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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Flucht aus Forensik hat Konsequenzen
 
Flucht aus Forensik: Ministerium greift durch
Zwischenüberschrift:
Im Osnabrücker Ameos-Klinikum werden fast allen psychisch kranken Straftätern Lockerungen gewährt
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück. Wie kann es sein, dass potenziell gemeingefährliche Patienten in der Öffentlichkeit unbeaufsichtigt bleiben? Nach der Flucht eines Straftäters aus dem Osnabrücker Maßregelvollzug greift das Sozialministerium durch.

Wie kann es sein, dass eine forensische Klinik potenziell gemeingefährliche Patienten in der Öffentlichkeit unbeaufsichtigt lässt? Nach der Flucht eines Straftäters aus dem Osnabrücker Maßregelvollzug sieht sich das Sozialministerium des Landes zum Handeln gezwungen.

Osnabrück. Der seit 2015 im Ameos-Klinikum untergebrachte, psychisch kranke Mann war am Donnerstagvormittag in der Innenstadt untergetaucht. Der 30-Jährige nutzte einen Moment der Unachtsamkeit, als sich sein Aufpasser während eines gemeinsamen Einkaufsbummels auf der Toilette eines Schnellimbisses befand. Am Sonntag wurde der wegen Körperverletzung und räuberischer Erpressung verurteilte Straftäter in Mönchengladbach gefasst. Dort hatte er zuvor eine Angestellte eines Bekleidungsgeschäftes bedroht und die Herausgabe von Bargeld verlangt.

Eine Flucht mit Folgen: Wie das zuständige Sozialministerium in Hannover auf Nachfrage unserer Redaktion mitteilte, sind bestehende therapeutische Lockerungen bei dem entflohenen Patienten umgehend ausgesetzt″ worden. Inwiefern sich auch der zur Begleitung und Aufsicht eingeteilte Klinikmitarbeiter pflichtwidrig verhalten habe, sei offen. Der Vorfall wird selbstverständlich analysiert, um mögliche Fehler zu vermeiden″, sagte Sprecherin Naila Eid.

Der Straftäter hatte den Angaben zufolge bis zum Zeitpunkt seiner Flucht seit gut einem halben Jahr den Lockerungsstatus Gruppenausgang 1: 4″ erreicht. Heißt: Zusammen mit einer Pflegekraft und drei weiteren Patienten durfte er wie am 13. Juli vorübergehend das Krankenhaus am Sonnenhügel verlassen. Ende des Sommers hätte für den 30-Jährigen dann der unbegleitete Einzelausgang beantragt werden sollen.

Doch daraus wird nichts mehr. Bei Verstößen gegen Lockerungsauflagen werden die gewährten Lockerungsstufen zurückgefahren″, erklärte Eid. Und neue Erleichterungen durchzusetzen scheint schwierig.

Denn im vorliegenden Fall soll künftig auch das im Frühjahr neu eingerichtete juristische Kompetenzzentrum mitentscheiden. Es ist zuständig für alle zehn niedersächsischen Maßregelvollzugsanstalten mit ihren etwa 1250 Patienten und prüft Lockerungen wie unbegleiteten Ausgang mit Blick auf die öffentliche Sicherheit vor allem im Fall von Schwerstkriminellen und Sexualstraftätern. Auch wenn der entflohene Patient aus Osnabrück nicht in diese Kategorie fällt: Das Kompetenzzentrum werde bei ihm genau hinsehen und seinen erstmals aufgetretenen Verstoß gegen das vorgegebene Verhalten im Rahmen der Lockerung ins Votum einbeziehen″.

Ein gestuftes Lockerungskonzept, wie es von rechtlicher Seite gefordert werde, müsse laut Ministerium darauf abzielen, die Patienten so auf mögliche Konfliktsituationen außerhalb eines geregelten stationären Rahmens vorzubereiten, dass nach der Entlassung die Rückfallgefahr minimiert wird″. In einem besonders hohen Maß gelinge dies in aller Regel bei Patienten wie im vorliegenden Fall, die nach Paragraf 63 Strafgesetzbuch im Maßregelvollzug untergebracht sind. Psychisch kranke Straftäter also, die von einem Gericht mindestens als potenziell gemeingefährlich eingestuft wurden und die zugleich als schuldunfähig oder vermindert schuldfähig gelten.

Und wie verhält es sich im Ameos Osnabrück? Fünf von rund 80 Patienten verfügen den Angaben zufolge aktuell über keinerlei Lockerungsstatus. Bei allen anderen sind Lockerungen unterschiedlichen Ausmaßes vorgesehen″, teilte Eid mit. Das Spektrum reiche von strikt kontrollierten Ausführungen im Klinikgelände über 1: 1 begleitete Ausführungen außerhalb des Klinikgeländes, begleitete Ausgänge und Gruppenausführungen sowie unbegleitete, zeitlich eng befristete Einzelausgänge bis hin zu Beurlaubungen.

Kommentar

Vertrauen

Keine Frage: Dass ein potenziell gefährlicher, psychisch kranker Straftäter auf Ausgang aus dem Osnabrücker Maßregelvollzug entkommen kann, weil sein Aufpasser mal muss und dabei gleich vier Patienten allein lässt, ist eine heftige Panne. Reines Glück, dass dadurch niemand ernsthaft zu Schaden kam. Falsch wäre es jedoch, deswegen grundsätzlich an der Notwendigkeit von therapeutischen Lockerungen zu zweifeln.

Ziel des Maßregelvollzugs ist es, den Patienten zunehmend Eigenverantwortung zu übertragen, damit sie nach der Entlassung in der Lage sind, verantwortungsvoll zu handeln. Das Ausmaß der Beaufsichtigung muss also schrittweise und auf den Einzelfall bezogen zurückgefahren werden, soweit sich der Patient als kooperativ und zuverlässig erwiesen hat. Die Begleitung hat dann zunehmend die Aufgabe, den Patienten in Situationen, die sie überfordern könnten, Hilfestellung zu bieten. Zugleich verliert die reine Kontrollfunktion an Bedeutung. Im vorliegenden Fall wurde dem Patienten wohl zu stark vertraut. Ein Fehler, aus dem alle lernen müssen.

Bildtext:
Nach der Flucht eines Patienten aus dem Maßregelvollzug im Osnabrücker Ameos-Klinikum sieht sich das Sozialministerium zum Handeln gezwungen.

Foto:
Michael Gründel
Autor:
sst


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