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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Frauenhaus muss ständig Frauen abweisen
Zwischenüberschrift:
Wohnungsnot: Osnabrücker Hilfseinrichtung konnte vergangenes Jahr 404 Personen nicht unterbringen
Artikel:
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Originaltext:
404 Schutz suchende Frauen und Kinder musste das Osnabrücker Frauenhaus im vergangenen Jahr abweisen. Das Problem ist der Wohnungsmarkt. Denn der ist dicht. Genauso wie das Frauenhaus.

Osnabrück. Tut uns leid, wir sind voll″: Diese Antwort müssen die Mitarbeiterinnen des autonomen Frauenhauses Osnabrück am Telefon seit einigen Jahren immer häufiger geben. Die Anruferinnen sind meist Frauen, die von ihren Partnern geschlagen werden und Hilfe suchen. Oder Polizeibeamte, die versuchen, für solche Frauen eine Übergangsunterkunft zu finden.

Mach den ersten Schritt in ein gewaltfreies Leben!″, steht auf dem Infoflyer über die anonyme Zufluchtsstätte für Frauen und deren Kinder in Osnabrück. Doch der endet häufig direkt in einer Sackgasse. 190 Frauen mit 214 Kindern fanden 2016 keinen Platz im Osnabrücker Frauenhaus.

Es ist richtig schlimm, jemanden abzuweisen″, sagt Sabine Strotmann vom Frauenhaus-Trägerverein. Die Verantwortung der Mitarbeiterinnen ist hoch, und doch haben sie meistens keine Wahl.

Theoretisch 30 Plätze

30 Personen kann das Frauenhaus unterbringen, 15 Frauen und 15 Kinder. Theoretisch. In der Praxis sehen die Mitarbeiterinnen zu, dass die Zusammensetzung in den Mehrbettzimmern passt, sodass in einem Vierbettzimmer dann zum Beispiel eine Mutter mit nur zwei Kindern wohnt. Insgesamt waren es im vergangenen Jahr 116 Frauen und Kinder, die das Frauenhaus aufgenommen hat. Das ist nicht viel, wenn man berücksichtigt, dass sich das nächste Frauenhaus in Bersenbrück befindet. Weitere gibt es in und um Münster, in Bielefeld und in Oldenburg. Das Problem ist, dass es anderen Frauenhäusern ähnlich geht″, sagt Mitarbeiterin Ulrike Pabst. Auch sie hätten akuten Platzmangel.

Zwar versuchen Pabst und ihre Kolleginnen, die Hilfesuchenden an andere Häuser zu verweisen, trotzdem bleibe den Betroffenen häufig nichts anderes übrig, als bei Freunden und Verwandten Zuflucht zu suchen, sich sehr weit von Osnabrück zu entfernen oder so lange zu Hause durchzuhalten, bis sie einen Platz fänden, sagt Marion Wenzel vom Osnabrücker Frauenhaus. In Einzelfällen kann die Polizei den Partner auch aus der gemeinsamen Wohnung verbannen aber für Frauen, die Angst davor haben müssen, dass er ihnen auflauert, ist das keine Alternative. Der Platzmangel ist ein bundesweites Problem, auf das jüngst die zentrale Informationsstelle autonomer Frauenhäuser hingewiesen hat.

Drei Dreizimmerwohnungen hält das Frauenhaus vor, bis auf zwei Zimmer sind alle Mehrbettzimmer. Die Frauen leben in den Wohnungen wie in einer WG und das nicht gerade luxuriös, wie Sabine Strotmann betont. Es ist eng, die Frauen haben keine Privatsphäre″, so Strotmann. Hinzu komme: Wenn die Frauen zu lange bleiben und sie immer wieder mit traumatischen Situationen konfrontiert werden, kann das kontraproduktiv sein.″

Doch immer mehr Frauen bleiben länger als ein Jahr im Frauenhaus und zwar nicht freiwillig, sondern weil sie einfach keine eigene kleine und bezahlbare Wohnung finden. Es trifft vor allem Alleinerziehende, die von Armut betroffen sind, oft mit Migrationshintergrund″, sagt Strotmann. Es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem.″ (Weiterlesen: Wird Osnabrück Investoren zu mehr Sozialwohnungen zwingen?)

Stadt in der Pflicht

2009 hat das Frauenhaus noch 94 Frauen abgewiesen, 2014 waren es 435, 2015 entspannte sich die Situation etwas: 238 Frauen und Kinder musste das Frauenhaus abweisen. Der Verein finanziert sich aus Mitteln der Stadt Osnabrück und des Landes Niedersachsen, hinzu kommen Bußgelder und Spenden. Aber auch über die Finanzierung hinaus sieht Mitarbeiterin Strotmann die Kommune in der Pflicht: Die Stadt müsste Wohnraumkontingente für Frauen aus den Frauenhäusern aushandeln.″

Bildtext:
Die meisten Frauen bleiben viel länger im Frauenhaus, als sie wollen. Sie finden einfach keine bezahlbare eigene Wohnung.

Symbolfoto:
dpa

Kommentar:

Es ist allerhöchste Zeit

Während Kommunal- und Bundespolitiker über den Mangel an bezahlbaren Wohnungen diskutieren, erleben die Schwächsten der Gesellschaft deren Folgen längst am eigenen Leib.

Es ist kaum vorstellbar, wie eine Frau sich fühlen muss, die jahrelang von ihrem Partner misshandelt wird und endlich den Schritt wagt, sich ans Frauenhaus zu wenden um dann erfahren zu müssen, dass sie dort keinen Platz findet.

Die Frauen werden damit gleich doppelt zu Opfern: Erstens Opfer von Gewalt und zweitens Opfer einer gesellschaftlichen Entwicklung, die die Politik zwar erkannt, aber noch lange nicht gestoppt hat. Die Mieten steigen weiter in Osnabrück wie anderswo.

Kürzlich gab die Stadtverwaltung aktuelle Zahlen zur Entwicklung der Sozialwohnungen bekannt: Von 2000 Wohnungen im Jahr 2013 wird die Zahl bis 2030 voraussichtlich auf 412 Wohnungen sinken, wenn die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung nicht gegensteuern. Dafür ist es allerhöchste Zeit.

Niemand lebt freiwillig gerne im Frauenhaus. Und doch bleiben die Frauen immer länger, weil sie einfach keine eigene Wohnung finden. Wenn sie wiederum in einer anderen Stadt Zuflucht sorgen, droht der Jobverlust, und ihre Kinder werden aus ihrem gewohnten Umfeld gerissen.

Die Forderung des Osnabrücker Frauenhauses, dass die Stadt sich um Wohnraumkontingente für die Betroffenen bemühen sollte, ist daher mehr als angemessen.
Autor:
Sandra Dorn


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