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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Illegal im Land und deshalb nicht zum Arzt
 
Aus Angst vor Abschiebung nicht zum Arzt
Zwischenüberschrift:
Malteser-Migranten-Mediziner in Osnabrück verzeichnen Rückgang der Patientenzahlen
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück. Die Malteser-Migranten-Medizin in Osnabrück behandelt Menschen, die keine Krankenversicherung haben anonym und kostenlos. Noch vor zwei Jahren hatte das Team aus sechs pensionierten Ärzten erwartet, dass mit den steigenden Flüchtlingszahlen mehr Patienten in ihre Praxis kommen würden. Doch das Gegenteil ist der Fall. Flüchtlinge, die einen Asylantrag stellen, sind sozialversichert. Diejenigen, die keinen Aufenthaltsstatus haben und sich illegal im Land aufhalten, scheinen aus Angst vor Abschiebung den Weg zum Arzt zu scheuen. Dabei stehe nie ein Polizist vor der Tür der Praxis in der Detmarstraße nahe dem Marienhospital, betont Dr. Sigrid Pees-Ulsmann, einer der sechs ehrenamtlichen Ärzte. Aktuell benötigt der Verein dringend Spenden für einen Familienvater aus Marokko.

Es kam anders als erwartet: Die Malteser-Migranten-Mediziner in Osnabrück, die Menschen ohne Krankenversicherung anonym behandeln, hatten noch vor zwei Jahren wegen des Flüchtlingszustroms mit einem Anstieg der Patientenzahlen gerechnet. Stattdessen gehen die Zahlen zurück.

Osnabrück. Die Angst vor Aufdeckung lässt die Leute wirklich nur im größten Notfall kommen″, vermutet Dr. Sigrid Pees-Ulsmann. Die pensionierte Allgemeinmedizinerin ist eine von sechs Osnabrücker Ärzten, die die Patienten in der offenen Sprechstunde jeden Dienstag von 10 bis 12 Uhr in der Praxis in der Detmarstraße 6–8 behandeln ehrenamtlich, unter Wahrung ihrer Anonymität und kostenlos. Wir hatten in der Regel immer etwa 100 neue Patienten pro Jahr, in den letzten beiden Jahren nur noch 50 bis 60″, sagt Pees-Ulsmann. Nicht nur den Osnabrücker Malteser-Migranten-Medizinern (MMM) gehe es so, sagt sie, sondern auch an den übrigen 17 Praxis-Standorten des Malteser-Hilfsvereins in Deutschland gingen die Patientenzahlen zurück.

Von der Polizei und den Behörden wird die Arbeit der Ärzte geduldet. Wir verstehen nicht, was die Hemmnisse sind″, sagt Pees-Ulsmann. Wir haben nie einen Polizisten vor unserer Praxis stehen, und wir verlangen auch keine Papiere″, betont sie. Nur sieben oder acht Menschen, die sich illegal im Land aufhielten, hätten sie und ihre Kollegen in diesem Jahr bislang behandelt. Wir könnten mehr arbeiten, auch unser Kinderarzt könnte erheblich mehr arbeiten.″ Laut Schätzungen leben bis zu einer halben Million Menschen illegal in Deutschland, also ohne Aufenthaltserlaubnis oder - duldung. Flüchtlinge, die einen Asylantrag stellen, sind sozialversichert.

Seit 2001 gibt es die Malteser-Migranten-Medizin in Deutschland, seit 2008 in Osnabrück. Die Praxis in der Detmarstraße haben die Ärzte ausgestattet mit gespendeten EKG- und Ultraschallgeräten. Entbindungen bilden einen Schwerpunkt ihrer Arbeit, außerdem führen sie Impfungen durch, behandeln Infekte und alles, was auch in normalen Hausarztpraxen anfällt. Notfälle dürfen sie an die Notaufnahme des Marienhospitals übergeben. Das Team aus sechs pensionierten Ärzten und einer Sprechstundenhilfe wird unterstützt durch ein Netz aus rund 20 Fachärzten, an die sie kompliziertere Fälle überweisen können.

Die Behandlungen erfolgen kostenlos, die Ärzte versuchen allerdings, die Patienten nach deren Möglichkeiten an den Kosten zu beteiligen. Sind längere Krankenhausaufenthalte nötig, übernehmen die Malteser-Migranten-Mediziner teilweise die Liegekosten und greifen dafür auf ihren Spendentopf zurück.

Per Mund-zu-Mund-Propaganda erfahren die Patienten von ihnen. Den größten Anteil bilden Kranke aus EU-Ländern und den Balkan-Staaten. Aber nicht nur Migranten werden von den ehrenamtlichen Ärzten behandelt. Auch Deutsche, die nicht versichert sind, kommen zu uns″, erläutert Pees-Ulsmann, zum Beispiel Langzeitstudenten, die ab dem 25. Geburtstag nicht mehr kostenlos in der Krankenversicherung ihrer Eltern mitversichert sind.

Aktuell benötigt der Verein dringend Spendengelder für die Behandlung eines 61-jährigen Marokkaners, der beim Besuch seiner Familie im westfälischen Enger plötzlich unter starken Hüftschmerzen litt. Seine Auslandskrankenversicherung hätte nur eine einfache hausärztliche Behandlung abgedeckt, sagt Pees-Ulsmann. Die Familie wandte sich an die Mediziner in Osnabrück, die die Behandlung des Vaters übernahmen. Er leide an einem angeborenen Hüftschaden und noch dazu an Parkinson, so Pees-Ulsmann. In Bad Oeyenhausen wurde er operiert. Die Kosten für den Krankenhausaufenthalt in Höhe von mehr als 8000 Euro habe der Osnabrücker Verein bereits übernommen, doch jetzt sei der Familienvater an den Rollstuhl gefesselt. Die dringend benötigte Reha werde weitere 8000 bis 10 000 Euro kosten, sagt Pees-Ulsmann. Dies würde unsere Möglichkeiten weit überschreiten. Die Familie muss bereits für die Medikamente aufkommen und wird sich nur in kleinem Rahmen beteiligen können.″

Wer den Verein unterstützen möchte, erreicht die Malteser in Osnabrück unter Tel. 05 41/ 5 05 22-0, während der Sprechzeiten sind die Mediziner erreichbar unter Tel. 05 41/ 326-47 79. Weitere Infos und die Spendenkontodaten gibt es auf der Internetseite malteser-osnabrueck. de

Bildtext:
Immer weniger Patienten, die illegal in Deutschland leben, wenden sich an die Malteser-Migranten-Mediziner. Dabei haben sie dort nichts zu befürchten.

Symbolfoto:
dpa

Kommentar

Leider werden sie gebraucht

Dass die Patientenzahlen bei den Malteser-Migranten-Medizinern in Osnabrück sinken, heißt nicht, dass weniger Menschen ihre Hilfe benötigen. Wahrscheinlich ist eher das Gegenteil der Fall und das ist keine gute Nachricht.

Auch in Deutschland gibt es Menschen, die durch das soziale Netz fallen. Das muss man sich mal wieder vor Augen führen. Das Spektrum reicht vom deutschen Langzeitstudenten über EU-Bürger, die zu Hause keine Chance auf angemessene Behandlung haben, bis hin zu Menschen, die in der Illegalität leben.

Beunruhigend ist die Auskunft der ehrenamtlichen Ärzte in Osnabrück, dass die Zahl der Patienten mit weniger gravierenden Krankheiten sinkt und viele erst zu ihnen in die Praxis kommen, wenn sie schon so krank sind, dass sie keinen anderen Ausweg mehr sehen. Wie groß muss also die Angst der Kranken sein, entdeckt und ausgewiesen zu werden, wie groß ihre Verzweiflung?

Zwar wird kein Patient von einer Notaufnahme abgewiesen, wenn er keine Papiere besitzt. Ärzte sind verpflichtet, medizinische Hilfe zu leisten. Und kein Arzt macht sich strafbar, wenn er einen Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus behandelt. Auch gilt in jedem Fall die Schweigepflicht. Doch die stößt an ihre Grenzen, wenn es ums Geld geht. Die Kosten erstattet bei Notfallbehandlungen zwar das Sozialamt aber die Durchsetzung der Ansprüche ist laut Bundesärztekammer in der Praxis oft schwierig und das erst recht, wenn die Anonymität der Patienten gewahrt werden soll.

Es ist daher eine wichtige Arbeit, die Malteser-Migranten-Mediziner kostenlos übernehmen und leider werden sie gebraucht.
Autor:
sdo


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