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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Fußgänger Verlierer der Fahrradförderung?
Zwischenüberschrift:
Konflikte gibt es täglich, Unfälle eher selten
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Autos sollen raus aus der City, die Stadt will den Radverkehr in Osnabrück fördern. Gerät dabei der schwächste aller Verkehrsteilnehmer aus dem Blick? Eine Gruppe von Fußgängern sieht das so und fühlt sich von Stadt und Polizei wenig ernstgenommen.

Osnabrück. Dieter Beck trifft sich gerne an dieser Stelle. Der 74-jährige Osnabrücker sitzt mit dem Rücken zur Eisdiele, trinkt einen Cappuccino, steckt sich die Pfeife an und beobachtet den Innenstadtverkehr auf der Dielingerstraße. Es dauert nicht lange, da kann er seine Vorwürfe mit einem ersten Anschauungsbeispiel belegen. Sehen Sie den Radfahrer dort in der Passage? Der fährt auf der falschen Straßenseite auf dem Bürgersteig, bremst nicht einmal ab und bringt die Fußgänger in Bedrängnis.″

Wer länger mit dem pensionierten Lehrer an der Dielingerstraße sitzt, beobachtet weitere ähnliche Fälle. Für Beck, der dem Stadtverband des Bunds der Fußgänger vorsteht, sind sie Teil eines größeren Problems. Radfahrer werden von der Stadt hofiert. Dass viele von ihnen gegen die Regeln verstoßen und in den ureigenen Raum der Fußgänger eindringen, wird ignoriert″, sagt er. Von der Polizei, den Parteien in Osnabrück und Verkehrsplanern der Stadt fühlt sich sein Verband alleingelassen. Mehr als Lippenbekenntnisse, die Situation des Fußgängers in den Blick zu nehmen und zu verbessern, habe es nicht gegeben.

Dreimal sei er in Osnabrück schon von einem Radfahrer angefahren worden, berichtet Beck. Die Zusammenstöße habe er zwar unverletzt überstanden, aber sicher fühle er sich als Fußgänger nicht mehr. Ähnlich gehe es seinen momentan elf Verbandsmitstreitern. Sie alle bekämen regelmäßig das rüpelhafte und rücksichtslose Verhalten von Radfahrern zu spüren. In einer immer älter werdenden Bevölkerung kann es nicht sein, dass Radfahrer Narrenfreiheit genießen und Fußgänger massiv bedrängen″, findet der 74-Jährige.

Was Beck einfordert, ist eigentlich in der Straßenverkehrsordnung klar geregelt. Ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht″ werden in den Grundregeln angemahnt. Wer am Verkehr teilnimmt, hat sich so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird″, heißt es in Paragraf 1 Absatz 2.

Was viele Leute sich überhaupt nicht klarmachen: Sobald sie aus der Haustür auf eine öffentliche Straße treten, sind sie ein Verkehrsteilnehmer″, sagt Heinrich Brickwedde, Verkehrsexperte der Polizei Osnabrück. Den Blick als Fußgänger nicht vom Smartphone-Bildschirm zu lösen könne schon eine Gefährdung darstellen nicht nur für einen selbst. Die Bereitschaft, Regeln einzuhalten, habe gefühlt sowohl bei Radfahrern als auch bei Fußgängern abgenommen, findet der Hauptkommissar, der beinahe täglich auf den Straßen der Stadt und des Landkreises unterwegs ist und im Büro das Unfallgeschehen auswertet. Was den nicht motorisierten Verkehrsteilnehmern seiner Meinung nach in die Karten spielt: Sie haben keine Kennzeichen und begehen die kleinen Fouls auf den Straßen im vermeintlichen Schutz der Anonymität.

Das Problem für die Polizei: Von den möglicherweise alltäglichen Verstößen gegen das Gebot der Rücksichtnahme, von den kleinen Behinderungen und Bedrängnissen bekommt sie nichts mit es sei denn, eine Streife ist zufällig zur Stelle und beobachtet den Vorfall oder es kommt zur Anzeige.

Fehlverhalten registriert die Polizei also meist erst, wenn es zu Unfällen kommt. Die Statistik zeigt dabei für die jüngere Vergangenheit keinen Anstieg von Zusammenstößen zwischen Radfahrern und Fußgängern. 15 Unfälle zwischen Fußgängern und Radfahrern spuckt das System von Brickwedde für 2017 aus. Bei elf der Fälle verursachte der Radfahrer den Zusammenstoß, es kam dreimal zu schweren Verletzungen, zehn Beteiligte wurden leicht verletzt. In den Vorjahren sahen die Zahlen ähnlich aus.

Von der Polizei fordert der Bund der Fußgänger verstärkte Kontrollen an neuralgischen Punkten. Soweit es die Personaldecke im Streifendienst zulasse, gebe es die längst, erwidert Hauptkommissar Brickwedde. Im Dreieck von Hansastraße, Bramscher Straße und Wallring etwa sei aufgefallen, dass Radfahrer regelmäßig die Bürgersteige nutzten, um ihren Weg abzukürzen. Da positionieren sich immer mal wieder Streifen und greifen entsprechend die Radfahrer raus.″

Um sich Gehör zu verschaffen, wandte sich der Bund der Fußgänger in der Vergangenheit mit seinen Belangen auch an die Verkehrsplaner der Stadt Osnabrück. Auch hier sei man eher auf taube Ohren gestoßen, so empfand es Beck. In ihrem politischen Willen, den Radverkehr in der City zu fördern, verschließe die Stadt die Augen vor der Kehrseite des neuen Radfahrerselbstbewusstseins, lautet seine Interpretation.

Das sieht Stadtbaurat Frank Otte naturgemäß anders. In Osnabrück verantwortet er die Themen Mobilität und Verkehrsplanung. Fehlverhalten von Radfahrern sei zwar zu verurteilen, oftmals weiche der Radfahrer aber auf Bürgersteige nicht aus purem Egoismus aus, sondern weil er sich wiederum von Autos und Lastwagen bedrängt fühle. Otte nennt ein Beispiel: Immer wieder halten Paketdienste am Straßenrand auf Radwegen. Radfahrer haben dann zwei Möglichkeiten: sich im Autoverkehr einzuordnen oder den Bürgersteig zu wählen. Variante zwei sei für den Radfahrer die weitaus weniger gefährliche.

Historisch bedingt gebe es bei Radwegen in der Stadt noch immer Nachholbedarf. Während Bürgersteige und Fußwege an sämtlichen Straßen in Osnabrück angelegt seien, fehle es in vielen Bereichen noch immer an klugen Lösungen für den Radverkehr.

Beim Neu- und Ausbau von Straßen versuche die Stadt, Mindestbreiten für Fuß- und Radwege einzuhalten. Wenn wir allerdings eine Entscheidung fällen müssen, weil der Platz nicht reicht, dann fällt sie zugunsten des Radfahrers aus, weil er der gefährdetere Verkehrsteilnehmer ist″, erklärt Otte.

Im Kontakt mit dem Fußgängerverband habe es stets an konkreten Änderungswünschen und - vorschlägen gefehlt. Das kennen wir von Radverbänden anders. Wenn die Gefährdungen ausmachen, haben sie meistens auch Ideen, wie sie sich entschärfen lassen.″ Die seien zwar nicht immer umsetzbar, aber insgesamt sei der Kontakt etwa an Runden Tischen fruchtbar.

Die vom Fußgängerbund angeprangerte Rücksichtslosigkeit von manchen Radfahrern entziehe sich politischer Steuerung, so der Stadtbaurat. Da sind uns die Hände gebunden.″

Bildtext:
Selbstbewusst oder rücksichtslos? Ein Radfahrer flitzt am Osnabrücker Neumarkt an Fußgängern vorbei.

Foto:
Michael Gründel
Autor:
Meike Baars


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