tafeln zu Leben und Werk des größten deutschen Judenretters. Eine multimediale Inszenierung″ sei stattdessen angezeigt. Etwas, das Calmeyer auf unterschiedlichen Ebenen erlebbar und erfahrbar″ macht, seinen Mut ebenso klar zum Ausdruck bringt wie seine Verzweiflung darüber, möglichst vielen helfen zu wollen, aber leider auch nicht allen helfen zu können, ohne aufzufliegen. Kurzum eine Ausstellung, die mit modernsten Methoden und einer positiven Identifikationsfigur wie Calmeyer im Mittelpunkt zum Lernen und Nachdenken anzuregen vermag: über die unfassbaren Schrecken des Holocausts, aber viel mehr noch über die Macht von Widerstand und Menschlichkeit auch und gerade in heutiger Zeit. Wir wollen keine Heldengedenkstätte, sondern einen lebendigen Ort für historische Aufklärung und politische Bildung″, erklärt Castan und betont: Ich weiß, wie man so etwas erfolgreich aufzieht.″

Riesiger Fundus

Inhaltlich könne jedenfalls aus dem Vollen geschöpft werden. Es gebe Calmeyers umfangreichen persönlichen Nachlass, den der 2013 verstorbene Lehrer Peter Niebaum als Entdecker der Judenretter-Story vor 25 Jahren nach Osnabrück holte, wo das Material als Depositum im Staatsarchiv lagert. Ein anderer großer Schatz″ sei jener Aktenberg im Zentralbüro für Genealogie in Den Haag, der fast alle 5000 Fälle erfasst, in denen Hans Calmeyer über Leben und Tod niederländischer Juden zu entscheiden hatte. Außerdem verfüge die HCI über rund 20 Videos von ausführlichen Zeitzeugen-Interviews.

Bildtext:
Treibende Kräfte: Ralf Steiner (links) und Joachim Castan von der Osnabrücker Hans-Calmeyer-Initiative wollen ein Museum, das historische Aufklärung und politische Bildung miteinander verbindet.

Foto:
Jörn Martens

Kommentar:

Stiller Held

Man nennt Hans Calmeyer auch den Schindler aus Osnabrück″ in Anspielung auf den weltberühmten Judenretter Oskar Schindler, der als Emaillewarenfabrikant mit seiner sagenhaften Liste ungefähr 1200 jüdische Zwangsarbeiter im Zweiten Weltkrieg vor der Deportation bewahrte. Auch wenn der Vergleich mit dieser Ikone des Widerstands hinkt, wird so zumindest ansatzweise klar, wie viel Gutes zu jener Zeit erst recht der NS-Verwaltungsjurist Calmeyer getan hat, als er den Holocaust an entscheidender Stelle von innen sabotierte: Mindestens 3500 niederländische Juden verdanken seinen bürokratischen Tricks ihr Leben. Dabei handelte Calmeyer im Gegensatz zu Schindler, ohne persönlich zu profitieren. Bis zu seinem Tod 1972 machte er sogar keinerlei Aufhebens um sein Rettungswerk. Fast wäre der stille Held deshalb komplett vergessen worden. Mit dem geplanten Museum bietet sich seiner Heimatstadt Osnabrück nun die Gelegenheit, auf einzigartige Weise an ihren großen Sohn zu erinnern und zugleich wertvolle Denkanstöße für die Gegenwart zu geben.
Autor:
sst


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