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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Vor der Abrissbirne gerettet
Zwischenüberschrift:
Die Häuser Rolandsmauer 23 und 24 sind Zeugnisse des Osnabrücker Ackerbürgertums
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Nur glücklichen Umständen ist zu verdanken, dass das Ensemble Rolandsmauer 23/ 24 am südlichen Aufgang zum Heger Tor in den Siebzigern nicht der Flächensanierung″ zum Opfer fiel. Ein Unternehmer mit Herz für das alte Osnabrück schnappte es der Neuen Heimat″ vor der Nase weg.

Osnabrück. Es war die Zeit, als die Stadtväter (und einige wenige Stadtmütter) die nördliche Innenstadt zum Sanierungsgebiet erklärten, Landes- und Bundesmittel in großem Stil einwarben und flächenhaft alte Bausubstanz entfernen ließen. Es war die Zeit, als man glaubte, die Einkaufsstraßen nur dann zu Fußgängerzonen machen zu können, wenn gleichzeitig leistungsfähige Erschließungsstraßen den öffentlichen Nahverkehr und Zulieferer dicht heranführten. Ein Ring von Parkhäusern und Tiefgaragen sollte den Individualverkehr in Nähe der Einkaufstraßen aufnehmen. Dafür wurde die Dielingerstraße vierspurig Spötter sprachen von autobahnähnlich″ ausgebaut, und ein Direktanschluss der verschwenkten Lotter Straße ins Auge gefasst. Die Verschwenkung unter Opferung der Villa Schlikker konnte gerade noch abgewendet werden, die Total-Operation von Dielinger- und Lortzingstraße jedoch nicht.

Ein ähnliches Schicksal drohte den Häusern Rolandsmauer 23/ 24 in Nachbarschaft der Dielingerstraße, als die Erbengemeinschaft Isermeyer sie 1974 verkaufen wollte. Doch der Chef der Wach- und Sicherheits-GmbH Osnabrück (WSO), Frank Mauersberger, war gerade auf der Suche nach einem Gebäude für die neue Firmenzentrale. Er bekam Wind davon, dass der Sanierungsträger Neue Heimat Städtebau (NHS) ein Gebot auf das Hausensemble zwischen dem Heger Tor und der Einmündung der Dielingerstraße abgegeben hatte. Frank Mauersberger ließ die Familie alleine in den Sommerurlaub fahren, so die Schilderung des Sohnes und heutigen WSO-Chefs Axel Mauersberger, um die entscheidenden Verhandlungsrunden nicht zu verpassen. Es gelang ihm, die NHS auszustechen und sich den Zuschlag zu sichern. Nur dadurch blieb die Bebauung der nördlichen Rolandsmauer in ihrer alten Parzellen- und Gebäudestruktur erhalten, ist Axel Mauersberger heute überzeugt.

Ein Jahr später kaufte die Stadt die leer stehende Lagerhalle der Eisenhandlung Rudolf Richter im Haus Nummer 26, richtete dort das Kulturzentrum Lagerhalle″ ein und trug somit auch selbst zur Bewahrung der Häuserzeile dieses gewachsenen Altstadtbereichs bei.

Das Haus Nummer 24 ist als verputzter Bruchsteinbau mit Sandsteineinfassungen ein typischer Vertreter eines Osnabrücker Wohnhauses des frühen 19. Jahrhunderts in Stadtrandlage. Mauersberger renovierte es einfühlsam und machte 1975 daraus das Haus der Sicherheit″.

Für das Wirtschaftsgebäude nebenan, die Nummer 23, hatte die WSO hingegen keine rechte Verwendung. Es stammt im Kern vermutlich aus dem späten 16. Jahrhundert und diente als Scheune, Stall und Kutschengarage („ Remise″). Remise war das Stichwort, das Mauersberger auf die Idee brachte, hier eine Gastronomie unter diesem Namen einzurichten. Erster Pächter war Klaus Schürmann, der mit der Tränke″ in der Heger Straße bereits über Erfahrung als Altstadtwirt verfügte und die Remise″ über viele Jahre erfolgreich führte. Spätere Pächter gaben der Gastronomie eine neue Ausrichtung, etwa als Irish Pub, behielten aber den eingeführten Namen Remise″ zunächst bei. Heute betreibt Fricke-Blöcks-Wirt Tobias Neumann hier die Steakmeisterei″.

Hinter der schützenden Rolandsmauer″, die als Teil der Stadtmauer bis ins 19. Jahrhundert hinein in Verlängerung des Heger Tores diesen Teil der Altstadt umschloss, wohnte und arbeitete der Ackerbürger August Lappe. Etwa ab 1890 ist der geheime Sanitätsrat Dr. med. Hermann Isermeyer als Eigentümer von Rolandsmauer 23/ 24 vermerkt. Isermeyer war ein hoch angesehener praktischer Arzt. Neben seiner Praxis, von deren Einkünften er lebte, versah er von 1879 bis 1911 auf ehrenamtlicher Basis die Funktion des ärztlichen Leiters des Kinderhospitals. Ihm folgte sein Sohn Dr. Robert Isermeyer (1878–1971) in dieser Funktion wie auch als Betreiber der Praxis an der Rolandsmauer.

Die beiden Isermeyers nutzten die Remise auch tatsächlich noch als Pferdestall und Kutschenunterstand. Als praktischer Arzt und Geburtshelfer musste man zu jeder Tages- und Nachtzeit bereit zum Ausrücken sein. Über einen mechanischen Klingelzug war das Wohnhaus mit der Remise verbunden, in der der Kutscher in seiner Kutscherstube bei den Pferden schlief. Wenn Isermeyer alarmiert wurde, gab er dem Kutscher das Zeichen, der sofort in seine Stiefel sprang und Pferd und Wagen vorbereitete. Das war vor 100 Jahren der Notarzt im Einsatz′″, merkt Axel Mauersberger schmunzelnd an, und in gewisser Weise haben wir ab 1975 in unserem , Haus der Sicherheit′ mit der Notrufzentrale und all den anderen Dienstleistungen rund um die Sicherheit der Bürger diese Tradition fortgesetzt.″

Die WSO übernahm ständig neue Aufgaben. Wurden anfangs Geldtransporte nur zwischen den Banken, der Landeszentralbank und großen Einzelhändlern durchgeführt, kam 1989 die bundesbankfertige″ Aufbereitung der Noten und Münzen in eigenen Räumen hinzu. Was da an Millionen über den engen Hof an der Rolandsmauer und durch die nach heutigen Sicherheitsstandards ungeeigneten Räume ging, da darf man gar nicht drüber nachdenken″, blickt Mauersberger zurück.

Jedenfalls zeichnete sich immer dringlicher die Notwendigkeit eines größeren und verkehrstechnisch günstiger gelegenen Standorts für den auf 380 Mitarbeiter allein am Standort Osnabrück angewachsenen Betrieb ab. Der wurde im Gewerbegebiet Burenkamp gefunden. Im November 1995 ging dort an der Eduard-Pestel-Straße 2 das neue Haus der Sicherheit″ in Betrieb.

Bildtexte:
Das Haus Rolandsmauer 24 im Jahr 1974 kurz nach dem Eigentumsübergang an die Wach- und Sicherheits-Gesellschaft, wovon die Firmen-VW-Käfer Nr. 5 und Nr. 10 künden. Sie stehen im Halteverbot, aber die Sache dürfte verjährt sein. Das niedrigere Wirtschaftsgebäude rechts ist noch im Originalzustand einer echten Remise.

Die Rolandsmauer 24 wird heute von der Kindertagesstätte Pusteblume″ genutzt. Rechts daneben in der ehemaligen Remise residiert die Steakmeisterei″.

Foto:
Firmenarchiv WSO/ Walter Fricke, Joachim Dierks
Autor:
Joachim Dierks
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