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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Schöner wohnen für Straßenbahner
Zwischenüberschrift:
Das „Beamtenwohnhaus″ stand auf dem Gelände des ehemaligen Straßenbahndepots
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Die heile Welt des Straßenbahn-Zeitalters hat der große Osnabrücker Architekturfotograf Rudolf Lichtenberg mit diesem Bild eingefangen. Es zeigt das sogenannte Beamtenwohnhaus″ auf dem Gelände des Straßenbahndepots an der Lotter Straße in den späten 1920er-Jahren.

Osnabrück. Es ist im Langzeitgedächtnis der älteren Osnabrücker wohl weniger präsent als das Dienstgebäude an der Ecke zum Kirchenkamp von 1905 (weiter links außerhalb dieses Bildes), das Stadtbaumeister Friedrich Lehmann persönlich entwarf. Dabei weist das vermutlich 1926 errichtete Beamtenwohnhaus″ eine außerordentlich kunstvoll gegliederte Backsteinfassade auf, die es über den Gestaltungsanspruch eines beliebigen Wohnhauses hinaushebt.

Vor das Haus hat Lichtenberg zwei Straßenbahner in scheinbar zwangloser Gesprächssituation postiert. In der rechten Person erkennt Straßenbahnexperte Alfred Spühr einen Kontrolleur, denn dessen Uniformjacke ist mit goldfarbenen Knöpfen besetzt. Der andere dürfte ein normaler Straßenbahnfahrer sein. Für den Eigenbedarf an Uniformen hatten die Verkehrsbetriebe auf dem Depotgelände eine eigene Uniformschneiderei eingerichtet.

Die beiden Herren stehen im Gleisdreieck″, das gebildet wird durch das Streckengleis der Lotter Straße (unten rechts) und die beiden Ein- und Ausfahrtgleise zum Depot, eines stadteinwärts und eines stadtauswärts führend. Neben den normalen Betriebserfordernissen wurde das Gleisdreieck auch zum bewussten Drehen der Fahrtrichtung der Wagen benutzt. Das machen alle Straßenbahnen der Welt so″, weiß Spühr, weil auf den Strecken niemals Rechts- und Linkskurven gleich verteilt sind.″ Durch das gelegentliche Wenden werde einer ungleichen Abnutzung der Radsätze vorgebeugt.

Das Beamtenwohnhaus hielt Dienstwohnungen für jene Straßenbahner vor, für deren Funktion ein kurzer Weg zum Betrieb erwünscht war. Aus Erzählungen weiß Spühr, dass im Dachgeschoss der Hausmeister wohnte. Der war so eine Art Faktotum oder Mädchen für alles″: Er konnte und durfte die Bahn fahren, trug aber keine Uniform, sondern einen Blaumann. Er fuhr zwischen vier und fünf Uhr morgens den Personalwagen, mit dem alles Fahrpersonal eingesammelt und zur Einsatzstelle Depot befördert wurde.

Die Leute hatten ja noch kein Auto, und mit dem Fahrrad etwa aus dem hinteren Schinkel bei Wind und Wetter zur Lotter Straße zu strampeln das wollte die Stadt ihren Mitarbeitern nicht zumuten″, so Spühr. Deshalb fuhr der Personalwagen frühmorgens alle drei Linien ab und ließ die Fahrer und Schaffner an verabredeten Stellen einsteigen. Tagsüber versah der Hausmeister oft ein ausgebildeter Schlosser dann allgemeine Werkstattdienste.

Nachdem der Straßenbahnbetrieb 1960 eingestellt wurde und Dienstwohnungen außer Mode kamen, bauten die Stadtwerke das Haus für Verwaltungszwecke um. Bis zuletzt blieb es ein Bürogebäude des Verkehrsunternehmens, das nun das Areal zwischen Lotter Straße und Ernst-Sievers-Straße als Busdepot nutzte. Der Schwerpunkt der Verkehrsabwicklung mit den moderneren Anlagen verlagerte sich auf die Fläche zwischen Augustenburger und Ernst-Sievers-Straße. An der Lotter Straße verblieb die Zentralwerkstatt. Und eine erneuerte Trafostation, die nicht nur das Obusnetz, sondern auch den Strombedarf des Westerbergs speiste.

Spätestens 1992 meldeten sich Stimmen aus Politik und Kaufmannschaft zu Wort, die auf eine Schließung des Busdepots drängten und in einem Atemzug auch gleich die Celluloid-Fabrik Hagedorn, seit 1885 an der Lotter Straße ansässig, ausgesiedelt sehen wollten. Beide Areale seien ein Störfaktor im Wohngebiet″, das nach und nach an die Gewerbeflächen herangewachsen war, hieß es etwa aus Reihen des CDU-Ortsverbandes Westerberg-Weststadt. Ins gleiche Horn stießen die Einzelhändler der Lotter Straße, die sich davon eine Aufwertung ihrer Einkaufsstraße versprachen.

Es dauerte dann noch bis 2005, bis die Stadtwerke ihren Busbahnhof zur Sandbachstraße verlegten und die Planungen für das Quartier Mittewest″ konkreter wurden. Im August 2010 begannen die Abbruchbagger, das gesamte 2, 5 Hektar große Stadtwerke-Gelände abzuräumen und einen Großteil der Hagedorn-Immobilie sowie die Shell-Tankstelle an der Lotter Straße gleich mit dazu. Nach Plänen des Kopenhagener Architekten Carsten Lorenzen errichtete Hochtief ein viergeschossiges Büro- und Geschäftshaus im Straßeneck und dahinter sieben zum Teil verbundene Wohnbauten mit 110 Miet- und Eigentumswohnungen, dazu eine 2013 eröffnete Quartiergarage″ mit 170 Stellplätzen. Der westliche Teil der Garage nimmt heute den Standort des alten Beamtenwohnhauses″ ein.

Serie Zeitreise

Die Stadtgeschichte im Blick: Lesen Sie mehr auf www.noz.de / historisch-os

Bildtexte:
Ein Teil des Parkhauses des Quartiers Mittewest″ steht heute an der Stelle des Beamtenwohnhauses″.

Das Beamtenwohnhaus″ auf dem Gelände des Straßenbahndepots an der Lotter Straße. Über dem Torpfosten ist ein Teil des Fabrikgebäudes der Firma Hagedorn erkennbar.

Fotos:
J. Dierks, Archiv Museum Industriekultur/ Lichtenberg
Autor:
Joachim Dierks
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