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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Erfolgreiches Projekt „Wir-Quartier″
Zwischenüberschrift:
Studenten und Behinderte leben zusammen
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Kleine Reibereien unter Nachbarn kommen in den besten Mietshausgemeinschaften vor. Doch welche Konflikte entstehen, wenn Studenten und Menschen mit Behinderung unter einem Dach leben? Ein Besuch im Wir-Quartier″ am Borkumweg.

Osnabrück. Im Flur des rund zwei Jahren alten Wohnblocks in der Weststadt hängt eine große Korkwand. Aus buntem Papier wurde in Großbuchstaben das Wort Wir-Quartier″ ausgeschnitten und aufgehängt. Ein bisschen Heim-Flair. Daneben Ansichtskarten von Urlauben in Italien oder Frankreich und der Flyer einer Fahrradwerkstatt. Ein bisschen Studentenleben. Und in der Mitte der Tafel findet dann beides auf einer Art Stundenplan zusammen. Grillen, Kaffee trinken, Bowlen mindestens einmal pro Woche gibt es eine gemeinsame Aktivität.

Das Projekt kann nur leben, wenn die Menschen sich begegnen″, sagt Hendrik de Jong von der Lebenshilfe Osnabrück. Eigentlich könnte man sich im Wir-Quartier gut zurückzuziehen: Es besteht aus 46-Einzelappartements. 18 Menschen mit Behinderung und 28 Studenten wohnen hier derzeit. Das Quartier liegt zentral, die Wohnungen sind im Schnitt etwa 26 Quadratmeter groß und kosten inklusive aller Leistungen zwischen 300 und 350 Euro im Monat. Der Sinn von dem Wir-Quartier ist aber nicht, dass jeder alleine in seinem Zimmer sitzt″, sagt Max Wellmann.

Der 21-Jährige studiert Musikerziehung und wohnt seit September 2015 in einem Appartement am Borkumweg. An die Wohnung kam er über das Studentenwerk Osnabrück. Ob besondere Anforderungen an ihn gestellt wurden? Na ja, man sollte schon sozial und offen sein und Interesse daran haben, sich zu begegnen″, sagt Max. Diese Treffen werden aber nicht nur per Stundenplan organisiert, sondern vor allem digital über die gemeinsame Whatsapp-Gruppe mit 46 Teilnehmern. Und wenn man dann Lust hat, abends einen Film zu gucken, schreibt man das einfach rein″, sagt Holger Joerges, einer der behinderten Bewohner. Der 23-Jährige arbeitet bei Ikea. Bevor er ins Wir-Quartier zog, lebte er noch bei seinen Eltern, genau wie Mirjam Benkowitz, die eine Stelle im Stadtgalerie-Café hat, das von der Heilpädagogischen Hilfe betrieben wird. An den Wänden ihrer Wohnung hängen mehrere Bayern-München-Poster. Ich war dreimal in München beim Spiel, zweimal in Berlin und fünfmal in Wolfsburg.″ 24 Jahre ist Mirjam alt. Während sie so lange im Wir-Quartier bleiben kann, wie sie will, müssen die Studenten nach Abschluss ihres Studiums ausziehen. Und wenn jetzt auch alle Bewohner in einem ähnlichen Alter sind künftig wird der Altersabstand zwischen den Bewohnern mit Behinderung und den Studenten wachsen.

Für die Bewohner, die eine Behinderung haben, muss vor dem Einzug ins Wir-Quartier eins klar sein: Ihren Pflegedienst müssen die Bewohner selbst finanzieren und organisieren. Die Studenten sind weder verpflichtet noch in der Lage, ihre Nachbarn zu betreuen. Wozu sich die Studenten jedoch verpflichten: zu festgelegten Zeiten ansprechbar zu sein. Im Monat sind das etwa 18 Stunden Ansprechbarkeit″ auf ehrenamtlicher Basis. Wenn irgendwo mal die Sicherung rausfliegt, der Toaster kaputt ist oder zum Beispiel einem Rollstuhlfahrer ein Glas herunterfällt und er es nicht selbst zusammenkehren kann, dann helfen wir″, sagt Max Wellmann. Das hat aber nichts mit Pflege oder Pädagogik zu tun, sondern nur mit nachbarschaftlicher Unterstützung.″

Und wird denn auch gefeiert im Wir-Quartier? Ja, sicher doch″, sagt Max. Bestimmt nicht so exzessiv wie in anderen Studentenwohnheimen″, sagt Fahrzeugtechnik-Student Sebastian Walter, aber das sei gut so, da kann man sich voll auf das Studium konzentrieren.″

Und wird auch gestritten im Wir-Quartier? Wenn so viele Leute auf einem Haufen leben, gibt es immer kleinere Konflikte, das wird im Mietshaus gegenüber nicht anders sein″, sagt Max. Dreckige Schuhe, zu laute Musik, dreckiges Geschirr wer schon einmal in einer WG gewohnt hat, kennt das.

Mittlerweile hat das Wohnhaus am Borkumweg einen gewissen Ruf bekommen. Aus ganz Deutschland erhalte er Anfragen, gerade erst hätten sich Eltern aus Schleswig-Holstein bei ihm gemeldet, die sich so ein Projekt für ihren Sohn vorstellen könnten, berichtet Hendrik de Jong. Die Warteliste wächst. Eigentlich hatte ich vorher nicht viel mit Menschen mit Behinderung zu tun″, sagt Max Wellmann. Jetzt wohnt er mit ihnen Tür an Tür. Und mehr als das. Wir sind Freunde″, sagt Mirjam.

Bildtext:
18 Menschen mit Behinderung und 28 Studenten wohnen derzeit in den Appartements des Wir-Quartiers″ am Borkumweg in der Weststadt.

Max Wellmann (Zweiter von rechts) hatte vor seinem Einzug kaum Kontakt zu behinderten Menschen.

Mirjam Benkowitz wohnt seit zwei Jahren im Wir-Quartier. Ein großer Schritt in Richtung Selbstständigkeit

Fotos:
Hermann Pentermann
Autor:
Cornelia Achenbach


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