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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Das „kleine Rathaus″ im Wald
Zwischenüberschrift:
Die Heger Laischaft unterhält seit 1948 ein Forsthaus am Rand des Heger Holzes
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Schütter″ ist die weit in die Geschichte der Laischaften zurückreichende Berufsbezeichnung des verbandseigenen Viehhirten. Seine Aufgabe war es, morgens das Vieh der Laischaftsmitglieder („ Interessenten″) aus der Innenstadt hinaus auf die gemeinschaftlich genutzten Weidegründe vor der Stadt zu treiben, es dort zu behüten und abends wieder zurückzubringen. Eine Deutungsmöglichkeit des Namens ist die des Schützers″ des Viehs.

Neben der Weidetrift hatte der Schütter aber auch darauf zu achten, dass die Weidegerechtigkeiten der Interessenten nicht missbraucht wurden: Wer mehr Kühe auf die Weide schickte, als ihm zustanden oder wer unberechtigt Pferde grasen ließ, musste damit rechnen, dass diese Tiere geschüttet″ (weggesperrt) und nur gegen Zahlung von Schüttegeld″ wieder ausgelöst werden konnten, ganz so, wie es heutzutage einem Falschparker mit seinem abgeschleppten Fahrzeug ergeht. Das Wort verschüttgehen″ knüpft an diese Bedeutung an.

Sechs Laischaften gab es im spätmittelalterlichen Osnabrück, die nach den Stadttoren benannt waren, vor denen ihre Weidegründe lagen. So gab es neben der Heger Laischaft die Natruper, die Hase-, die Herrenteichs-, die Johannis- und die Martinianer-Laischaft. Diese Weidegenossenschaften hatten die ummauerte Innenstadt und die umliegende Stadtfeldmark wie Tortenstücke untereinander aufgeteilt. Mit dem Fall des Festungsgebots im 19. Jahrhundert und Siedlungsmöglichkeiten außerhalb der Stadtmauern verloren die Laischaften ihre Daseinsberechtigung. Sie teilten den Laischaftsbesitz unter den Interessenten auf oder verkauften ihn. Lediglich die Herrenteichslaischaft mit ihrem Immobilienbesitz in der Stadt und die Heger Laischaft mit ihrem Waldbesitz in Gestalt des Heger Holzes widerstanden der Abwicklung und existieren bis heute.

Die Heger Laischaft hielt an der historischen Bezeichnung des Schütters als eines Vieh- und Feldhüters fest, gab ihm nun aber, parallel zu ihrem eigenen Wandel von der Weide- zur Waldgenossenschaft, die Aufgaben eines Waldaufsehers oder Försters.

Ein Förster braucht als Wohn- und Dienstsitz ein Forsthaus, das in oder an den Forsten liegt, die er zu betreuen hat. Bis zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts hatte der Heger-Laischafts-Schütter nur einen Wetterschutz und einen Geräteschuppen am Heger Holz, wohnte dort aber nicht. Erstaunlicherweise fand die Heger Laischaft in den Notjahren nach dem Zweiten Weltkrieg die Mittel und die Kraft, ihm ein richtiges Schütterhaus zu bauen, und zwar an der Forststraße Langer Kamp, die seit 1959 Schütterhausweg heißt.

Treibende Kraft war 1948 der Vorsteher Heinrich Hake. Er war von Beruf Baumeister und Bauunternehmer und schaffte es, das notwendige Baumaterial zusammenzukungeln und Arbeitskräfte aus den Reihen der Interessenten zu rekrutieren, um so ein schmuckes Forsthaus an den Waldrand zu stellen. Von Anfang an war das Schütterhaus nicht nur die Dienstwohnung des Schütters, sondern auch der eigentliche Sitz der Heger Laischaft, ihr kleines Rathaus″. Der Traditionsraum, in dem jeden Monat die zwölf Vorstandsmitglieder zusammentreten, atmet den Geist einer langen Geschichte. In der Ecke gegenüber dem offenen Kamin steht die Wolfstrommel, mit deren Schlag der Schütter einst das Vieh zusammentrieb. Darüber die Feuerschutzhelme, die an die Funktion der Laischaft als erste freiwillige Feuerwehr erinnern.

Der schwere Eichenbalken über dem Kamin trägt den Spruch Red′, was wahr ist, trink′, was klar ist, lieb′, was rar ist″. An den Wänden hängen Fotos der Vorgänger des aktuellen Wort- und Buchhalters Gerd Gust, Lagepläne des Waldes mit allen zu unterhaltenden Wegen und Gräben sowie den vorherrschenden Baumarten und nicht zuletzt Fotos der Großen Schnatgänge. Alle sieben Jahre feiert die Laischaft diese Grenzbegehung in Form eines Volksfestes für die ganze Stadt, der nächste findet im kommenden Jahr statt. Zusätzlich gibt es jedes Jahr den Kleinen Schnatgang als laischaftsinterne Veranstaltung. Auf den bleiverglasten Fensterscheiben haben sich Interessenten mit Wappen und Sinnsprüchen verewigt.

Seit der grundlegenden Renovierung des Schütterhauses 1996 ist Michael Decker der diensthabende Schütter. Mit Frau und Kindern bewohnt er den rückwärtigen Teil des Hauses. Der 50-jährige gelernte Forstwirt kümmert sich um Forsteinschlag und Anpflanzungen, macht nach Windbruch die Wege wieder passierbar, nimmt die Verkehrssicherungspflichten wahr, repariert die Sitzbänke, kontrolliert die Schlagbäume, leert die Mülleimer. Da aber die 80 Hektar des Heger Holzes nicht eine volle Försterstelle tragen können, steht Decker mit einem Teil seiner Arbeitszeit in Diensten des städtischen Osnabrücker Servicebetriebs (OSB) und nimmt dort ähnliche Aufgaben in den Stadtforsten wie etwa am Schölerberg, am Schinkelberg und im Natruper Holz wahr.

Um meine Wohnsituation werde ich oft beneidet″, erzählt Decker, Spaziergänger, die hier vorbeikommen oder in der Heinrich-Hake-Hütte′ gegenüber Pause machen, bieten an, mit mir tauschen zu wollen.″ Deckers Frau Heike hält ihre beiden Pferde auf der Wiese neben dem Schütterhaus und ist auch für die Hühner zuständig. Im Moment gibt es keine, weil der Fuchs sie alle geholt hat. Aber bald werden die Deckers sich neue anschaffen. Dann ist die Idylle am Waldrand wieder komplett.

Bildtexte:
Das Schütterhaus der Heger Laischaft ist im Juni 1953 eine Station des jährlichen Kleinen Schnatgangs″. Der Große″ wird nur alle sieben Jahre begangen, erstmals nach dem Krieg 1948, danach 1955.

So stellte sich der Architekt 1948 die Traditionsstube im Schütterhaus vor, und fast genauso ist sie auch geworden. Vorsteher Ingo Klute (links) und Schütter Michael Decker präsentieren die Originalzeichnung, dahinter die historische Wolfstrommel″ des Schütters.

Die quergeteilte Klön-Tür″ des Schütterhauses ermöglicht dem Schütter Kommunikation, ohne dass Tiere hinein- oder Kinder hinauslaufen können.

Die behutsame Renovierung 1996 hat das Äußere des Schütterhauses kaum sichtbar verändert.

Glasmalereien sind in die Bleiverglasungen eingelassen. Mit dieser Bildeinlage hat sich 1951 Peitschen-Wirt Harry Albrecht verewigt.

Das 1948/ 49 im Stil eines Forsthauses errichtete Schütterhaus am Südrand des Heger Holzes beherbergt den Repräsentations- und Tagungsraum der Heger Laischaft und im hinteren Gebäudeteil die Wohnung des Schütters.

Foto:
NOZ-Archiv, Joachim Dierks
Autor:
Joachim Dierks


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