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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Fahrgäste erheben schwere Vorwürfe
 
Setzte Busfahrer Pfefferspray ein?
Zwischenüberschrift:
Großfamilie wird nicht mitgenommen und erhebt schwere Vorwürfe – Auch Busfahrer erstattet Anzeige
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück. Ein Streit zwischen einem Busfahrer und einer Familie in einem Weser-Ems-Bus hat ein juristisches Nachspiel. Der Vorwurf: Der Fahrer soll die Familie beleidigt und mit Pfefferspray angegriffen haben. Der Fahrer bestreitet das.


Eine Familie aus der Nähe von Bremerhaven hat einen Osnabrücker Busfahrer wegen Körperverletzung angezeigt. Der Fahrer wehrt sich gegen die Vorwürfe und will seinerseits juristisch gegen ein Mitglied der Familie vorgehen.

Osnabrück. Derzeit ist unklar, was genau an jenem Nachmittag im Juli geschehen ist. Aussage steht gegen Aussage. Der Familienvater aus Langen bei Bremerhaven gibt zu Protokoll, dass der Busfahrer ihn und seine behinderte Tochter am Einsteigen gehindert, die restlichen Familienmitglieder als Kanaken″ beschimpft, mit Pfefferspray besprüht und mit einem Schlüssel angegriffen habe.

Der Mann wollte Verwandte in Osnabrück besuchen, sich einen schönen Tag in der Innenstadt machen. Doch was Ali Khalil Mitte Juli passierte, beschreibt er als verstörendes Erlebnis″ für sich, seine vier Kinder und seine Frau. So viel ist klar: Die Familie geriet in eine Auseinandersetzung mit einem Osnabrücker Busfahrer.

Das bestätigte die Polizei auf Anfrage unserer Redaktion. Der Behörde liegen zwei Anzeigen wegen Körperverletzung vor: eine des minderjährigen Neffen von Ali Khalil gegen den Busfahrer und eine des Busfahrers gegen den Neffen. Was tatsächlich passiert ist, werden wohl erst die Ermittlungen zeigen, so die Polizei. Die Situation vor Ort war sehr undurchsichtig″, sagte eine Sprecherin der Polizei.

Die Ausgangslage ist dagegen recht eindeutig: Familie Khalil wollte an einem Dienstagmittag gegen 14 Uhr mit dem Bus in die Innenstadt fahren. Zu der Gruppe gehörten Ali Khalil, seine Frau und seine vier Kinder sowie seine Schwester mit ihren zwei Kindern und seine Nichte mit ihrem Kind insgesamt also vier Erwachsene, drei Teenager und vier Kinder, eines davon im Kinderwagen. Dazu kommt, dass Khalils ältere Töchter, 14 und 17 Jahre alt, beide im Rollstuhl sitzen.

An der Haltestelle Kornstraße am Sonnenhügel wartete die Großfamilie zunächst auf einen leeren Bus und ließ auch einige Fahrzeuge weiterfahren, die offenbar nicht genug Platz für die große Gruppe hatten. In einem Wagen der Linie 584 löste Ali Khalil schließlich Tickets für die ganze Familie, ließ aber zunächst die Verwandtschaft und seine Frau mit einer der Töchter an der vorderen Tür einsteigen. Ich wollte die hintere Tür nehmen, sonst wäre es mit den beiden Rollstühlen zu eng geworden″, so Khalil.

Mittelfinger gezeigt″

Doch anstatt zu öffnen, schloss der Busfahrer die vordere Tür und fuhr mit seiner Familie los. Nur der Vater stand mit seiner Tochter noch an der Bushaltestelle. Ich habe gerufen und an die Scheibe geklopft, aber der Fahrer hat mir nur den Mittelfinger gezeigt″, so Khalils Version.

Die Situation beschreibt er als äußerst bedrohlich für seine Familie: Ich hatte nicht nur alle Tickets bei mir, sondern auch die Notfallmedikamente für unsere Töchter″, berichtet der Vater. Meine Frau hätte nichts tun können, wenn meine Tochter einen Krampfanfall bekommen hätte.″

Entsprechend angespannt war die Situation im Bus nach seiner Erzählung. Demnach versuchte sein 16-jähriger Neffe, den Busfahrer zum Halten zu bewegen. Dabei kam es offenbar zum Streit. Er hat gesagt: Verpiss dich, Kanake′″, berichtet Ali Khalil. Daraufhin sei der Neffe hangreiflich geworden und habe dem Mann ins Gesicht geschlagen. Der Busfahrer habe Pfefferspray gegen die ganze Familie eingesetzt und habe den Neffen mit einem Schlüssel an der Hand verletzt, so Khalil.

Die Reaktion des Busfahrers kann er sich nicht erklären. Meine Nichte ist schwanger. Wie kann man Pfefferspray gegen eine Schwangere und gegen Kinder einsetzen? Warum macht der Busfahrer so was?″, fragt er sich. In den 28 Jahren, die er in der Nähe von Bremerhaven lebe, habe er noch nie Probleme beim Busfahren gehabt. Khalil machte sich gemeinsam mit seiner Tochter im nächsten Bus auf den Weg Richtung Neumarkt. Der Rest seiner Familie hatte es in der Zwischenzeit mit der Polizei zu tun bekommen: Der bedrängte Busfahrer hatte die Beamten gerufen und seinen Wagen räumen lassen.

Seine Sicht der Ereignisse war trotz mehrerer Anfragen unserer Redaktion nicht zu erfahren. Bei den Stadtwerken Osnabrück hieß es, der Vorfall sei nicht bekannt. Die Linie 584 wurde in diesem Zeitraum von Weser-Ems-Bus bedient″, sagte eine Sprecherin auf Anfrage unserer Redaktion. Die zuständige Pressestelle der Deutschen Bahn verwahrte sich gegen den Vorwurf, ihr Mitarbeiter habe die Familie als Kanaken″ beschimpft und den Mittelfinger gezeigt. Weitere Fragen wurden mit Hinweis auf die laufenden Ermittlungen der Polizei nicht beantwortet. Wir sind natürlich um eine schnelle Aufklärung bemüht. Den Vorfall bzw. die Vorwürfe werden wir selbstverständlich prüfen und mit dem Busfahrer klären″, hieß es.

Kurse und Schulungen

Die Bahn schult ihre Mitarbeiter nach eigenen Angaben regelmäßig für den Umgang mit Kunden. Weiterbildungsmaßnahmen sollen die Busfahrer auf Konfliktsituationen vorbereiten. Die werden nach Angaben des Konzerns immer häufiger: Rund 2300 Übergriffe auf Bahn-Mitarbeiter hat es demnach im Jahr 2016 gegeben. Busfahrer, Schaffner und Sicherheitskräfte bekommen deshalb etwa alle drei Jahre Deeskalationstrainings und Selbstverteidigungskurse. Doch auch, wenn die Sicherheit der eigenen Mitarbeiter der Bahn wichtig ist, gibt es Grenzen: Unsere Mitarbeiter dürfen dienstlich kein Pfefferspray einsetzen″, so eine Sprecherin.

Bildtext
Vor verschlossenen Türen eines Busses stand Ali Khalil in der Osnabrücker Kornstraße.

Symbolfoto:
David Ebener

Kommentar:

Kommunikation ist kompliziert

Nichts ist so kompliziert wie Kommunikation. Versteht ein Empfänger eine Botschaft auch wirklich so, wie es der Absender gemeint hat? Schon leichte Variationen in der Tonlage können aus einem nett gemeinten Kompliment eine tödliche Beleidigung machen. Wenn dann die Seele angefasst ist, werden Chancen zur Deeskalation schnell verpasst und jedes Wort und jede Geste als Aggression fehlinterpretiert. Jeder kennt das, niemand ist vor solchen Missverständnissen gefeit. Und wer hat sich nach einem heftigen Streit nicht schon mal gefragt: War es das jetzt eigentlich wert?

Möglicherweise entpuppt sich die dramatisch anmutende Auseinandersetzung zwischen dem Busfahrer und dem Familienvater als ein ebensolches, grandioses Missverständnis. Zu diesem Zeitpunkt steht Aussage gegen Aussage, und kein Unbeteiligter kann bei diesem Stand der Ermittlungen mit Gewissheit sagen, was zur Eskalation beigetragen und wer sich eines Fehlverhaltens schuldig gemacht hat. Man hüte sich also vor Schuldzuweisungen und voreiligen Schlüssen, bis die Ermittlungen abgeschlossen sind.
Autor:
lori, Wilfried Hinrichs


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