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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Falscher Eindruck der Inklusion?
Zwischenüberschrift:
Leserbriefe
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Zur Inklusion, u. a. zum Leserbrief von Prof. Dr. Meinhart Volkamer Psychisches Wohl der Kinder gefährdet″ (Ausgabe vom 7. November).

Mit großem Interesse verfolge ich seit Wochen die Diskussion um die Förderschulen und kann Professor Dr. Volkamer, der den Wunsch einer kritischen Öffentlichkeit äußert, und Kerstin Meyer-Leive als Oberschullehrerin nur beipflichten. Es sollte Betroffenen endlich ein Forum gewährt werden, in dem sie ihre Erfahrungen schildern können.

Ich selbst bin Lehrerin an einer sogenannten Oberschule, deren Klassen seit fünf Jahren integrativ unterrichtet werden (sollen). Aus fünfjähriger Erfahrung kann ich sagen, dass die Förderung der schwachen Schüler und die Forderung der stärkeren Schüler in einem allgemeinen Einheitsbrei untergehen: Die Lehrer stehen alleine (!) vor Klassen mit bis zu 29 Schülern, die der ehemaligen Haupt- und Realschule angehören und seit Inklusion der Förderschule. Diese Mischung besteht aus körperlich behinderten Kindern, Kindern mit Lernbehinderung (Autismus, Asperger-Syndrom etc.), psychisch und emotional sehr labilen Kindern sowie sogenannten , Regelschülern′. Diese Schüler werden beliebig zusammengewürfelt die übrige Schülerschaft nimmt jedoch in keinster Weise Rücksicht.

Hier wurde die rosarote Brille aufgesetzt, dass ein soziales Lernen soziale Intelligenz stärken soll. Im Gegenteil: Die Förderschüler bekommen jeden Tag brutal den Spiegel vorgehalten, der ihnen ihre mangelnde Kompetenz in verschiedensten Disziplinen vorhält. Sie werden extrem auffällig, und unser Schulsystem ist nicht dafür ausgelegt, diese Auffälligkeiten abzufedern. Zudem sollen sich die Lehrer noch bemühen, den einen oder anderen Schüler zum Gymnasium empfehlen zu können. Wie bitte schön soll das gehen?! Die ersten empfohlenen Schüler kommen mangels kognitiven Vorwissens bereits nach acht Wochen zurück, liegt der Benotungsschlüssel doch in diesen Oberschulen bis zu 87, 5 Prozent bei einem , sehr gut′ (Note 1).

Die versprochenen Hilfen seitens der Förderlehrer aus ehemaligen Förderschulen, die nun wie Handelsvertreter von Schule zu Schule reisen, beschränken sich auf ein bis zwei Stunden pro Woche pro Förderschüler, sind unstet und wechseln nach drei Monaten wieder die Schule, sodass ein Inklusionskind nie die feste Bezugsperson erhält, die es braucht, um sich fortschrittlich entwickeln zu können. Aber gerade diese Schüler bedürfen besonderer Zuwendung und Unterstützung. , Individuelle Lernförderung′ und bis zu 5-fach-Differenzierung in einer Klasse sind ein Witz und schlichtweg nicht leistbar. E- und G-Kurse werden dieser Vielfalt des Anspruches mitnichten gerecht.

Wenn hier nicht schleunigst die Notbremse gezogen wird, droht eine Zweiklassengesellschaft im amerikanischen Sinne. Hier finden Menschenversuche auf Kosten unserer Kinder statt, und die Verlierer sind nicht nur die Inklusionskinder, sondern alle Schüler und auch die Lehrer. Wenn nicht bald mit gesundem Menschenverstand und Vernunft in Bildung investiert wird, kommt dieses , Experiment′ wie ein Bumerang auf unsere Gesellschaft zurück.″

Sonja Wielebinski

Osnabrück

An dieser Stelle wurde in letzter Zeit oft das Thema schulische Inklusion diskutiert, wobei meist die Probleme und nicht die Chancen genannt wurden. Hierdurch kann der falsche Eindruck entstehen, dass die Inklusion überwiegend schlecht läuft. Dies ist bei allen Anlaufschwierigkeiten, die diese neue Herausforderung mit sich bringt, aber keineswegs so. Schüler/- innen, die inklusiv beschult werden, haben die Möglichkeit, wohnortnah mit und von den Kindern zu lernen, mit denen sie auch die Kita oder die Grundschule besucht haben.

Dies zur Regel zu machen ist Ziel der derzeitigen Bemühungen. Hierbei sieht die Schulgesetzgebung keineswegs die Abschaffung sämtlicher Förderschulen vor. Lediglich die Förderschule Lernen soll auslaufen. Letzteres hat zwei Gründe: Zum einen ist es immer Ziel von Unterricht gewesen, Kinder mit Lernschwierigkeiten zu fördern und differenziert zu unterrichten. Hierzu werden Lehrkräfte auch ausgebildet. Zum anderen würde ein Parallelsystem 70 Prozent der Förderschüler/- innen haben diesen Förderschwerpunkt so viele Ressourcen binden, dass sowohl in der Inklusion als auch in den Förderschulen der Mangel zum Prinzip würde. Dann lieber eins richtig machen.

Und es geht doch vielerorts: In Wallenhorst besucht seit circa fünf Jahren kein lernbehindertes Kind mehr die Förderschule. Freiwillig. Weil die Eltern es so wollen. Der Grund: Die örtliche Hauptschule hat schon fünf Jahre länger Erfahrung mit der Inklusion als die meisten anderen Schulen. Die Kinder werden dort gut gefördert und fühlen sich wohl. Also: Es gibt kein Kind, das nicht inklusiv beschult werden könnte, es gibt aber noch einige Schulen, die mit der Inklusion überfordert sind, zum Teil wegen der noch unzureichenden personellen Versorgung, zum Teil aufgrund mangelnder Erfahrung. Hieran gilt es in Zukunft zu arbeiten und nicht in alte Zeiten zurückzufallen.″

Martin Negel

Bramsche

Bildtext:
Dieses Idealbild des gemeinsamen Unterrichts gibt es nach Meinung unserer Leser noch nicht überall.

Foto:
dpa
Autor:
Sonja Wielebinski, Martin Negel


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